2004-01-31

US vor militärischer Omnipräsenz?

--- All die Kriege, die die USA in den vergangenen Jahrzehnten führten, haben ihre Spuren in Form militärischer Dauerniederlassungen weltweit hinterlassen: Die USA unterhalten auf eigenem Territorium 6000 Militärbasen und laut Base Structure Report 2003 des amerikanischen Verteidigungsministeriums - weitere 702 in über 130 Ländern. In diesen sind über 500 000 Soldaten, Spione, Techniker etc. stationiert, die nicht nur direkt die Erfüllung der militärischen Ambitionen der USA in der Welt gewährleisten, sondern auch Telefonanrufe, Faxe und Emails sämtlicher Erdenbewohner überwachen sollen. Aber auch in Amerika gibt es kritik an der Überall-Präsenz: Generell gegen den Erfolg der Strategie einer Ausweitung der amerikanischen Truppenpräsenz spricht die These des US-Soziologen David Eisenhower, "dass die USA schon jetzt "imperial überdehnt" sind. Die US-Truppen sind überbeansprucht und die Zahl ihrer militärischen Verpflichtungen in der Welt nimmt täglich zu."

base-report.html

2004-01-30

Heftige Kritik an Lordrichter Hutton

--- Der Freispruch Blairs in der Kelly-Affäre durch den Hutton-Untersuchungsbericht stößt in der britischen Presse auf scharfe Kritik, berichtet die taz. Selbst konservative Zeitungen nehmen die BBC gegen die Anschuldigungen Huttons in Schutz: In der üblicherweise BBC-kritischen konservativen Daily Mail schrieb gestern der ehemalige Chefredakteur des noch konservativeren Daily Telegraph: "Hutton erweist uns einen Bärendienst. Er schafft es nicht, die Story in den Kontext der großen Verdienste der BBC und der schlimmen Verfehlungen der Regierung zu stellen. Wir sind Zeugen, wie ein BBC-Chairman zurücktritt, während Alistair Campbell von der Spitze seines Misthaufens kräht." ... Der Independent erschien ganz in Weiß: Die Titelseite war zu zwei Dritteln leer, darauf nur ein Wort: "Whitewash?" Brisant natürlich auch, dass just die zum konservativen und in der Frage des Irak-Kriegs regierungsnahen Murdoch-Imperium gehörende Tageszeitung Sun vorab Kenntnis über die Ergebnisse des Hutton-Berichts erhalten hatte.

hutton-kritik.html

2004-01-29

Schlappe für Meinungsfreiheit in Deutschland

--- Zeit-Chef Michael Naumann muss 9000 Euro blechen, weil er den Berliner Generalstaatsanwalt als durchgeknallt bezeichnet hatte. Naumann will in Revision gehen.

naumann.html

Irak-Waffeninspekteur fordert unabhängige Untersuchung

--- David Kay, ehemaliger US-amerikanischer Oberwaffensucher im Irak, fordert eine Untersuchung der Geheimdienstmaterialien, die zu den aufgebauschten Bedrohungsszenarien der Bush-Administration vor dem Krieg geführt haben. Das Weiße Haus will davon natürlich nichts wissen. Kay gab aber auch an, dass er nicht glaube, dass die Bush-Administration selbst die von Saddam Hussein ausgehende Gefahr übertrieben habe. Es ist natürlich auch einfacher, die Schuld dem undursichtigen Geheimdienstbetrieb in die Schuhe zu schieben, das tut letztlich keinem weh, denn der CIA-Chef George Tennet hat unter Bush längst Narrenfreiheit und steht in der Welt nach dem 11. September anscheinend jenseits argumentativer Kritik.

kay-inquiry.html

Dean baut Wahlkampfteam um

--- Howard Deans Wahlkampfkampagne hat einen neuen "Geschäftsführer": Nach den Pleiten in Iowa und New Hampshire hat der Doktor einen alten Kumpel von Ex-Vizepräsident Al Gore, Roy Neel, zu seinem Chefberater ernannt, so die New York Times. Es ist ja auch nicht schön, Ausgaben von fast 40 Millionen US-Dollar für das Rennen um den Präsidentschaftskandidaten sowie "the greatest grass-roots movement in the history of American politics" (Eigenbeschreibung des Dean-Teams) einfach so verpuffen zu sehen. "You're going to see a leaner, meaner organization," Dr. Dean, who has asked his 500 staff members to skip their paychecks for two weeks, told reporters on an 8 p.m. conference call. "We had really geared up for what we thought was going to be a front runner's campaign. It's not going to be a front-runner's campaign. It's going to be a long war of attrition. What we need is decision making that's centralized." The selection of Mr. Neel, a former telecommunications lobbyist who was an aide to Mr. Gore for nearly 20 years, on Capitol Hill and in the Clinton White House, is a stark shift for an insurgent campaign powered largely by political neophytes whose main message is overthrowing the establishment. He is the ultimate Washington insider, not unlike like those Dr. Dean derides daily. But campaign officials say Mr. Neel was hired to bring order and professionalism to the decentralized — often woefully disorganized — troops.

dean-umbau.html

Widerspenstige RAI-Journalistin vs. Berlusconi

--- Die ganzen italienischen Medien sind von Berlusconi befriedet, alles tanzt nach der Pfeiffe des großen Imperators. Die ganzen? Nein, die als Frühstücksdirektorin angestellte RAI-Präsidentin Lucia Annunziata entpuppt sich als Verfechterin der Meinungsfreiheit und kämpft wie eine kleine Löwin gegen Gängelungen durch den Premier, weiß die Süddeutsche Zeitung: Annunziata kämpft auf ihrem einsamen Posten unbeirrt weiter für einen Rest von journalistischer Unabhängigkeit bei der RAI. Und neuerdings bekommt sie dabei auch Unterstützung aus der Redaktion. Anfang dieser Woche reklamierten mehr als 50 von 100 Redakteuren des TG1, einer der deutschen Tagesschau vergleichbaren Nachrichtensendung, die einseitige Berichterstattung, eine leitende Mitarbeiterin kündigte gar aus Protest ihren Rücktritt an. Immer werde den Vertretern der Regierungsmehrheit das letzte Wort gegeben, kritisierte sie. Doch wenn Berlusconi einen gravierenden Fehler gemacht habe, wie seinerzeit im Europaparlament mit dem NS-Vergleich gegenüber dem deutschen Abgeordneten Schultz, würden die Originalbänder nicht gesendet.

rai.html

Bushs Sicherheitspolitik und die Nazis

--- Ute Frevert, Dozentin für Neuere Geschichte an der Yale University, zieht Parallelen zwischen den aktuellen, vom 11. September angefachten Sicherheitsvorkehrungen der USA mit dem Dritten Reich und warnt vor dem gläsernen Bürger und stützt sich dabei auf entsprechende Artikel in der New York Tiimes: Die elektronische Datenerfassung und -verarbeitung erlaubt es, Menschen in bislang unvorstellbarer Weise zu ergründen und ihrer Gewohnheiten, Vorlieben, Interessen detailgenau habhaft zu werden. An dieser Stelle fallen einem dann doch wieder die Nazis ein. Ihre bürokratisch organisierte und äußerst effektive Vernichtungspolitik beruhte schließlich nicht zuletzt darauf, dass sie auf verlässliche Nachrichten zurückgreifen konnten: auf Fragebögen der Gesundheitsämter, auf Bevölkerungslisten der Einwohnermeldeämter, auf Konfessionsstatistiken der Finanzbehörden. Hätten ihnen die Informationen zur Verfügung gestanden, die heutige Staaten besitzen, hätten sich die destruktiven Energien noch gründlicher austoben können.

nazis.html

2004-01-28

Hutton stellt Blair Persilschein aus

--- Eine der großen Affären rund um das spin doctoring vor und während der Irak-Krise hat ein vorläufiges Ende gefunden: Lord Hutton hat seinen lange erwarteten Abschlussbericht zur Untersuchung des Todes des britischen Massenvernichtungswaffenexperten David Kelly vorgelegt. Tony Blair und sein bereits zurückgetretener Ober-Spindoc Alistair Campbell werden darin größtenteils von dem Verdacht freigesprochen, dass sie eines der Irak-Dossiers der britischen Regierung aufgebauscht hätten. "Sexed-up", so der Vorwurf in einem BBC-Report vom Mai 2003 gegen das Mobilisierungspapier, sei ein umgangssprachlicher Begriff und man könne ihn nicht wirklich auf das Dossier beziehen, so Hutton etwas schwammig. Lordrichter Hutton zieht sich jedenfalls elegant aus der Affäre, kommentiert Florian Rötzer in Telepolis die entscheidende Passage aus dem Bericht. Die Regierung und die Geheimdienste haben also nicht gelogen, sondern vielleicht nur etwas aufgebauscht und zugespitzt, auch wenn sie die doch fragwürdige Information nicht weiter hinterfragt haben. Der BBC-Chef, Gavyn Davies, zog inzwischen die Konsequenzen aus dem "Freispruch" der Blair-Regierung und trat zurück.

hutton.html

Howie wieder eiskalt erwischt

--- Howard Dean hat bei der Vorwahl im eisigen New Hampshire erneut eine Schlappe erlitten . Gewinner ist wieder John Kerry, der in seinen 20 Jahren als US-Senator zwar nicht viel bewirkt hat, aber nun bei den Primaries bislang abräumt. With 97 percent of election districts reporting at 12:20 a.m. today, Mr. Kerry had 39 percent of the vote to 26 percent for Dr. Dean, 12 percent for Mr. Clark, 12 percent for Mr. Edwards and 9 percent for Mr. Lieberman. Kann Dean das Blatt noch wenden? Jedenfalls muss er nun dringend irgendwo einen Sieg einfahren, schreibt die New York Times. Denn Kerry wird hoch bewertet: Der 60-jährige Vietnamkriegs-Veteran Kerry gilt als Politiker, der auch die politische Mitte für sich gewinnen kann und damit ein breiteres Spektrum als etwa der scharfzüngige Irak-Kriegs-Kritiker Dean ansprechen kann. In einer am Wochenende vom Magazin "Newsweek" veröffentlichten Umfrage lag Kerry bei den Zustimmungswerten sogar leicht vor Bush.

howie.html

EU als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat?

