2003-11-28

--- Anthrax ist zwar momentan Schnee von gestern, aber darüber ist das FBI sicher auch ganz froh. Wie die Süddeutsche Zeitung im Anschluss an einen Beitrag im Magazin Science erläutert, dürfte diese den Versender der Milzbrandbriefe nach dem 11. September längst ausgekundschaftet haben. Dies vermutet zumindest Jan van Aken vom Sunshine Project, einer gemeinnützigen Organisation zur weltweiten Ächtung von Biowaffen. „Allen Indizien zufolge verfügt der Täter über detailliertes militärisches Wissen“, sagt van Aken. „Es gibt keine andere Erklärung mehr, als dass das FBI ihn kennt, aber nicht hochgehen lassen kann, weil er sonst womöglich Geheimnisse ausplaudert.“ Bis Herbst 2002 hatten offizielle Stellen in den USA immer wieder betont, man müsse den Täter „im Innern“ suchen. 30 Verdächtige gebe es bereits. Im August 2002 wurde sogar einer davon bekannt: der Biowaffenforscher Steven Hatfill, der die Attentate allerdings energisch abstreitet. Er hatte jahrelang in Abteilungen der höchsten Sicherheitsstufe bei der US-Armee gearbeitet. Seine Karriere endete 1999 abrupt, als er sich in einem Lügendetektortest seines Arbeitgebers verhaspelte. (Im selben Jahr gab Hatfill als Mitarbeiter einer Privatfirma eine Studie in Auftrag, wie Anthrax per Post versandt werden kann.) Kurz nachdem das FBI seinen Fahndungserfolg verkündet hatte, vollzog es aber einen Schwenk in seiner Öffentlichkeitsarbeit, schreibt Gary Matsumoto: „Plötzlich verwandelte sich das Furcht einflößende Anthrax vom vergangenen Frühjahr in etwas entschieden weniger Schreckliches.“ Das Pulver habe gar kein Trennmittel enthalten, hieß es auf einmal. Man suche wieder nach einem Einzeltäter im Kellerlabor. Seither schweigt das FBI zu dem bislang schwersten Anschlag mit Biowaffen in den USA. Das Interessante an dem Ganzen: Hatfill lebte Ende der 70er-Jahre in Simbabwe. Dort tobte damals ein blutiger Bürgerkrieg – und auch eine Milzbrand-Epidemie, wie sie Afrika bis dahin nicht kannte. 11 000 Menschen erkrankten, allerdings nicht die weißen Farmer.