
--- Der Literaturwissenschaftler und Philosoph
Richard Rorty schaltet sich in die Terrorbekämpfungsdebatte ein, dokumentiert in der
Zeit:
Der weit verbreitete Verdacht, der Krieg gegen den Terror sei potenziell gefährlicher als der Terrorismus selbst, scheint mir vollkommen gerechtfertigt. Denn wenn die direkten Folgen des Terrorismus alles wären, was wir zu befürchten hätten, gäbe es keinen Grund für die Annahme, westliche Demokratien würden die Explosion von Atombomben in ihren Metropolen nicht überleben. Naturkatastrophen, die ein vergleichbares Ausmaß an Tod und Zerstörung über die Menschen brächten, wären schließlich auch nicht imstande, demokratische Institutionen zu gefährden. Würden sich zum Beispiel die tektonischen Platten an der Pazifikküste verschieben und Hochhäuser zum Einsturz bringen, bedeutete dies für Hunderttausende den sicheren Tod. Doch kaum wären die Opfer beerdigt, würde man mit dem Wiederaufbau beginnen. Und auch die Notstandsbefugnisse wären zeitlich beschränkt. Ganz anders verhielte es sich im Fall eines Terrorangriffs. Politiker, die alles daransetzen, weitere Anschläge zu verhindern, wären versucht, sich an Härte zu überbieten und weitergehende Maßnahmen zu ergreifen - Maßnahmen, die sogar der Rechtsstaatlichkeit ein Ende setzen könnten. Und die Wut, die man verspürt, wenn namenloses Leid durch menschliches Tun verursacht wird und nicht durch Naturgewalten, wird die Öffentlichkeit dazu bringen, diese Maßnahmen zu akzeptieren. Gewiss, das Ergebnis wäre kein faschistischer Putsch. Das Ergebnis wäre eine Kaskade von Maßnahmen, die einen Wandel in den sozialen und politischen Bedingungen des westlichen Lebens einleiten würden. Rorty hat den Konjunktiv gewählt -- bleibt zu hoffen, dass er dabei bleiben kann.
rorty.html
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