--- Die Europäische Union, deren Mitgliedsstaaten vor dem Irak-Krieg alles andere als eine gemeinsame Meinung hatten und generell kaum mit einer Zunge sprechen, bemüht sich anscheinend um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat: Ein europäischer Sitz im UN-Sicherheitsrat könnte schon im Jahr 2007 Wirklichkeit sein. Das geht aus einem Bericht hervor, den das Europaparlament morgen in Brüssel in Anwesenheit von UN-Generalsekretär Kofi Annan verabschieden will. Der Bericht, den das Parlament im März 2003 kurz vor Beginn des Irak-Kriegs in Auftrag gab, fordert, dass in einem um vier Sitze erweiterten Sicherheitsrat "auch die Europäische Union als ständiges Mitglied aufgenommen werden sollte". Dieser Sitz solle von dem künftigen EU-Außenminister wahrgenommen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die EU-Regierungen die Verfassung verabschieden, die den Posten des Außenministers schafft und der EU damit eine eigene Rechtspersönlichkeit gibt. Dem Weltsicherheitsrat gehören fünf ständige Mitglieder ("P5") an - Russland, China, Frankreich, Großbritannien und die USA. Es lebe die Vielfalt, kann man da nur sagen.

eu-uno.html

2004-01-27

"Geheimdienstinfos" von Exil-Irakern

--- Die Dossiers, mit denen Tony Blair den Briten und der Welt den Irak-Krieg schmackhaft machen wollte, gelten seit langem als aufgebläht und aus unzuverlässigen Quellen abgepinnt. Inzwischen gibt es weitere Hinweise, wie etwa die Behauptung von den 45 Minuten, in denen Saddam Hussein angeblich seine Massenvernichtungswaffen einsatzbereit haben sollte, in die Dokumente gekommen sind, berichtet Telepolis. Wie so häufig, kam die Desinformation aus dem Exil: Die irakische Exilgruppe  Iraqi National Accord, die ihren Sitz in London hat und deren Vertreter Iyad Allawi mittlerweile im irakischen Regierungsrat sitzt, hatte diese Information geliefert, erklärte jetzt aber, dass sie Teil von vielen Informationen gewesen sei, die man dem britischen Geheimdienst MI6 gegeben habe. Sie habe nur von einer Person gestammt und sei nicht überprüft worden. Nick Theros, Mitarbeiter von Allawi in Washington, sagte: "Wir haben sie in gutem Glauben weiter gegeben. Es lag an den Geheimdiensten, sie zu verifizieren."

exil-iraker.html

Eco wettert gegen Berlusconis Medienregime

--- Nichts wirklich Neues hat Umberto Eco zu Berlusconi in der Süddeutschen Zeitung zu sagen. Aber er beschreibt mal wieder ganz treffend, was passieren kann, wenn Medienmacht und politische Macht entgegen aller demokratischer Regeln in einer Hand zusammenlaufen: Seit fast 50 Jahren wird behauptet, dass man in der Gegenwart, vielleicht von einigen zurückgebliebenen Ländern der Dritten Welt abgesehen, keine Panzer mehr brauche, um einen Staatsstreich durchzuführen, sondern dass es genüge, die Radio- und Fernsehsender zu besetzen. (Der Letzte, der das noch nicht begriffen hat ist Bush, ein Dritteweltführer, der aus Versehen ein hoch entwickeltes Land regiert.) Jetzt ist der Lehrsatz nachgewiesen. Deshalb ist es falsch zu sagen, dass man nicht von einem Berlusconi-„Regime“ reden könne, weil das Wort „Regime“ an das faschistische Regime erinnere, und das Regime, in dem wir heute leben nicht die Merkmale jener Epoche habe. Der Faschismus steckte die Kinder (und die Erwachsenen) in Uniformen, unterdrückte die Pressefreiheit und schickte die Dissidenten in die Verbannung. Das Medienregime von Berlusconi ist nicht so ungehobelt und antiquiert: Es weiß, dass man den Konsens kontrolliert, wenn man die Informationsmittel mit der größten Durchdringungskraft kontrolliert.

eco.html

Kampf um New Hampshire

--- Howard Dean müsste bei der zweiten Runde der US-Vorwahlen zur Kür des demokratischen Präsidentschaftskandidaten in New Hampshire eigentlich fast ein Heimspiel haben, denn der Doktor kommt aus dem gar nicht weit entfernten Vermont. Doch der überraschende Iowa-Sieger John Kerry führt die Umfragen schon wieder an. Zudem ist Dean schwer angeschlagen: Der Ex-Gouverneur von Vermont kämpft noch immer mit den Bildern seiner überdrehten Rede nach der klaren Niederlage in Iowa vor einer Woche. Mit hochrotem Kopf hatte Dean damals seinen Anhängern die Namen der Bundesstaaten zugebrüllt, die er noch zu gewinnen gedenkt. Zum Abschluss stieß der Ex-Gouverneur einen schrillen Kriegsschrei aus. Die hysterische Szene wurde im Fernsehen Hunderte Male wiederholt und hat Deans Image schwer geschadet. Deans Berater bemühen sich daher verzweifelt, den Kandidaten wieder seriös erscheinen zu lassen. Seine Frau Judith Steinberg Dean begleitet ihn mittlerweile bei fast allen Auftritten. Übers Wochenende verteilte die Kampagne Tausende Kopien eines Fernsehinterviews des Ehepaares, in dem Howard und Judy gewaltig menscheln. In der Netzgemeinde verliert der einstige, für sein Weblog gefeierte Internet-König zudem rasch an Unterstützung, um nicht zu sagen: diverse Online-Medien und Blogger betreiben inzwischen offene Kampagnen gegen Dean. So werden ihm unter anderem alte Zusagen an die Trusted Computing Platform Alliance (TCPA) vorgeworfen, die von alten Netzhasen als Kampagne zur Abschaffung des Universalgeräts Computer verachtet wird, und sonstige Mauscheleien. So schnell kann sich die Gunst der Surfer wenden.

hampshire.html

2004-01-26

PATRIOT Act teilweise verfassungswidrig

--- Die US-amerikanische Bundesrichterin Audrey Collins hat Einspruch gegen eine Passage des PATRIOT Act, dem wichtigsten Antiterrorgesetz der USA, erhoben. Es sei verfassungswidrig, dass des Terrorismus verdächtige ausländische Gruppen bzw. deren Mitglieder keinen Anspruch auf einen Rechtsanwalt haben. In a ruling handed down late Friday and made available Monday, U.S. District Judge Audrey Collins said the ban on providing "expert advice or assistance" is impermissibly vague, in violation of the First and Fifth Amendments. ... The ruling marks the first court decision to declare a part of the post-Sept. 11 anti-terrorism statute unconstitutional, said David Cole, a Georgetown University law professor who argued the case on behalf of the Humanitarian Law Project. Update: Die komplette Entscheidung findet sich online bei Findlaw.

patriot104.htm

Gerster und die Medienkampagne

--- Bei Sabine Christiansen wehrte sich Florian Gerster gestern gegen die gegen ihn losgetretene Medienkampagne. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit habe sich gemeinsam mit den Medien schon vor Vorlage des Prüfberichts seiner Beraterverträge gegen ihn verschworen. Recht hat er, aber trotzdem war er eigentlich schon nach dem WMP-Eurocom-Skandälchen untragbar geworden und hätte lieber gleich zurücktreten sollen. Nun werfen sich alle Seiten gegenseitig Verleumdung und Aufhetzung vor, unschön. Selbst Kanzler Schröder sah sich gezwungen, zu Gerster -- seinem ehemaligen "besten Mann" -- Stellung zu nehmen: "Die Arbeitsfähigkeit der Bundesagentur für Arbeit wäre durch einen Dauerkonflikt zwischen Verwaltungsrat und Vorstand in Mitleidenschaft gezogen worden", sagte Schröder am Montag vor einer Sitzung der SPD-Spitzengremien in Berlin. Diesen Konflikt habe Arbeits- und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement nicht akzeptieren können. Die Nachfolgeregelung für Gerster werde "im gesetzlich vorgesehenen Rahmen" stattfinden.

gersterkampagne.html

2004-01-25

Bertolucci: Politik braucht Ideologie und Utopie

--- Alt-68er Bernardo Bertolucci, der gerade mit seinen Träumern viel Platz in den Medien erhält, berichtete der Zeit über seine politischen Ansichten und Forderungen, die in der heutigen Zeit schon wieder erstaunlich erfrischend wirken: Ich höre kaum noch junge Leute von der Zukunft sprechen. Oder von Utopien. Das Wort Ideologie ist ein Schimpfwort geworden. ... Für mich ist Politik ohne Ideologie uninteressant. Denn das wäre eine Politik ohne Idealismus, überhaupt ohne Ideen. So würde Politik zu einer Technik für Medienprofis. Wenn man etwas gegen jemanden wie Berlusconi unternehmen will, kann man nicht nur von technischen oder pragmatischen Dingen sprechen. Man muss eine ideologische Position haben. ... Wir haben das Recht auf Illusionen, das Recht zu träumen. Vielleicht ist die Zeit reif für ein neues 1968. (Foto: www.michaelwilliams.co.uk)

bertolucci.html

Blairs Schicksalswoche

--- Für den britischen Premier Tony Blair bricht die Woche der Entscheidung an: Am Mittwoch wird Lord Hutton, einer der bedeutendsten Juristen Englands, der Öffentlichkeit die lang erwarteten Ergebnisse seiner Untersuchungen präsentieren. Letztendlich geht es dabei nicht nur um die Frage nach den Verantwortlichen für jene Entwicklung, die den unglückseligen Waffeninspekteur David Kelly in den Selbstmord trieben. Es geht auch um die Frage, ob die britische Teilnahme am Krieg gegen Saddam Hussein gerechtfertigt war. ... Was den Hutton-Bericht betrifft, so muss sich der ehrwürdige Lordrichter bewusst sein, dass er eine tief greifende Regierungskrise in Großbritannien auslösen kann und daher vorsichtig vorgehen muss. Die BBC, deren Reporter Andrew Gilligan die Krise mit seiner Behauptung ausgelöst hatte, Blairs damaliger Kommunikationschef Alastair Campbel habe das Geheimdienst-Dossier zum Irak "sexier" machen lassen, zeigt sich schwer angeschlagen und versuchte, sich durch einen selbstkritischen Dokumentarfilm moralisch zu rehabilitieren. Daneben muss Blair auch seine Erhöhung der Studiengebühren rechtfertigen.

blair-hutton.html

Cheney wie ausgewechselt

--- Die Süddeutsche Zeitung geht den Verwandlungen von US-Vize Dick Cheney nach, der bislang als schweigsamer Strippenzieher in dem von seiner Marionette Bush nach außen hin geführten Weißen Haus auftrat und nun plötzlich in Davos und in schrägen Interviews die Öffentlichkeit sucht. Dafür gibt es gute Gründe: Ein sanfteres Image muss her, ehe Cheney zur Belastung für Bush im Wahlkampf wird. Es gibt aber auch eine andere Lesart: Cheney betreibt seinen eigenen Wahlkampf und beugt vor, weil ihn der Präsident vor die Tür setzen könnte. Bush würde nämlich mit einem neuen Vize für eine Überraschung sorgen, zumal ihn Cheneys Vergangenheit als Chef der Energiefirma Halliburton belastet. Regelmäßig gerät der Vizepräsident ins Zwielicht, weil Halliburton von der Auftragsvergabe im Irak besonders profitiert. Einen ausführlichen Bericht zu Cheneys Auftritt in Davos bringt die New York Times. Ein Zitat: If we were a true empire, we would currently preside over a much greater piece of the earth's surface than we do. That's not the way we operate.

cheney-neu104.html

2004-01-24

Irakischer Presse-Spiegel

--- Das Institute for War & Peace Reporting hat einen Presse-Spiegel für die irakische Presse eingerichtet: It will feature the top 7 stories of the day, along with a political cartoon, and include details of the newspapers they appeared in.

iraqi-press.html

USA: die superböse Weltmacht

--- Die New York Times bespricht sechs Bücher auf einen Streich, die sich mit dem Image der USA als "superböse Weltmacht" ("superbad power") unter Bush nach dem Irak-Krieg befassen. Zu den Publikationen gehören Bände wie America Unbound von den Brookings-Analysten Ivo Daalder und James Lindsay genauso wie George Soros' Abrechnung mit der Bubble of America's Supremacy oder Tariq Alis Kritik an der Rekolonialisierung des Irak. Aus dem Kommentar der Times: For the time being, the new American order has generated a tsunami of anti-Americanism, with the United States perceived in some quarters as a greater threat to world peace than Al Qaeda. Deep fissures have developed between the United States and its allies; American policies have threatened to undermine Europe's drive toward unity; Muslims around the globe have turned against the United States; many leaders in Asia now look to China for their economic and political security; and Americans themselves have become polarized in their attitude toward the rest of the world. The ''war on terrorism'' has gotten mired in an anarchic Iraq; Guantanamo has come to represent a willful violation of civil rights; and tyrants have seized on the concept of pre-emptive war to justify their own suppression of opponents, now labeled terrorists. Die Bilanz der Bush-Politik ist bislang mehr als deprimierend.

superbad.html

US-Waffensucher: Nix gefunden im Irak, gar nix

--- David Kay, der Leiter des offiziellen US-Fahndungstrupps nach den legendären Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, bestätigte beim Abschied aus dem Irak noch einmal das längst Offensichtliche: Der Bagdader Diktator hatte schon lange keine Atom- oder biochemische Waffen mehr. In an interview with Reuters, Dr. Kay said he now thought that Iraq had illicit weapons at the end of the 1991 Persian Gulf war, but that the subsequent combination of United Nations inspections and Iraq's own decisions "got rid of them." Einer der wichtigsten Kriegsgründe Bushs kann damit endgültig zu den Akten gelegt werden. Dessen Sprecher Scott McClellan zeigt sich aber völlig unbeeindruckt und phantasiert munter weiter: "Yes, we believe he had them, and yes we believe they will be found," Mr. McClellan said. "We believe the truth will come out." Ein echter Gläubiger eben.

