2004-03-06

Abgesang auf den "Medienkanzler"

--- Die Süddeutsche Zeitung (Printausgabe leider nur noch als "ePaper" nach Registierung erhältlich und damit nicht mehr sinnvoll verlinkbar) fasst die Neuigkeiten der Woche über Schröder, Bild und die Medien zusammen und stimmt zum Abgesang auf den Medienkanzler an: "Der Medienkanzler entzaubert sich selbst", sagt Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg. Er spricht von "enttäuschter Liebe". Das zielt auf die oft kolportierte, freilich nie offiziell bestätigte These Gerhard Schröders, er brauche zum Regieren nur "Bild, BamS und Glotze". In dieser Logik muss Bild Schuld sein, wenn Wahl- und Umfrageergebnisse sinken. Es gebe offenbar, so Weischenberg, in der Regierung eine sehr naive Vorstellung von Boulevard-Journalismus. ... Es ist nicht viel geblieben von der subtil-freundlichen Kontrolle über die Medienlandschaft, die sich Schröder vorgenommen hatte. Der Kanzler kümmerte sich, als der rechtskonservative Rupert Murdoch die vielen Fernsehsender des insolventen Leo Kirch übernehmen wollte. Der Kanzler förderte vor der Wahl ein TV-Duell, bei dem sich die Journalisten in ein unjournalistisches Fragekorsett zwängen ließen. Der Kanzler interessierte sich selbst für ein neues politisches Monatsmagazin namens Cicero. Nun aber ist ihm im deutschen Mediensystem als bon ami vielleicht am ehesten noch WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach geblieben, sein erster Kanzleramtschef, der Blair stets als Vorbild im Blick hatte. Die so wichtige Kommunikationsarbeit liegt de facto auch bei seiner Frau Doris Schröder-Köpf - jedenfalls nach den Erzählungen vieler, die sich mit den Usancen bei Hofe auskennen. Sie war Boulevard-Journalistin bei Bild in Bonn, beim Express und arbeitete für Focus. Sie kennt sich aus im Geschäft - und doch macht ihr Mann kaum verzeihliche PR-Fehler.

Im Meinungsteil zudem ein weiterer interessanter Beitrag zur Frage, "warum Politiker verachtet werden" und "Vermittlungsprobleme" haben, wobei neben der Schröder-Medienfarce auch die unsägliche Bundespräsidenten-Kandidatenkür im Mittelpunkt steht: Ein typisches Symptom für die Realitätsferne von Spitzenpolitikern, egal ob sie Kohl oder Schröder heißen, ist die Wahrnehmung von Kritik als Verschwörung. Die ebenso typische Reaktion darauf ist der Versuch, Kritik, und sei es Schmähkritik, durch halb autoritäre Maßnahmen zu unterbinden. Man gibt keine Interviews mehr, verweigert besonders Missliebigen Zugang und Mitreise. Dies wiederum fördert bei den so Behandelten die Neigung zur Kritik und bestätigt die Vorurteile beider Seiten. Das Klima der Verachtung war auch auf jener Pressekonferenz spürbar, bei der Merkel, Stoiber und Westerwelle ihre Einigung kund taten. Es herrschte ständiges Getuschel und Gelächter, weil der Versuch derer da oben auf dem Podium, Mist als Gold zu verkaufen, so offensichtlich war. Man fühlte sich, pardon, verarscht. Dieses Gefühl ist gegenüber Spitzenpolitikern in Deutschland mittlerweile sehr weit verbreitet. Es fördert das Desinteresse an der Politik. Man hat sich daran gewöhnt, dass der Kanzler im Wahlkampf etwas anders sagt, als er hinterher tut; es ist eben so, dass in der Folge eines Ego-Wettkampfes zwischen Parteichefs ein im Volk unbekannter Finanzmanager Bundespräsident wird. Gerade für das Amt des Bundespräsidenten ist diese Entwicklung besonders gefährlich. ... Deutschland hat noch nie einen Bundespräsidenten gehabt, bei dem die Person so wenig Einfluss auf die Nominierung wie im Falle Horst Köhlers hatte.

medienkanzler.html