2004-01-20

Meinungsfreiheit durchgeknallt

--- Fällt es unter die Meinungsfreiheit, einen für seinen nicht immer ganz einfachen Führungsstil bekannten Staatsanwalt als "durchgeknallt" zu bezeichnen? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Medien hierzulande verstärkt seit gestern, da erstmals über diese Aussage des Ex-Kulturstaatsministers und Mitherausgebers der Zeit, Michael Naumann, vor dem Berliner Amtsgericht verhandelt wurde. Zu der "Behauptung" Naumanns, die in einer hitzigen Talkrunde fiel, Berlins umstrittenen Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge traf und dem Medienmann einen Strafbefehl von 9000 Euro einbrachte, schreibt etwa Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung: „Sachliche Anknüpfungspunkte“ für scharfe Kritik an dem Generalstaatsanwalt gibt es freilich in Hülle und Fülle. Kein Staatsanwalt in Deutschland ist in der Öffentlichkeit so mit Stammtisch-Sprüchen aufgefallen wie er. Der Mann gehört zwar der SPD an, redet aber wie Ronald Schill: Es werde „zu wenig verhaftet“ , dafür aber zu viel „geschwätzt“ in der Justiz. Gegen den angeblichen „Sachverständigenzirkus“ bei den Gerichtsverhandlungen hat der „Panzerkreuzerkapitän“ (mit einem solchen hat er sich bei Amtsantritt verglichen) polemisiert, weil „von den primitivsten Buschnegern bis zu den Tieren“ das Faktum gelte: „Objektive Regelverstöße müssen zu Sanktionen führen“. ... Wer es knallen lässt, wird es sich gefallen lassen müssen, dass man ihn als durchgeknallt bezeichnet – ob es sich nun um einen Politiker, General oder Generalstaatsanwalt handelt. Die Berliner Morgenpost weiß auch noch einiges beizutragen im Streit um die Metapher: Schon im Vorfeld der Verhandlung hatte Naumann daran erinnert, dass der umstrittene Behördenleiter von Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) noch 2002 aus seinem Amt entfernt werden sollte. Tatsächlich hatte das Abgeordnetenhaus am 29. August 2002 auf Initiative der Senatorin die Abberufung Karges beschlossen - der sich freilich vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich dagegen wehrte. Naumann wies gestern darauf hin, dass sich der Generalstaatsanwalt selbst als "Kommandeur eines Panzerkreuzers" verstehe, im Zusammenhang mit dem Wort "durchgeknallt" aber plötzlich "die dünne Außenhaut eines Faltbootes" aufweise. Ob Naumann damit richtig liegt, könnte sich am 28. Januar erweisen - sofern die Richterin der Verteidigung folgt und Karge in den Zeugenstand zitiert.

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