Update: Die Times legt zum Wochenanfang noch einmal ausführlich nach und berichtet über ein Gespräch mit Kay, in dem dieser vor allem der CIA ein Verschulden an der Nichtaufklärung der längst gestoppten Waffenprogramme Saddam Husseins gibt.

kay.html

2004-01-23

Gerster bald arbeitslos?

--- Beeindruckend, wie sich einmal mehr die Medien zum bevorstehenden Rücktritt regelrecht überschlagen. Eine Übersicht bietet der Spiegel und zeigt dabei, wie sich die potentiellen Gerster-Gegner in Stellung bringen und ihn inzwischen für "untragbar" halten. Warum aber? Nicht, weil womöglich wieder einmal Berater nicht regelkonform eingekauft wurden (den entsprechenden Beleg dafür gibt es noch nicht, was auch keine Rolle spielen dürfte, wurde Gerster wegen eines ähnlichen Vergehens doch vor wenigen Wochen schon einmal freigesprochen), sondern weil alle darüber reden. Von "Imageschaden" ist die Rede und so weiter. Indiskretionen beherrschen dabei das Meinungsklima. Differenzierter betrachtet die "Jadgszenen aus Mittelfranken" die FAZ. Jetzt kommt es wohl auf die Standfestigkeit von Wirtschaftsminister Wolfgang Clement an. Weicht er von Gerster ab, dann ist der Chef der Arbeitsverwaltung noch diese Woche selbst arbeitslos. Und die Mobber können sich auf die Schulter klopfen.
Nachtrag: Inzwischen gibt das Bundespresseamt bekannt: Mutmaßliche Außerungen über eine Ablösung Florian Gersters stammen nicht aus der Umgebung des Bundeskanzlers. Regierungssprecher Béla Anda wies am Freitag in Pretoria am Rande der Afrika-Reise des Bundeskanzlers Mutmaßungen zurück, wonach Äußerungen über eine mögliche Ablösung von BA-Chef Florian Gerster aus der Umgebung des Kanzlers stammten.

gerster.html

2004-01-22

Kritik am Irak-Krieg in Davos

--- Nicht einmal beim Jahrestreffen der Bosse und Bonzen auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos gibt es Frieden für Bush, berichtet Romanus Otte für die FTD aus der Schweiz: Am schärfsten formulierte das Unbehagen Kenneth Roth: "Bush ist mit dem Irak-Krieg zum Chefrekrutierer von al-Kaida geworden", sagte der Direktor der US-Organisation Human Rights Watch. Sein Urteil blieb keine Einzelmeinung. Auch Jessica Stern, Politologin und Terrorismusforscherin von der Harvard-Universität, urteilte, der Irak-Krieg habe es dem Terrornetzwerk al-Kaida leichter gemacht, neue Anhänger zu gewinnen. In mehr Ländern sei für mehr Menschen eher Osama Bin Laden die Leitfigur als George Bush. Die Anziehungskraft al-Kaidas sei noch gewachsen. "Wir sind nicht sicherer", sagte die Forscherin. Als Dritter im Bunde stimmte der Präsident in der International Crisis Group (ICG), Gareth Evans, zu. Nach dem Irak-Krieg gebe es mehr Terroristen als vorher. Evans kritisierte aber vor allem, dass es in den Ländern, die Terroristen als Rückzugsgebiet dienen, kaum politische Fortschritte gebe, etwa in Pakistan.

davos.html

NATO als Sündenbock in den Irak?

--- Die USA dringen vehement auf eine stärkere Rolle der NATO im Irak, schreibt die FTD: "Die Amerikaner sind zu der Auffassung gelangt, dass eine Stabilisierung Iraks auch durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Anrainerstaaten erreicht werden kann", sagten Diplomaten am Mittwoch am Hauptquartier in Brüssel. Die Vereinigten Staaten und die Türkei wollen deshalb zum nächsten Nato-Gipfel auch die Vertreter von mindestens sechs Mittelmeerstaaten, darunter Israel und Ägypten, einladen. Auch Golfstaaten sind für dieses "Greater Middle East"-Konzept im Gespräch. Der Nato-Gipfel findet im Juni in Istanbul statt. Das Manöver ist natürlich durchsichtig: Die Schuld für eine weitere Verschärfung im Irak-Konflikt kann der Wahlkämpfer Bush dann getrost der Allianz in die Schuhe schieben. Und läuft es gut, kann er sich die "Offenheit" gegenüber der NATO trotzdem als Verdienst anrechnen lassen.

nato-irak.html

Die Blogger als Google-Bomber

--- Wie kam es dazu, dass die Suchanfrage "miserable failure" bei Google seit Monaten auf den Lebenslauf George W. Bushs auf dem Server des Weißen Hauses verweist? Die New York Times geht der Sache heute nach und macht linke Blogger als Verursacher des Spaßes aus: The perpetrators succeed by recruiting a small group of accomplices to link from their Web sites to a target site using specific anchor text (the clickable words in a link). The more high-traffic sites that link a Web page to a particular phrase, the more Google tends to associate that page with the phrase - even if, as in the case of the president's official biography, the term does not occur on the destination site. "I'm actually surprised how easy it was to do," said the mastermind of the Bush effort, George Johnston, 46, a computer programmer in Bellevue, Wash., who writes a liberal-leaning Web log called Old Fashioned Patriot (oldfashionedpatriot.blogspot.com). "It took about six weeks to get Bush's biography as the No. 1 result. I had no idea when I started that I'd get people all over the world involved." ... Mr. Johnston says he is not sure how many links it took to capture the No. 1 spot, but a handful of blogs played a major role, including TalkLeft (www.talkleft.com) and Media Whores Online (www.mediawhoresonline.com). "The reason it worked is that there were enough like-minded people who thought it was funny and spread it around," Mr. Johnston said. "It has to be something that makes people laugh or captures their imagination." Konservative Blogger haben inzwischen aber zurückgeschlagen: ihrem gezielten Google-Bombing verdankt es Michael Moore, dass seine Site inzwischen bei der Suchanfrage auch ganz weit oben dabei ist.

googlebombing.html

Dean wird softer

--- Nach der Schlappe in Iowa ändert Howard Dean den Ton seines Wahlkampfs, berichtet die New York Times: "I told him to be a minipresident; not to be so hot, to tone it down," said one of his most prominent supporters, who did not want to be identified as sharing his private advice to Dr. Dean. "I said, `In the future, if you want to stir up the crowd, have somebody else do it for you.'" Representative Robert Menendez of New Jersey said he had told Dean aides that Dr. Dean "needs to do more of the uplifting, motivational, substantial vision of where he would take America."

deansoft.html

2004-01-21

Amerikanische Irak-Bilanz: mangelhaft

--- Während Bush und sein Vize Cheney sich, den Wählern und der Welt die Zustände im Irak schönreden, reden andere Beobachter tacheless: In der Washington Post etwa beschreibt David Ignatius die Lage im Zweistromland folgendermaßen: How are things going in Iraq, six months before the planned handover of power to the Iraqi people? The honest answer is "not very well." Despite many improvements in Iraqi life, the American-led occupiers haven't yet found a way to put Iraq back together -- politically, economically or socially. ... The most worrisome sign of the deteriorating situation is that many Iraqis are quietly preparing for civil strife. Ein Land am Rande eines erbitterten Bürgerkriegs? Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt auch Francis Fukuyama im Magazin Atlantic Monthly. Er wirft den Amerikanern Versagen beim "Nation-Buildung" vor und hat einige Vorschläge, was zu tun sei, wenn es wirklich um die Demokratisierung des Iraks und anderer Staaten gehe. Zu ihnen gehört, dass die USA ein eigenes Büro für diese Zwecke aufbauen und Verbindungen zu ähnlichen Instituten weltweit pflegen sollte.

irak-bilanz.html

Führer Bushs große Fernsehbühne

--- George W. Bush und sein Inszenierungsteam aus dem Weißen Haus waren gestern Nacht bei der traditionellen Jahresansprache an die Nation (State of the Union Address) mal wieder recht erfolgreich: Der Oberkommandierende im andauernden Krieg gegen den Terror stellte sich dezidiert genau auch als solcher dar. Denn längst steht ihm diese letztlich militärische Führungsrolle viel besser als die "normale" Präsidentenrolle. Dem Anlass angemessen, verzichtete Bush gar auf seine veilchenblauen Lieblingskrawatten und trug eine knallrote -- was mit dem weißen Hemd und dem dunkelblauen Anzug natürlich die Nationalfarben ergab. Eine gute Übersicht über das Gesagte -- und viel wichtiger: das nicht Gesagte -- findet sich in der New York Times: Mr. Bush cast himself as the steady commander in chief of what he portrayed as a nation at war, seeming to suggest that changing the leader midbattle was risky. "Twenty-eight months have passed since Sept. 11, 2001, over two years without an attack on American soil, and it is tempting to believe that the danger is behind us," he said in the somber tones he reserves for his most important speeches. "That hope is understandable, comforting and false." Der Irak-Krieg war nötig, betonte Bush, denn sonst "würde das Programm für Massenvernichtungswaffen des Diktators noch heute laufen." Dabei vergaß er ganz zu erwähnen, dass diese Programme zunächst von der US-Regierung gefördert, nach dem früheren Golfkrieg bereits größtenteils eingestellt wurden und seine Soldaten und Geheimdienste nie neue Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak finden konnten. Und natürlich kostete es Bush voll aus, dass der Ex-Diktator in Bagdad nun "in einer Gefängniszelle sitzt". Nicht fehlen durfte der Hinweis, dass sich die Wirtschaft erholt. Abgerundet wurde der konservative und meisterhaft gesponnene Vortrag mit einigen kruden innen- und gesellschaftspolitischen Versprechungen für die republikanische Wählerschaft: so kündigte er eine Verfassungsergänzung an, mit der die Schwulenehe gebannt werden soll, und schlug vor, sexuelle Abstinenz unter Teenagern zu fördern. Seine Töchterlein dürften sich da gefreut haben, dass sie endlich erwachsen sind. Mehr zur "knallharten Wahlkampfrede" unter anderem bei Spiegel Online und Telepolis.

