2003-11-05

--- Der Bundestagspräsident als Medientheoretiker : Wenn der Trend zur Vereinfachung der politischen Lage durch die Journalisten "anhält, wird die Wirklichkeit tatsächlich in den Medien nicht mehr stattfinden", erklärte Wolfgang Thierse gestern auf dem Mainzer Medien Disput. Die Berichterstattung stelle weniger die Inhalte in den Vordergrund als vielmehr die "events" wie Sieg oder Niederlage des Bundeskanzlers, Auftritte von Abweichlern oder die Bemühungen der Opposition um Geschlossenheit, klagte er. Seine große Sorge sei, "dass vor lauter Unterhaltungsanspruch Medien nicht mehr sorgfältig berichten, die Wirklichkeit nicht mehr abbilden, den Ernst verlieren, Interessen und Interessenten nicht mehr kenntlich machen und so letztlich die Demokratie gefährden". Politiker seien aber mitschuld an der Misere, da sie sich mit ihrem Selbstdarstellungswahn nicht immer zurückhalten könnten. Tatsächlich spielen hier wohl zwei Mächte und Systeme auf einer Saite und schaukeln sich gegenseitig hoch. Aber wunderbar, dass die Erkenntnisse der Medien- und Systemtheorie nun auch die höchsten Ebenen der Bundesrepublik erreicht haben.