2004-05-16

Springer-Chef gegen die Boulevardisierung der Politik

--- Springer-Chef Mathias Döpfner darf sich in seiner Welt am Sonntag heute ellenlang über seine Sicht auf das angespannte Verhältnis zwischen Politik und Medien auslassen. Seine These: Nicht die Boulevard-Presse mit Bild an der Spitze versaut und boulevardisiert die Politik und die anderen Medien, sondern die Politik biedert sich dem Boulevard und dem Volk an. Er wetter über die allzu privaten Auswüchse der symbolischen Politik: Klaus Kinkel zeigte sich in fast jedem Sommerurlaub gänzlich überflüssigerweise in Badehose. Guido Westerwelle machte Wahlkampf im albernen Guidomobil und versuchte, bei jungen Wählern durch Besuche im Big-Brother-Container oder beim Beach-Volleyball zu punkten. Johannes Rau kann offenbar keinen Urlaub auf Spiekeroog ohne Fotoreporter an seiner Seite verbringen ... Die Botschaft all dieser Selbstinszenierungen ist fast immer die gleiche: Seht her, wir sind doch eigentlich genauso wie ihr! Wir sind doch auch nur Menschen, ganz normale, bodenständige dazu! Im Grunde wollen diese Fotos Distanz abbauen, sie wollen mit dem Vorurteil vom entrückten, den Bürgern entfremdeten Politiker aufräumen. Das ist an sich nichts Neues. Ein Stilmittel, seit es medial vermittelte Politik gibt. ... Problematisch wird es nur, wenn aus dem Verringern von Distanz zwischen Regierten und Regierenden Distanzlosigkeit wird. ... Döpfner fordert deshalb die Wiedereinführung des Geheimnisses und der Aura in die große Politik: Politik aber braucht rote Teppiche, braucht Rituale der Distinktion. Der Bundespräsident, der erste Mann im Staate, auf Augenhöhe, auf Du und Du mit Lieschen Müller - das funktioniert auf die Dauer nicht. Das ist nicht Gleichheit, sondern Gleichmacherei. Politik braucht ein Arkanum. Ein letztes Geheimnis. Und sie braucht zumindest die Illusion moralischer Elite. Wenn sie diesen Raum des Andersartigen, Erstrebenswerten, Bewunderbaren aufgibt, gefährdet sie sich selbst. Ein wenig einfach macht es sich der Springer-Chef da aber schon, der anscheinend von mehrdimensionalen Wechselbeziehungen zwischen Medien sowie Politik und Gesellschaft nichts wissen will. Aber Hauptsache, die Bild ist aus der Schusslinie.