bushaddress.html

Cheney: Manchmal kann Lügen nötig sein

--- US-Vizepräsident Dick Cheney gibt sich in einem Interview mit Global Viewpoint, das die Berliner Morgenpost/Welt heute druckt, absolut siegesgewiss. Der sich hinziehende, blutige Krieg im Irak? Eine wunderbare amerikanische Leistung: Die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung. Durch unseren Erfolg im Irak haben wir den Demokraten auch außen- und sicherheitspolitisch den Wind aus den Segeln genommen, denken Sie nur an die Festnahme Saddam Husseins. Die anderen "Schurkenstaaten"? Geben kleinbei. Das alles macht Cheney, dem enge Kontakte zum neokonservativen Umfeld nachgesagt werden und der als der eigentliche Chef im Weißen Haus gilt, derart sicher, dass er sogar einfach zugibt, dass das Spin Doctoring und Lügen, das Aufbauen einer real gar nicht existierenden Bedrohung und das Verdrehen von Fakten, zum politischen Geschäft gehört, um die Nation in einen Krieg zu treiben: Frage im Interview: Man wirft Ihnen vor, eine bisher nicht belegte Verbindung zwischen Osama Bin Laden und Saddam Hussein hergestellt zu haben. Cheneys Antwort: Manchmal kann das nötig sein. Danke für diese klaren Worte, die natürlich noch ein wenig relativiert werden: Ausgangspunkt ist doch eine klar vorhandene Bedrohung - denken wir nur an die Anschläge vom 11. September. Man arbeitet das nachrichtendienstliche Material durch und versucht vorherzusehen, worauf der Feind abzielt, was er plant und was in seiner Macht liegt. Wenn man es mit Geheimdiensten zu tun hat, verfügt man selten über hundertprozentige Informationen, schon gar nicht auf dem Gebiet internationaler Terroraktivitäten. Es ist also bis zu einem gewissen Grad eine Frage der Einschätzung. Nur eines ist unverantwortlich: selbstgefällig zu sein und nicht auch mit dem Schlimmsten zu rechnen.

cheney.html

2004-01-20

Traum von der Weltregierung

--- Der amerikanische Politikwissenschaftler Benjamin Barber packt -- leicht verklausuliert -- alte Träume von der Weltregierung im globalen Zeitalter wieder aus. Die Süddeutsche Zeitung schreibt in einer Rezension zu dem Band Imperium der Angst. Die USA und die Neuordnung der Welt.: Gegen die angsterfüllte Welt stellt Barber „präventive Demokratie“. Durch zivile Kooperation und geduldige Hilfe, durch internationale Bürgerinitiativen und Kontakte über die Grenzen hinweg sollen „globale Formen demokratischen Regierens“ entwickelt werden. Grundsätzlich geht es hier darum, den Gesellschaftsvertrag auf die globale Ebene zu hieven. Barber denkt dabei nicht gleich an eine „Weltregierung“. Es gehe zunächst darum, die Grundlagen für eine „systematische, weltweite, bürgerliche Zusammenarbeit“ zu legen. Ein Beispiel dieser Entwicklung sei die Herausbildung einer öffentlichen Weltmeinung, die sich beispielsweise bei der Verhaftung und dem zeitweiligen Arrest von Chiles Ex-Diktator Augusto Pinochet in London bemerkbar gemacht habe.

barber.html

Irgendwo in Iowa ...

--- ... muss wohl was schief gelaufen sein mit der Erfolgsstory von Howard Dean. Dritter Platz bei den ersten, psycholgisch wichtigen Vorwahlen für den Doktor hinter dem Vietnam-Kämpen John Kerry und dem gern mit Kennedy verglichenen Sonnyboy John Edwards. Eine ziemlische Schlappe, kommentiert die New York Times: The result was a serious setback for Dr. Dean, who had campaigned intensely across this state for more than a year. It was a clear disappointment to a candidate whose aides were talking openly about rolling up back-to-back victories in New Hampshire and Iowa, and wrapping up the nomination before Valentine's Day. Mit einem überzeugenden Internet-Auftritt allein ist die Masse der Wähler eben doch nicht zu gewinnen, lässt sich als Lehre aus Deans Einstiegsdebakel ziehen. Über 600.000 auf der Website eingetragene Supporter sind letztlich doch nur ein Klacks bei 54 Millionen Wahlberechtigten in den USA. Edwards wandelt derweil thematisch sichtbar auf Deans Spuren, wenn er etwa in der Washington Post scharfe Kritik am US-Alleingang im Irak übt und Bushs Lügen noch einmal vorbetet.

iowa.html

Zweiter Weltkrieg im Internet

--- Aufklärung spielt für den Luftkrieg eine herausragende Rolle. Wie sich die Sicht von oben auf die zu bombardierenden Städte und die späteren Treffer im Zweiten Weltkrieg darstellte, dokumentiert die britische Royal Air Foce jetzt anhand von fünf Millionen Fotos jetzt im Internet in den Aerial Reconnaissance Archives. Die Berliner Morgenpost schreibt dazu: Es handelt sich um Gebrauchsbilder der alliierten Luftwaffen, die zu taktischen Zwecken aufgenommen und ausgewertet wurden. Wichtig ist diese Sammlung, weil sie einen einzigartigen Einblick in die Perspektive gibt, aus der die Entscheidungsträger auf anglo-amerikanischer Seite den Zweiten Weltkrieg wahrnahmen. Einen dickeren Server müssten die Briten ihrem Projekt aber noch spendieren, denn momentan ist die Site kaum aufzurufen.

kriegsfotos.html

Meinungsfreiheit durchgeknallt

--- Fällt es unter die Meinungsfreiheit, einen für seinen nicht immer ganz einfachen Führungsstil bekannten Staatsanwalt als "durchgeknallt" zu bezeichnen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Medien hierzulande verstärkt seit gestern, da erstmals über diese Aussage des Ex-Kulturstaatsministers und Mitherausgebers der Zeit, Michael Naumann, vor dem Berliner Amtsgericht verhandelt wurde. Zu der "Behauptung" Naumanns, die in einer hitzigen Talkrunde fiel, Berlins umstrittenen Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge traf und dem Medienmann einen Strafbefehl von 9000 Euro einbrachte, schreibt etwa Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung: „Sachliche Anknüpfungspunkte“ für scharfe Kritik an dem Generalstaatsanwalt gibt es freilich in Hülle und Fülle. Kein Staatsanwalt in Deutschland ist in der Öffentlichkeit so mit Stammtisch-Sprüchen aufgefallen wie er. Der Mann gehört zwar der SPD an, redet aber wie Ronald Schill: Es werde „zu wenig verhaftet“ , dafür aber zu viel „geschwätzt“ in der Justiz. Gegen den angeblichen „Sachverständigenzirkus“ bei den Gerichtsverhandlungen hat der „Panzerkreuzerkapitän“ (mit einem solchen hat er sich bei Amtsantritt verglichen) polemisiert, weil „von den primitivsten Buschnegern bis zu den Tieren“ das Faktum gelte: „Objektive Regelverstöße müssen zu Sanktionen führen“. ... Wer es knallen lässt, wird es sich gefallen lassen müssen, dass man ihn als durchgeknallt bezeichnet – ob es sich nun um einen Politiker, General oder Generalstaatsanwalt handelt. Die Berliner Morgenpost weiß auch noch einiges beizutragen im Streit um die Metapher: Schon im Vorfeld der Verhandlung hatte Naumann daran erinnert, dass der umstrittene Behördenleiter von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) noch 2002 aus seinem Amt entfernt werden sollte. Tatsächlich hatte das Abgeordnetenhaus am 29. August 2002 auf Initiative der Senatorin die Abberufung Karges beschlossen - der sich freilich vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich dagegen wehrte. Naumann wies gestern darauf hin, dass sich der Generalstaatsanwalt selbst als "Kommandeur eines Panzerkreuzers" verstehe, im Zusammenhang mit dem Wort "durchgeknallt" aber plötzlich "die dünne Außenhaut eines Faltbootes" aufweise. Ob Naumann damit richtig liegt, könnte sich am 28. Januar erweisen - sofern die Richterin der Verteidigung folgt und Karge in den Zeugenstand zitiert.

durchgeknallt.html

2004-01-19

Neue Aufregung um die be- und verratene Republik

--- Nach WMP Eurocom kommt nun Roland Berger mit seiner gleichnamigen Wirtschafts- -- und verstärkt -- Politikberatungagentur in die Schusslinie der öffentlichen Kritik. Ein Profil des Münchner Strippenziehers bringt etwas die FTD. Auslöser sind mal wieder seltsame Verträge der Bundesanstalt für Arbeit und der Fall Gerster. Anklang findet dabei auch der CDU-Politiker Bernhard Kaster, dessen Papier (PDF) über die Netzwerke der Beratungsagenturen der SDP der Spindoktor bereits im Dezember veröffentlichte. Kaster ruft nun zur Entlassung Gersters auf auf. Die Ausgaben für Berater und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung liegen seiner Erkenntnis nach insgesamt bei über 100 Mio. Euro. Der Speyerer Rechtsprofessor Hans Herbert von Arnim äußerte zudem Zweifel, ob Bundesbehörden unbedingt externe Berater alias Spin Doctors brauchen.

verraten.html

Globalisierungskritikerin vs. Kriegsgewinnler

--- Arundhati Roy hat beim gegenwärtigen Weltsozialforum der Globalisierungskritiker in Bombay ein Heimspiel. Die immer wieder als Frontfrau der Bewegung aufs Schild gehobene Schriftstellerin sorgte denn auch für heftigen Zündstoff: "Wenn wir wirklich gegen Neoliberalismus und Imperialismus sind, müssen wir den Widerstand im Irak nicht nur unterstützen, sondern selbst zum Widerstand im Irak werden", befand sie am Wochenende. Konkret rief die Indierin dazu auf, bis zum Abschluss des Forums am Mittwoch "zwei US-Konzerne" zu benennen, die "von der Zerstörung des Irak profitieren". Deren Einrichtungen sollten in der kommenden Zeit "dichtgemacht" werden. "Das Weltsozialforum muss erwägen, dass es sich im Krieg befindet", sagte Roy. Ausführlich widmet sich neben dem österreichischen Standard naturgemäß die taz dem Kampf der Abziehfigur der linken Bewegung. Wie es aussieht, bedürfen die irakischen Guerilla-Kämpfer vorerst aber nicht der Unterstützung durch die Globalisierungskritiker. Sprengstoff haben sie selbst anscheinend genug.

roy.html

Fairness für die Gesundheit

--- In der Berichterstattung um die seit 2004 geltende Gesundheitsreform schlagen die Wellen immer höher. Nachdem die Bild-Zeitung von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt attackiert wurde, ärgert sich jetzt die Krankenkasse DAK über die Bild am Sonntag. Die BamS hatte eine Geschichte veröffentlicht, nachder der Tod eines DAK-Verischerten mit der chaotischen Gesundheitsreform zusammenhänge. "Die "Bild am Sonntag" konstruiert in ihrer Ausgabe vom 18. Januar 2004 einen abenteuerlichen Zusammenhang zwischen dem Tod eines Dialysepatienten und der Gesundheitsreform. Dabei stützt das Blatt seine Berichterstattung auf Zitate, die weder autorisiert waren, noch im dargestellten Sinne gefallen sind. DAK lässt sich nicht von "Bild am Sonntag" vor den Karren spannen Tod eines DAK-Versicherten ist nicht Folge der Gesundheitsreform". DAK Der Beitragshype scheint die solide Recherche in den Hintegrund zu drängen.

