2004-03-15

Sicherheitspolitiker haben Narrenfreiheit

--- Zunächst schien es, als würde die Debatte um die innere Sicherheit nach 11-M halbwegs gemäßigt verlaufen. Doch nun, wo das Schreckgespenst al Qaeda deutlich im europäischen Raum steht, gibt es anscheinend kein Halten mehr für die Innenpolitiker. Allüberall werden die Deckel von den Truhen gerissen, in denen längst die Pläne zur weiteren Einschränkung der Grundrechte schlummern. Ganz vorn dabei natürlich Bayerns Innenminister Beckstein. Alles überwachen und streng kontrollieren würde er am liebsten: Beckstein forderte, vor allem die Sicherheitsvorkehrungen in Zügen und auf Bahnhöfen zu erhöhen. Auch die Überwachung des Post- und Telefonverkehrs müsse verstärkt werden, so weit dies möglich sei. ... Erneut forderte der Politiker den verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Bereich der Inneren Sicherheit. Am liebsten wäre Beckstein wohl ein Verbund aus Geheimdiensten, Militär und Polizei, der vollkommen jenseits der Verfassung agieren darf. Ein wenig vergallopiert hat sich der Bayer dabei anscheinend auch: Es sei nicht einzusehen, warum Leute, die ... Bombenbastelanleitungen aus dem Internet herunterladen, im Land bleiben dürften. Wie schon nach 9/11 hat Bundesinnenminister Schily ein offenes Ohr für neue Antiterrorpakete und gebündelte Überwachungskompetenzen: In vertraulicher Runde wollen von heute an vier Länderminister mit Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in Berlin über eine Neuordnung der deutschen Sicherheitsstruktur verhandeln. In der Arbeitsgruppe, der Günther Beckstein (Bayern, CSU), Fritz Behrens (Nordrhein-Westfalen, SPD), Jörg Schönbohm (Brandenburg, CDU) und Gottfried Timm (Mecklenburg-Vorpommern, SPD) angehören, stehen teilweise revolutionäre Vorschläge zur Debatte. So will Schönbohm, dass Schily die Ermittlungseinheiten von Bundeskriminalamt (BKA), Bundesgrenzschutz (BGS) und Zoll unter Beibehaltung ihrer Aufgaben zusammenfasst. Dort, wo der Bund originär für die Strafverfolgung zuständig sei, müssten auch Ermittlungen ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat erlaubt sein, fordert der Brandenburger.

Kritische Gedanken zur Sicherheitskrampfdebatte macht sich derweil die Frankfurter Rundschau: Was kann die Politik gegen diese Form des Terrors tun, was sie nicht schon nach dem 11. September getan hat? Und was können verschärfte Gesetze, Kontrollen, Überwachungsinstrumentarien ausrichten, um einen besseren Schutz zu garantieren, den es in seiner absoluten Form nicht geben kann? Allein an diesen Fragen darf sich legitimerweise orientieren, wer jetzt auf eine neue Sicherheitsdebatte dringt. ... Dennoch ist schon absehbar, wo Madrid Spuren hinterlassen wird. Wenn nicht unmittelbar im Zuwanderungsgesetz, dann zumindest in einem verschärften Ausländerrecht. Und bei den Anti-Terrorgesetzen, die Rot-Grün eigentlich auf den Prüfstand stellen wollte und die nun - womöglich in verschärfter Form - fortgeschrieben werden.

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