gesundheit_2.htm

2004-01-16

Under Fire: Zur Repräsentation bewaffneter Konflikte

--- Under Fire ist ein einjähriges Projekt, das sich der Analyse der Organisation und Repräsentation gegenwärtiger bewaffneter Konflikte verschrieben hat Auf der Mailingliste nettime schreibt Initiator Jordan Crandall bereits über die Dehnung der Wahrheit im Krieg in Zeiten von Photoshop und Co: A new quality of accuracy arises out of a resurgent form of witnessing, preoccupied with the vicissitudes of the fallible human and the logistics of the handheld. With its sense of unfiltered credibility, streamed video serves as a form of semiotic compensation for a landscape that has been colonized by standardized media formats. One might call it transmission verite, where the hidden substrata of the technology are reintroduced as part of the content of the image, and a raw immediacy appears to open up a direct access to the real. The reality of representation is substituted for the representation of reality. That is, "authenticity" arises less from the authentic representation of reality per se, and more from the authenticity of the means by which reality is portrayed. Whether "unmanned" or "embedded," we could say that we are witnessing the relocation of vision to a space outside of the body -- whether into a network or a networked "smart image," or into a simulation of newly embodied presence through the scrim of the media construct.

fire.html

Siemens darf im Irak mitmischen

--- Schon ein erstes amerikanisches Bonbon für Schröders plötzliches Umdenken in der Irak-Frage? Nicht ganz, denn die Verträge wurden schon vor Weihnachten unterschrieben, wie erst jetzt bekannt wurde. Jedenfalls hat der in München beheimatete Konzern Siemens einen ersten für den Wiederaufbau und Infrastrukturausbau an Land ziehen können: Er soll ein GSM-Mobilfunknetz im kurdischen Norden aufbauen. Außerdem ist das Unternehmen für zwei Kraftwerksbauten als Zulieferer für den US-Konzern Bechtel im Gespräch.

siemens.html

2004-01-15

Schröders Farce: Kanzler liebäugelt mit Irak-Einsatz

--- Schröder wird seinen Vorjahresvorsätzen nun anscheinend endgültig untreu, berichtet die FTD: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat erstmals in Aussicht gestellt, dass die Bundeswehr im Rahmen humanitärer Hilfe in Irak eingesetzt werden könnte. Zudem will sich der Kanzler einem Nato-Einsatz in dem Land nicht widersetzen. Damit bereitet Schröder die Öffentlichkeit darauf vor, dass Deutschland spätestens im Sommer eine Rolle bei Iraks Stabilisierung und Wiederaufbau übernehmen wird. Zudem kommt er US-Präsident George W. Bush weiter entgegen. Kritik von ernsthafteren Kriegsgegner scheint vorprogrammiert. So erklärte die PDS-Bundestagsabgeordente Petra Pau bereits Anfang Januar, als bekannt wurde, dass 1.400 niederländische Soldaten in Deutschland ihren Irak-Einsatz proben: Das „Nein“ der Bundesregierung zum Irak-Krieg der USA war schon immer halbherzig. Erinnert sei nur an deutsche Überflugrechte für US-Kampfeinheiten. Nun wird es zur Farce. Der Angriff der Allianz der Kriegswilligen gegen den Irak war völkerrechtswidrig und unbegründet. Wer den Krieg fortsetzt oder unterstützt - egal ob am Euphrat oder in Niedersachsen - wird mitschuldig. Der Verdacht liegt nahe, dass Deutschland sich in die Allianz der Kriegsgewinnler einkaufen will - ein Geschäft mit dem Tode.

schroeder-irak.html

Risiken von Bushs Weltraum-Mission

--- Gestern war es also soweit: Bush hat vor der NASA in Washington seine bereits vorab mit großem Tamtam bekannt gemachten Pläne zur Eroberung des Weltalls ausführlicher erläutert. Mit teils sehr schickalsschweren und leeren Wahlkampf-Worten: We do not know where this journey will end, yet we know this: human beings are headed into the cosmos. Bushs Konzept: First we take the moon, than we take the Mars. Die New York Times warnt in einem ausführlichen Artikel jedoch vor den zahlreichen Risiken der Mission: The history of bold visions for human spaceflight is littered with more failures, delays and cost overruns than clear successes. ... "People are happy and worried at the same time," said Lawrence H. Kuznetz, a scientist at Baylor College of Medicine who conducts research for NASA. The effort to return to the Moon, instead of going straight to Mars, he added, could become "a bottomless pit of misdirected targets" and "suck up NASA's budget faster than a black hole sucks up light." ... John E. Pike, the director of GlobalSecurity.org, a Washington research group on military and space topics, said the Bush plan was unlikely to go anywhere because, unlike President Kennedy's call to excellence during the cold war, it addressed no underlying national political issue. It was, he said, just election-year grandstanding, and dangerous at that. "The trivial budget increases they're proposing are only going to produce artwork," he said. "Basically, they looked at piloted space and said, `Let's shut it down and let's have a hedge against the possibility that the Chinese will go to the Moon. That's it.

weltraum.html

2004-01-14

Dean: Raised and killed by the Internet?

--- Die USA Today, eine Art "bessere" Bild-Zeitung, hat einen Brief des voraussichtlichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Howard Dean von 1995 ausgegraben, in dem der damalige Gouverneur von Vermont den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton auffordert, in Bosnien (wohlgemerkt nicht im Kosovo!) mit Waffengewalt einzuschreiten und dem Treiben Milosevics ein Ende zu setzen -- auch wenn dafür ein unilateraler Alleingang nötig sei. Die politisch interessierte amerikanische Bloggerwelt ist natürlich "all over it" und bringt die Äußerungen mit Deans Antikriegskurs im Irak zusammen. Alte Äußerungen kommen zurück und jagen Howard Dean, schreibt etwa der InstaPundit. Einen Schritt weiter geht der Romanautor Roger L. Simon. Dean sei der "falsche Mann fürs Internet", behauptet er. What, you say, Howard Dean is bad on the Internet? He was and is the master of online fundraising and the first to recognize the power of blogs. Yes, indeed! But that’s only part of the story. And it’s not the more important part. ... Because this is Mr. Tell-It-Like It-Is and he isn’t. And he can’t. There’s too much information already on record. The Internet will be his great undoing. Neuer demokratischer Lieblingkandidat so manchen Bloggers: John Edwards, der seine Website aber ruhig mal etwas frischer und flotter gestalten und sie vor allem mal von dem grausligen "Nachrichten-Tickerband" oben befreien könnte.

dean.questioned.html

Weitere Präsidentschaftskandidaten-Enthüllungen

Peinliche Entüllungen ferner auch rund um den Ex-Kosovo-Kriegs-General Wesley Clark: Während er als Kommentator für CNN zum Irak-Krieg arbeitete, stand er gleichzeitig auch auf der Gehaltsliste der Firma Acxiom (Werbespruch: "Great Relationships"!) aus seinem Heimatstaat Arkansas. Sie ist eine der größten Data-Mining-Firmen der Welt und sammelt beispielsweise eifrig die gesamten Daten, die die USA von den Flugreisenden abverlangen. Ein solcher Industrie-Lobbyist als Präsidentschaftskandidat, argh. Als dezidierter Lobbyist für den Datenschutz tritt dagegen Joe Lieberman seit neuestem in seinem Wahlkampf auf, ein weiterer Veteran aus der demokratischen Präsidentschaftsanwärterliga.

anwaerter.html

Fall Gerster Revisited

--- Die Morgenpost/Welt greift den Fall Gerster noch einmal auf und berichtet über weitere Ungereimtheiten und Spinnereien: Neue Dokumente belegen, dass in Gersters Behörde in Sachen WMP mit falschen Zahlen operiert wurde. So stand WMP weitaus mehr Honorar zu, als bisher bekannt. Bisher war öffentlich geworden - so hatte es zum Beispiel WMP-Berater Horst Schiphorst dargestellt, so schreiben es alle Medien seit Wochen -, dass WMP vom 1. April 2003 bis 31. Dezember 2004 monatlich 60 000 Euro Honorar erhalten sollte - mit den insgesamt 1,26 Millionen Euro waren alle Nebenkosten und Spesen abgegolten, die Mehrwertsteuer war auch enthalten. Der Vertrag zwischen BA und WMP bestimmt jedoch ein Honorar "von 60 000,00 Euro, zzgl. Mehrwertsteuer". Das bedeutet, dass an WMP nicht die bisher genannten 1,26 Millionen hätten gezahlt werden müssen, sondern gut 1, 46 Millionen, also 201 600 Euro mehr. Eine interessante Lösung für das Problem Gerster und die Arbeitslosigkeit gleich mit schlägt dagegen das Satiremagazin Titanic vor.

gerster104.html

Widersprüchliches zur Bagdad-Qaeda-Connection

--- Bei Saddam Hussein wurden nach Angaben der New York Times Dokumente gefunden, denen zufolge sich der Ex-Diktator kurz vor seinem offiziellen Abtritt strikt gegen eine Kooperation irakischer Widerstandskämpfer mit Usama bin Ladin und seiner al-Qaeda ausgesprochen habe. Spiegel Online leitet daraus gleich ab: Der Diktator hatte ... keinerlei Verbindung zu Terrorchef bin Laden. Ein weiterer Kriegsgrund Bushs sei entkräftet. Bleibt nur noch die Frage, was mit den immer mal wieder auftauchenden Hinweisen darauf ist, dass der Terrorflieger Mohammed Atta vor dem 11. September in Bagdad zu Besuch gewesen und von dort unterstützt worden sei.

bagdad-qaeda.html

"Aufbau Irak" kommt nur schleppend voran

--- An den wichtigen Verbindungsstraßen im Irak häufen sich die liegengebliebenen Lkws der Besatzungsmächte. Denn angesichts des schwelenden Guerilla-Kriegs sind die Chancen, die Versorgungsfahrzeuge wieder flott zu bekommen, gering, schreibt die Financial Times Deutschland: Normalerweise hält eine amerikanische Militäreskorte auf den irakischen Überlandstraßen 15 Minuten, wenn ein Lkw im Konvoi eine Panne hat. Reicht die Zeit für eine Reparatur nicht aus, wird der Laster in die Wüste geschleppt, angezündet und den Schäfern überlassen. ... Den Aussagen von Transportunternehmen zufolge gab es allein in den vergangenen zwei Monaten 500 Angriffe auf zivile und militärische Konvois. ... "Einige amerikanische Unternehmen haben das Land wieder verlassen", sagt Admiral David Nash, der die 18,6 Mrd. $ US-amerikanische Wiederaufbauhilfe verwaltet. Er räumte ein, Sicherheit sei ein Thema und könne die Geschwindigkeit beim Aufbau bestimmen. Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, dass Bush Irak-Aufträge inzwischen doch zumindest an die kriegskritischen Kanadier mitvergeben will?

aufbau.html

Zur Nachrichtenlage der britischen Nation

--- Ein herrliches Beispiel dafür wie wichtig die Nachrichtenlage und Folgekommunikation für Nachrichten sind, um am Ende auch eine Reaktion auszulösen, zeigt ein Beispiel, dass sich heute in der Berliner Zeitung findet. Demnach hatte ein BBC-Moderator in einer britischen Zeitung vor geraumer Zeit recht radikale Ansichten vertreten. "Einmal beschrieb er dort die Iren als Volk von Bauern, Priestern und Kobolden. Ein anderes Mal bezeichnete Kilroy-Silk die Araber als Selbstmordattentäter, Knochen-Abhacker und Unterdrücker von Frauen. Das war vor acht Monaten. Niemand kümmerte sich darum." Jetzt erschien die selbe Kolumme wegen eines technischen Fehlers noch einmal. Mit fatalen Folgen für den Journalisten. "Verschiedene islamische Organisationen beschwerten sich über die rassistische Verurteilung. Die BBC suspendierte ihren Moderator umgehend und nahm die Show aus dem Programm. Die Stimmung war gekippt." Inzwischen haben andere Medien reagiert und die Reaktion der BBC als "erschreckend" bezeichnet.

nachrichtenlage.html

2004-01-13

Stasi- und Gestapo-Methoden in USA sanktioniert

--- Eine der unschönen Blüten des Kriegs gegen den Terror hat der Supreme Court der USA gestern sanktioniert: Die rein auf Verdachtsmomenten beruhende Gefangennahme mehrerer hundert Menschen meist arabischer Herkunft nach dem 11. September verstößt nach Ansicht des obersten amerikanischen Gerichts nicht gegen die US-Verfassung. Kritik kommt von Bürgerrechtsorganisationen: Kate Martin, director of the Center for National Security Studies, said in an interview Monday that the issues in the case remained important despite the release of most of those who had been arrested. Ms. Martin said the appeals court had given its blessing to "a secrecy regime in which arrests are off the public docket, people are held in secret, deported in secret, and two and a half years later, we still don't know the names."

supreme.html

Army-Berater: harsche Kritik am "Krieg gegen den Terror"

--- Jeffrey Record, im Sommer Gastforscher am Strategic Study Institute des renommierten U.S. Army War College in Carlisle, lässt in einer im Dezember verfassten Studie mit der Unterstützung des Institutsleiters kein gutes Haar am Konzept des "Global War on Terrorism" (GWOT). Der von der Bush-Administration vor zweieinhalb Jahren ausgerufene gobale Krieg gegen den Terrorismus sei konzeptionell verfehlt, ziele auf das Böse in der Welt allgemein ab und könne damit sein Endziel niemals erreichen. Record believes that the war on terrorism--as opposed to the campaign against al-Qaeda--lacks strategic clarity, embraces unrealistic objectives, and may not be sustainable over the long haul. He calls for downsizing the scope of the war on terrorism to reflect concrete U.S. security interests and the limits of American military power. Mehr zu der Pflichtlektüre für alle Gegner des Kriegs gegen den Terror gibts in Telepolis.

gwot.html

Machtübergabe im Irak verzögert sich

--- Vor zwei Monaten hatte Bush noch angekündigt, dass sich die Iraker von Mitte 2004 an wieder selbst verwalten dürften. Doch mit den damals schon zweifelhaften Planungen gibt es jetzt ernhafte Probleme: Die USA und Gruppen der Zivilgesellschaft im Zweistromland können sich nicht einmal auf ein künftiges Wahlrecht einigen. Geschweige denn, dass jemand schon wüsste, ob sich mittelfristig Sunniten oder Schiiten in Bagdad und drum herum durchsetzen. Streit gibt es vor über die natürlich auch nach der "Machtübergabe" vorgesehene amerikanische Militärpräsenz im Lande: Those twin setbacks raise questions about who would have to reach an agreement with the United States that would allow more than 100,000 American troops to remain in the country after power is handed over to the Iraqis this summer. The administration has not yet begun negotiating such an agreement with its handpicked Iraqi authorities. Such negotiations — in which the American military is expected to ask for wide latitude in its counterinsurgency efforts — could be much tougher if they have to be carried out with Iraqis who are directly elected.

irak.nyt.html

2004-01-12

Regierung kritisiert "Bild"

--- In der Regierungs-PK vom Freitag kam es zu einer Auseinandersetzung über die Berichterstattung der Medien, speziell der "Bild". Der Sprecher von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Klaus Vater, kritisierte: "Die "Bild"-Zeitung hat heute behauptet, dass die Ministerin kneife. Ich weise diesen Vorwurf zurück; die Ministerin kneift nicht. Die "Bild"-Zeitung wollte am Montag eine Telefonaktion mit der Ministerin durchführen. Die Ministerin hat das abgesagt und lehnt es auch ab, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Hauses daran teilnehmen." Der Grund: "Die Begründung ist sehr einfach: Die "Bild"-Zeitung führt nach unserer Auffassung seit einigen Wochen eine Kampagne gegen die Ministerin. Diese Kampagne gipfelte in der Schlagzeile "Frau Ministerin, Sie machen uns krank". Die Folge davon war, dass die Ministerin in den Tagen danach eine Fülle verletzender und diskriminierender Briefe und auch, wie es uns das BKA sagt, Briefe und E-Mails mit bedrohlichem Hintergrund bekommen hat." Vater gab sich persönlich betroffen, vor allem auch noch, weil die Bild angeblich falsch zitiere. "Die "Bild"-Zeitung schreibt mit der Quellenangabe "Klaus Vater": "Die Ministerin hat gesehen, dass in den letzten Wochen so etwas wie eine Kampagne gegen sie läuft." Die Zeitung fährt fort: "Man sei daher nicht bereit, jedes Mal den Service usw. bereitzustellen". Die mit der "Bild"-Zeitung abgestimmte Erklärung lautete anders, nämlich so: "Wir werden wie bisher unseren Informationspflichten nachkommen, sind aber nicht bereit..."
Nachtrag: Bild und BMGS scheinen ihren Streit inzwischen zu kultivieren. Heute ließ das Ministerium eine "Pressemitteilung". verbreiten. Danach bezeichnet das BMGS eine Aussage eines Gesundheitsexperten als falsch, der bei der Telefonaktion Anrufern Auskunft zur chaotischen Praxisgebühr gab, deren Regelung bereits jetzt schon wieder geändert werden soll.

Internet legt als politische Infoquelle zu

--- Das Pew Research Center, das regelmäßig die Medien- und Onlinegewohnheiten der Amerikaner untersucht und nach dem Irak-Krieg etwa herausgefunden hat, dass sich 4 Prozent der vernetzten US-Bürger im März 2003 dezidiert aus Weblogs über den Kriegsverlauf informierten, hat eine neue Studie herausgegeben. Darin wird deutlich, dass das Netz als Informationsmedium im Präsidentschaftswahlkampf weiter Boden gewinnen konnte: the relative gains for the Internet are especially notable. While 13% of Americans regularly learn something about the election from the Internet, up from 9% at this point in the 2000 campaign, another 20% say they sometimes get campaign news from the Internet (up from 15%). The survey shows that young people, in particular, are turning away from traditional media sources for information about the campaign. Just 23% of Americans age 18-29 say they regularly learn something about the election from the nightly network news, down from 39% in 2000. ... At this stage, the Internet remains a secondary source – even among Internet users. About three-quarters of Americans who use the Internet (76%) say television is their first or second main source for news about the campaign (37% cite newspapers, 20% the Internet). Still, the number of Americans overall who mention the Internet as a main source – as first or second mentions – has nearly doubled since 2000 (from 7% to 13%). Führend sind im Netz aber weiter die "großen Medienangebote": Among Americans who use the Internet, 40% say they regularly or sometimes learn about the campaign from the news pages of web portals like AOL and Yahoo.com, and 38% say the same about web sites of major news organizations like CNN and the New York Times. Just 11% regularly or sometimes learn about the campaign from online news magazines and opinion sites such as Slate.com.

pew.html

2004-01-11

Alte neue News: Irak-Krieg von langer Hand geplant

--- Die Medien sind voll von einer angeblichen Sensation: Bush soll Irak-Krieg nach Amtsantritt geplant haben , titelt ftd.de, fast identisches Agenturmaterial findet sich bei Spiegel Online und Telepolis hat fast den gleichen Aufmacher mitsamt Update. Anlaß für das kleine Medienbeben: Der vor einem Jahr entlassene US-Finanzminister Paul O'Neill vermarktet seine nächste Woche in Buchform erscheinenden Enthüllungen über die frühen Kriegsplanungen und sonstigen Schmuh in der Bush-Administration. Gleichzeitig hat der rührige Ex-Politiker auch dem Wall-Street-Journal-Schreiber Ron Suskind als wichtige Quelle für dessen Buch The Price of Loyality gedient. Was der ehemalige Minister da aber als heiße Ware verkauft, ist eigentlich ein uralter (neokonservativer) Hut. Im Spindoktor-Buch Krieg und Internet ist etwa zu lesen: Weniger zurückhaltend tritt kurz vor dem Anbruch besserer Zeiten für Aufrüstungsadvokaten im September 2000 das Dokument Rebuilding America’s Defenses -- Strategy, Forces and Resources for a New Century auf. Der Jahrhundertplan wird -- wie der Name erahnen lässt -- vom Washingtoner Project for the New American Century herausgegeben, das vom neokonservativen Mitdenker William Kristol 1997 gegründet wurde. Kristol ist heute Chef des Weekly Standard, des zum Murdoch-Imperium gehörenden Lieblingsblatts des US-Präsidenten. Es geht erneut um den Weg zu einer militärisch erzwungenen »Pax Americana«, drastische Steigerungen des Verteidigungsetats und die Revolution in Military Affairs. ... Außerdem ruft das Papier bereits vor dem 11. September nach einem Waffengang mit Saddam Hussein und dringt auf die Schaffung von Militärbasen im Mittleren Osten, Südosteuropa, Lateinamerika und Südostasien. Sofort nach den Terrorattacken, die den Neocons in vielerlei Hinsicht den Weg ebnen, machen sich die geistigen Kinder und Väter des imperialistischen Plans in der neuen Bush-Administration daran, diese Forderungen umzusetzen.

oneill.html

Journalisten und Lobbyisten

--- Angesichts der andauernden Medienflaute wechseln mal wieder einige Redakteure ins Lobbygeschäft, berichtet die Welt am Sonntag: Michael Inacker wechselte von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zurück zu Daimler-Chrysler. "Impulse"-Chefredakteur Thomas Voigt ging zu Otto. Vor einem halben Jahr zog es den Ressortleiter Wirtschaft und Politik des "Handelsblatts", Peter Heinacher, als Leiter "Politische Interessenvertretung und Regulierungsgrundsätze" zur Deutschen Telekom. Nun folgen ihm offenbar zwei Kollegen aus dem Berliner "Handelsblatt"-Büro: Heinz Schmitz soll Lobbying in Bonn betreiben, Daniel Goffert in Berlin. Die Verlagsgruppe Handelsblatt bestätigte den bevorstehenden Weggang der beiden. Spinning ist momentan eben höher im Kurs als Recherchejournalismus.

lobby.html

2004-01-10

Falkenbuch in der Kritik

--- Der Economist lässt kaum ein gutes Haar am neuen Buch der beiden neokonservativen Richard Perle und David Frum (An End to Evil: How to Win the War on Terror): Mr Perle and Mr Frum want America (take that breath) to: reorganise the State Department (and the CIA, and the FBI, and the Pentagon); get tough with Saudi Arabia (perhaps by encouraging secession by the Shias of the oil-rich Eastern Province); help Iranians to overthrow their government; make Syria quit Lebanon (and reform its own economy and politics); impose a blockade of North Korea (and prepare a pre-emptive strike on its nuclear plants); revise the UN charter to make “pre-emption” easier; block France's ambition to make the EU a counter to America; campaign for the emancipation of Muslim women; and much, much else besides. Ambition is no sin in a book. Nor, heaven knows, is brevity. But a book of fewer than 300 pages that proposes to reorder so much of both the American system and the wider world is bound to skimp on detail.

perle.html

Irak als erster "vollständiger" Infowar

--- Der Medienforscher David Miller, Herausgeber des Buchs Tell Me Lies. Propaganda and Media Distortion in the Attack on Iraq, schreibt im Guardian über die Neuausrichtung der Propaganda hin zur vollständigen Informationsdominanz gemäß des Konzepts des Infowar im Irak-Krieg: In the past, propaganda involved managing the media. Information dominance, by contrast, sees little distinction between command and control systems, propaganda and journalism. They are all types of "weaponized information" to be deployed. As strategic expert Colonel Kenneth Allard noted, the 2003 attack on Iraq "will be remembered as a conflict in which information fully took its place as a weapon of war". Das Internet hat Miller in dem sonst interessanten Buch allerdings -- wie so häufig in der traditionellen Medienforschung -- fast gänzlich außen vor gelassen. Nur ein Beitrag widmet sich dem Thema Irak-Krieg im Netz.

infowar-irak.html

Biometrie und Judensterne

--- Das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung setzt seine Reihe zu Kontrolltechnologien fort. Nach dem kritischen Stück zur Videoüberwachung vom vergangenen Wochenende, widmet sich der italienische Philosoph Giorgio Agamben dieses Mal der biometrischen Erfassung der Bevölkerung im Zuge des 11. Septembers: Es gibt eine Stufe in der Kontrolle und der Manipulierung der Körper, deren Überschreitung ein neuer globaler biopolitischer Zustand bedeuten würde, ein weiterer Schritt zu dem, was Foucault als eine Art progressive Vertierung des Menschen durch äußerst verfeinerte Techniken beschrieben hat. Die elektronische Erfassung der Fingerabdrücke und der Netzhaut, die Unterhauttätowierung und andere Praktiken dieser Art gehören zu dieser Stufe. ... Es geht nicht mehr um die freie und aktive Teilhabe an der politischen Ebene, sondern um die Aufnahme und Erfassung des privatesten und unmittelbaren Elements: das biologische Leben der Körper. ... Ich möchte nur daran erinnern, dass die Tätowierung in Auschwitz möglicherweise als „normale“ und wirtschaftliche Art erschien, um die Aufnahme der Deportierten ins Lager zu regeln. Die biopolitische Tätowierung, zu der wir heute gezwungen werden, um in die Vereinigten Staaten einzureisen, ist das Staffelholz dessen, was wir morgen als normale Erfassung in die Mechanismen und das Getriebe des Staates akzeptieren könnten, wenn wir als gute Bürger identifiziert werden wollen.

biometrie.sz.html

2004-01-09

Wer, wann, was, wo? Etwas Nachrichtentheorie

--- In der Fachzeitschrift Publizistik findet sich ein interessanter Beitrag von Horst Pöttker. Er beschäftigt sich mit der Frage, warum Nachrichten so geschrieben werden, wie sie geschrieben werden (das Wichtigste nach vorn, das unwichtige nach hinten). Dabei werden interessante Thesen analysiert, etwa die, dass es im politischen Interesse lag, da Regierungen auch scheinbar objektive Nachrichten versuchen zu steuern. Am Ende unterstützt er aber die wohl plausibelste Erklärung: Es ist Ausdruck von Qualität, das Wichtigste an den Anfang zu stellen (inverted pyramid) und wird entsprechend vom Leser goutiert, was letztlich die Existenz des Mediums sichert.

nachrichtentheorie.html

Jetzt amtlich: Massenvernichtungswaffen aufgebauscht

--- Was die Leser des Spindoktor-Buches Krieg und Internet natürlich längst schon wissen, nämlich dass Bush und Blair die Bedrohung der Welt durch die angeblichen Massenvernichtungswaffen-Arsenale (Weapons of Mass Destruction -- WMD) Saddam Husseins drastisch aufgebauscht haben, wird jetzt auch noch einmal vom US-Forschungsinstitut Carnegie Endowment for International Peace (CEIP) höchst offiziell bestätigt: Dem Kongress und der amerikanischen Bevölkerung sei ein "völlig falsches Bild" von der Bedrohung durch den Irak vermittelt worden, sagte CEIP-Forscher Joseph Cirincione. Die irakischen Waffen hätten "zwar eine Gefahr, aber keine unmittelbare Gefahr" für die Region, die USA und die Welt dargestellt. Das Institut, politisch links der Mitte stehend, beklagte auchzunehmenden politischen Druck auf die US-Geheimdienste seit 2002. Den vollen Bericht unter dem Titel "WMD in Iraq. Evidence and Implications" gibt es online. Das Guerilla News Network hat die Lügerei und Kriegspropaganda rund um die Massenvernichtungswaffen zudem zum Spin des Jahres 2003 gekürt.

wmd.html

Bush attackiert Mond und Mars

--- Bush hat einer Handvoll Reporter auf einem schicken Air-Force-One-Flug durch seinen Sprecher Scott McClellan angekündigt, dass er nächste Woche ankündigen wolle, wieder Amerikaner auf den Mond und erstmals auch auf den Mars zu schicken. Unendliche Weiten tun sich da vor unserer Raumschiff-Enterprise-und-Spirit-nix-Beagle-Imagination auf, die uns die Mühen des irdischen Daseins vergessen lassen. Auch wenn das noch gar nicht offiziell verlautbarte "Mission-Statemenet" absolut unkonkret und die ganze Sache wohl letztlich auch unbezahlbar ist. Aber es ist ja Vorwahlkampf in den USA. Bush könnte damit im Wahlkampf die Nation wieder hinter einem großen Projekt vereinen wollen, was der Krieg gegen den Terrorismus nicht mehr leistet.

mars.html

Hochleistung statt Elite

--- Nachdem sich die Medien intensiv mit dem Begriff der Elite beschäftigt haben und die Sozialdemokraten selbst gemerkt haben, dass sie diesen Begriff noch nie so recht in ihrer Geschichte mochten, versucht Generalsekretär Franz Müntefering der ganzen Diskussion einen neuen Spin zu geben: Nicht Elitenuniversitäten fordert er jetzt, sondern Hochleistungsuniversitäten. Sollten nicht alle Hochschulen Hochleistung bringen? Der Spindoktor meint: Die spinnen, die Genossen.

bildung2.html

2004-01-08

US-Propaganda im Irak nicht gefragt

--- Die Propaganda-Bemühungen der USA im Irak stoßen auf taube Ohren. Corpwatch berichtet, dass das Iraq Media Network (IMN) mit seinen unterschiedlichen Sendern keine Chancen hat gegenüber den arabischen Platzhirschen, allen voran natürlich al-Dschasira, und im Infowar um die Herzen und Köpfe der Iraker verliert. Pech für die vom Pentagon mit dem Unterhalt des IMN beauftragte, der CIA nahestehende Firma SAIC (Science Applications International Corporation), die ihre Millionen im Propagandakrieg verpulvert. Aber neue US-Beeinflussungssender sind ja schon am Start.

imn8104.html

2004-01-07

Willkommen in Berlin, BKA!

--- Der Spindoktor freut sich, dass nach dem BND nun auch das Bundeskriminalamt geschlossen nach Berlin umzieht. Und das natürlich alles im Namen der inneren Sicherheit: Zur Begründung des Umzugs sagte Bundesinnenminister Otto Schily: „Die Konzentration sämtlicher operativen Einheiten an einem Standort und die Bündelung polizeifachlicher Kompetenzen ist organisatorisch sinnvoll und wird den gesteigerten Anforderungen durch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus gerecht.“ Schon heute arbeiten rund 500 BKA-Beamten in der ehemaligen Kaserne für das kaiserliche Telegraphenbataillon in Treptow. Den speziell ausgesuchten und trainierten Kriminalbeamten stehen sondergeschützte Fahrzeuge, waffentechnische Ausrüstung und besondere Nachrichtentechnik zur Verfügung. Wo die jetzt noch dazukommenden 1500 Kriminaler unterkommen, ist noch unklar.

bka.html

"Dramatisches" Foto von Ex-Bagdad-Diktator im Web

--- Wer ein "schockierendes" Bild der Hussein-Verhaftung finden will, wird -- nach einer Anmeldeprozedur und dem Sichten Hunderter Pop-ups -- bei der in San Francisco beheimateten Site Military.com fündig. See an amazing photograph of Saddam moments after his capture. A fallen dictator indeed. Gestellt, manipuliert oder nicht? Gephotoshopt ist das Bild auf jeden Fall, denn einer der "Häscher" ist sehr gesichtslos. Und natürlich wurde das Foto von "Anonymous" der Militärseite zugespielt. Hinter der Website, die sich dem Clauswitzschen "Shock&Awe" verschrieben hat, steckt die Firma Military Advantage, "a company committed to the mission of connecting the military community to all the advantages earned in service to America."

military-com.html

Wahlk(r)ampf in den USA

--- Die Würfel sind schon vor den anstehenden amerikanischen Vorwahlen bei den Demokraten gefallen: Howard Dean, bekannt geworden vor allem auch durch seinen Internet- und Weblog-Wahlkampf, scheint wohl nicht mehr einholbar. Der Doktor aus Vermont wird immer wieder als "linkslastig" beschrieben, vor allem wegen seiner fortdauernden Kritik am Irak-Krieg. Aber als Bewahrer der Bürgerrechte nach dem 11. September gilt er anscheinend dann doch wieder nicht: Beim Thema nationale Sicherheit, das Bushs Stärke ist und eine große Rolle spielen wird, werde Dean Präsident Bush "rechts überholen", sagt ein Berater. Aha.


Dean wird es eh schwer haben gegen Bush, urteilt Voice of America in einem Wahlkampfprofil des Präsidenten. Der habe nicht erst Primaries zu gewinnen, gerade erst Saddam publikumsgerecht gefangen und sich schön bei seinen Truppen in Bagdad mit dem falschen Truthahn -- und vor allen bei den Amerikanern am Bildschirm -- lieb Kind gemacht. Der Guardian will sogar ausreichend Anzeichen zusammengetragen haben, um von einem "Rebranding" der "Marke Bush" zu einem Mann des Friedens und der Diplomatie zu sprechen. Aber im Internet ballen sich neue dunkle Wolken über dem Texaner zusammen: der Wettbewerb Bush in 30 seconds zur Kür des besten Anti-Bush-Wahlkampfwerbespots schlägt Wellen, zumindest bei Spiegel Online. Mehr zu den Spots auch im raben.horst.

dean.html

Bildungsk(r)ampf in Deutschland

--- Die Bildungsleitlinien der SPD beherrschen heute die Schlagzeilen und Kommentarspalten. Dabei setzen sich die Zeitungen auch kritisch mit dem Semantismus der Politik auseinander. Die SZ etwa kritisiert, dass sich Eliten schwerlich diktieren lassen, sondern Ergebnis langer Entwicklungen sind. "Seit wann kann man Eliten schaffen, indem man sie gründet wie einen Verein?", fragt der Autor nicht ganz unbegründet.

bildung.html

--- Die Medien widmen sich heute ausgiebig der Inszenierung von Politik. So schreibt die FAZ: "Die CSU beherzigt schon lange das Gebot, daß in der Politik der Zweck einer Klausurtagung in der Herstellung einer möglichst großen Öffentlichkeit besteht. Wohl dosiert wurden deshalb in den vergangenen Tagen die Einzelheiten des CSU-Steuerkonzepts, das an diesem Mittwoch erläutert wird, in die medialen Kanäle eingespeist. Nach Kräften mühten sich die CSU-Leute, die Reizworte, mit denen sich ihre Partei steuerpolitisch von der CDU abheben will, ins Kurzzeitgedächtnis der Fernsehzuschauer und Zeitungsleser einzuprägen."

2004-01-06

--- Nordkorea will nicht mehr länger der "Achse des Bösen" zugerechnet werden: Der Unruheherd im Fernen Osten will der Entwicklung von Atomwaffen abschwören -- wenn die USA sie von ihrer Liste der Terrorstaaten streichen.

--- Dieses Jahr dürfen wir uns wieder auf eine Worthülsenschlacht freuen, stehen doch nicht weniger als 14 Wahlen an. Die SPD versucht es dabei mit der Gerechtigkeit, die sie aufteilt, etwa in den Begriff der Bildungsgerechtigkeit, denn ihr großes Begehr ist Innovation und Bildung, sagt sie zumindest. Beispiel für Worthülsen gefällig? Achtung: "Mehr Bildungsgerechtigkeit schafft gleiche Lebenschancen. Jeder muss eine Chance auf Ausbildung bekommen. Wir wollen eine Zukunft mit mehr Kindern. Innovationsfähigkeit ist keine Altersfrage. Alle vorhandene Arbeit muss mobilisiert und getan werden. Die langfristige Sicherung der Sozialsysteme und die Konsolidierung der Staatsfinanzen bleiben auf der Tagesordnung. Unsere Hochschulen müssen flexibler und attraktiver werden. Wir wollen eine Allianz für Innovationen schmieden. Wir werden unsere Anstrengungen auf die Märkte der Zukunft konzentrieren" etc., pp. (zitiert aus dem Beschluss des Parteivorstandes 6.1.2004 - Weimarer Leitlinien). Und damit auch gestritten wird, fordert etwa Generalsekretär Scholz Elite-Universitäten, ganz gleich, was genau er damit meint. Schon berichten die Medien, wie etwa Spiegel Online oder Süddeutsche Online.

2004-01-05

--- Von Flugreisen sollte man am besten Abstand nehmen, will uns der britische Verkehrsminister mit dem liebenswürdigen Namen Alistair Darling verklausuliert zu verstehen geben: "Wir müssen uns alle an verstärkte Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen gewöhnen", sagte Darling gestern der BBC. "Manchmal werden wir sie bemerken, manchmal verlaufen die Dinge vielleicht im Hintergrund." Die Äußerungen des Ministers zeigen, dass die beispiellose Zahl von Streichungen und Verzögerungen wichtiger USA-Flüge in der vergangenen Woche ein Dauerzustand werden könnte. Aber auch die Kritik an der Fluggast-Gängelung wird größer: "Die Amerikaner machen daraus einen extrem komplexen Prozess, und dadurch schaffen sie riesige Probleme für die gesamte Flugbranche", sagt Chris Yates, Flugsicherheitsexperte bei dem Spezialinformationsdienst Jane’s Aviation. Zudem befürchten Spezialisten, dass durch die Flugstreichungen und Durchsuchungen die Verbesserung der Sicherheitskontrollen in den Flughäfen zu kurz kommen könnte.

--- Es wird konkret mit neuen amerikanischen Propaganda-Sendern für den Irak und den Mittleren Osten: Jetzt will die US-Regierung mit einer neuen Medienoffensive die Herzen der Araber gewinnen. Ein von Virginia aus gesteuerter Satellitensender namens Al Hurra (deutsch etwa: "die freie Station") soll "objektive" Informationen in den arabischen Raum senden.
Mehr als Hurra-Geschrei wird von der Station wohl kaum zu erwarten sein: Der 24-Stunden-Sender wird "ein Gegengewicht zu den USA kritisch gegenüberstehenden Sendern wie Al Dschasira und Al Arabija" bilden, sagt Brian Conniff, Direktor des für staatliche Sender zuständigen Broadcasting Board of Governors (BBG). Seinen Hauptsitz hat Al Hurra in Springfield im Bundesstaat Virginia, knapp eine halbe Autostunde von Washington entfernt und in Nähe der CIA-Zentrale in Langley. Über 200 Arabisch sprechende Redakteure und US-Funktionäre basteln rund um die Uhr an einem Programm, das Anfang Februar an den Start gehen soll. Kosten für den amerikanischen Steuerzahler allein im ersten Jahr: $102 Mio. Kritik an der medialen Propagandaaufrüstung der USA zum Gewinnen der arabischen Herzen gibt es allerdings schon lange.

2004-01-03

--- Wie erst jetzt bekannt wurde, hat Bush die Aufregung um die geschickt inszenierte Publizierung der Gefangennahme Saddam Husseins genutzt, um just an jenem Wochenende eine Erweiterung des schon von sich aus stark in die Bürgerrechte eingreifenden PATRIOT Act in Form des Intelligence Authorization Act zu erlassen. Der unter Vermeidung von großer Aufmerksamkeit mit der Unterschrift von Bush in Kraft getretene Intelligence Authorization Act regelt die finanzielle Ausstattung der Geheimdienste, aber auch von anderen "Aktivitäten im Krieg gegen Terroristen auf globaler Ebene". Mit dem Gesetz werden die Befugnisse des Präsidenten und die Geheimhaltung über Geheimdienstaktivitäten erweitert und Geheimdienstarbeiter der CIA und der NSA, die Schusswaffen tragen dürfen und in Ausübung ihres Berufs Gewalt ausüben, vor Haftung geschützt. Ein meisterhafter Propaganda- und Medien-Spin, findet auch der Spindoktor.

--- Norbert Lossau schert in der Welt aus der Phalanx der Toll-Collect-Kritiker aus und lobt den "Technik-Flop des Jahres" als verkanntes, durchaus leistungsfähiges System. Das System ist nicht grundsätzlich auf Autobahnen beschränkt. Jeder in der digitalen Straßenkarte enthaltene Verkehrsweg könnte mit einer Maut belegt werden - und dass theoretisch auch noch zeitabhängig. Dazu eine Vision: Eine viel befahrene Einfallsstraße wird während der Rush-Hour mit einer Maut belegt. Das wäre zur Steuerung der Verkehrsströme möglicherweise sinnvoll. Natürlich würde man dazu Toll-Geräte auch in Pkws benötigen. Die Politik sagt uns, dass dies (derzeit) nicht geplant sei, und wir müssen es glauben. Doch technisch machbar wäre es - ebenso wie etwa eine kilometergenaue Erfassung der tatsächlich von Berufspendlern zurück gelegten Kilometer. Auch zur Verbrechensbekämpfung ließe sich die metergenaue Ortskenntnis des Mautsystems zweifelsohne sinnvoll nutzen. Doch braucht Deutschland wirklich ein hochkomplexes, pedantisches und bürokratisches Überwachungssystem, dessen Aufbau und Betrieb immense Kosten verursachen? Wie steht es mit Datenschutzfragen? Ist eine simplere, aber rascher einsatzfähigere und auf Autobahnen beschränkte Lösung, wie sie in Österreich funktioniert, nicht letztlich viel sinnvoller, um Eichels Säckchen ein wenig zu sanieren?

Genau diesen Fragen widmet sich heute ein ausführlicher Bericht der Süddeutschen Zeitung und verweist auf die mögliche Koppelung von Mautsystem und den Plänen der Länder zur Autokennzeichenüberwachung mit flächendeckenden Videoaugen: Tatsächlich handelt es sich bei der Systementwicklung von DaimlerChrysler und Telekom um eines der innovativsten Technologieprojekte der letzten Jahre – nicht ein Symptom der deutschen Krankheit, sondern eher ein Zeichen der Genesung. Das Interessante an dem Unternehmen liegt ja nicht in seinen kuriosen Anlaufschwierigkeiten, sondern darin, dass es – in seiner Potenz als bundesweiter Bewegungsmelder – zwei große utopische und gegenläufige Projekte der Moderne verschmilzt, das Projekt Freiheit und das Projekt Sicherheit. Dass sich dies in Deutschland auf Grundlage der Autobahn vollzieht, ist von einer fast unheimlichen Folgerichtigkeit. ... Ein System, das soviel kann, kann auch noch mehr und anderes. Wer garantiert, dass sich nicht Nutzer etablieren, die mehr wollen als Maut eintreiben oder geklaute Lastwagen lahm legen? In seinen polizeitechnischen und kriminologischen Anwendungsmöglichkeiten liegt möglicherweise die wahre Größe des Systems von Toll Collect.

--- Findet der erdbebengeschüttelte Iran Gnade vor den Augen Bushs und kann sich das Land etwa gar aus der bushigen "Achse des Bösen" ausklinken? Der US-Präsident will von einem echten Ende der Eiszeit aber noch nichts wissen. Die iranische Regierung müsse inhaftierte Mitglieder des Terrornetzwerks Al Qaida ausliefern, ihr Atomprogramm aufgeben und das Land demokratisieren, forderte Bush. "Die iranische Regierung muss auf die Stimme derer hören, die nach Freiheit streben", betonte der US-Präsident.

2004-01-02

--- Die permanente Terrorpanik der USA bringt den Rest der Welt in Rage. Brasilien etwa beginnt nun, US-Bürger bei der Einreise denselben Schikanen zu unterziehen, wie sie in die USA einreisende Ausländer über sich ergehen lassen müssen: Die brasilianische Polizei hat am Donnerstag damit begonnen, US-Bürger bei der Einreise zu fotografieren und ihre Fingerabdrücke abzunehmen. Ein brasilianischer Richter hatte dies angeordnet, nachdem er den US-Sicherheitsbehörden für entsprechende erkennungsdienstliche Maßnahmen "Nazi-Methoden" vorgeworfen hatte. Zudem gerieten die an Weihnachten gestrichenen Air-France-Flüge in die USA wohl aufgrund von Schlampereien bei der Schreibweise französischer Namen, durch die Kinder und alte Chinesen auf die Verdächtigenliste der US-Ermittler gerieten, ins Visier der Behörden. Man darf gespannt sein, wo das noch alles hinführt. In Deutschland wächst die Kritik an der wohl etwas vorschnellen Hamburger Abriegelung eines Krankenhauses jedenfalls auch.

--- Amerikanische Militärs haben eine neue "Hightech"-Präzisionswaffe im Irak-Krieg entdeckt. Nach dem Dollar, der im Vorfeld des Wüstenfeldzugs im März/April zur Bestechung von Saddam Husseins Offizieren genutzt wurde, sind es nun die "Sniper", die Scharfschützen, die gezielt Guerilla-Kämpfer abknallen sollen. Die New York Times hat eine bilderreiche Geschichte dazu geschrieben: "I shot one guy in the head, and his head exploded," said Sgt. Randy Davis, one of about 40 snipers in the Army's new 3,600-soldier Stryker Brigade, from Fort Lewis, Wash. "Usually, though, you just see a dust cloud pop up off their clothes, and see a little blood splatter come out the front."