TV entdeckt den Terror im Web
--- Langsam merken es selbst die klassischen Medien, dass sich der Dschihad auch online niederschlägt. Premiere feierte das Thema in einen längeren Beitrag vom NDR im Magazin Panorama am gestrigen Donnerstag. Der Anreißertext gab sich dramatisch: Ein Gefangener wird im Irak mit einem Säbel geköpft – und das Ganze wird gefilmt. Mit diesen unfassbaren Bildern haben islamistische Terroristen die Welt vor einigen Monaten geschockt. Doch mittlerweile vergeht fast kein Tag, an dem nicht neue Videos über Attentate oder Hinrichtungen auftauchen. Die Propaganda der Macher wird immer professioneller: der Selbstmord-Attentäter hat mittlerweile einen Kameramann an seiner Seite, der nicht nur den Anschlag filmt, sondern zuvor bereits den Abschied von seinen Angehörigen aufgenommen hat. Tatsächlich zeigte der Beitrag dann auch vor allem Ausschnitte aus dem "Best of"-Video der Selbstmordattentäter, das über angeblich pro-israelische Sites wie www.inhonor.net längst auch online verfügbar ist (angeblich zur Aufklärung über die Beweggründe der Terroristen und zusammen mit all den anderen blutigen Videos aus dem Qaida-Umfeld). Ansonsten wurden die einschlägigen Experten zum Thema befragt wie Gabriel Weimann oder Aaron Weisburd von Internet Haganah, der gestern mit einem akuten Anschlagwarnung für Italien in Fachkreisen für Aufsehen sorgte. Letztlich kamen aber auch Verfassungsschützer in dem NDR-Beitrag nur zu der Auffassung, dass man nichts machen könne gegen die Nutzung des Internet durch die Gotteskrieger. Ratlosigkeit verbreitet sich also über die Medienstrategien der Islamisten, die natürlich just von den demokratischen Werten und Öffentlichkeitstheorien profitieren, die sie eigentlich streng ablehnen und im Rahmen ihres Dschihad mit bekämpfen. Am aussichtsreichen erscheint da -- trotz der teilweisen alarmistischen Fehlschläge -- der Weg von Weisburd und seinen Kollegen aus der "Cyberwehr", die immer wieder auf das Treiben der Glaubenskrieger im Netz hinweisen und so zumindest ihre "heilige Ruhe" stören. Mehr zum Thema in Telepolis.
3 Comments:
Der Telepolis-Beitrag ist leider voller Widesprüche, aber in einem Punkt schließe ich mich der geäußerten Auffassung an: Das Internet als durch und durch anarchisches Medium, das sich der ansonsten allerorten möglichen Kontrolle durch die Machtinstitutionen aufgrund seines inhärenten Wesens wirkungsvoll entzieht, ist doch schon lange vielen Machtinhabern ein Dorn im Auge - UND den klassischen Medien erst recht, da sie im Internet möglicherweise eine schwer einschätzbare "Konkurrenz" fürchten. Und weiterhin liegt es in der Natur des Mediums, daß es immer einen Tick schneller bleiben wird als die klassischen Medien - diese Tatsache allein ist ja schon eine immense Bedrohung.
M.E. - obwohl ich den Beitrag selbst nicht sehen konnte - haben sich die Autoren dieser Sendung die weltweite verbreitete Furcht vor Anschlägen und den weiter zu befürchtenden Konsequenzen weltweiten Terrors zunutze gemacht, um mal eben einen Seitenhieb auf das Internet als "Wurzel allen Ungemachs" und potentiellen Multiplikator terroristischer Aktivitäten loszuwerden. Und das Tagesgeschehen belegt ja, daß diverse Internet-Dienste tatsächlich so benutzt werden.
Aber: Wir müssen ja keineswegs tatenlos dabeisitzen. Ich denke, Weisburds Beispiel sollte längst weitläufig Schule gemacht haben und Nachahmer finden, vor allem in Kreisen gemäßigter Muslime. Tatsächlich sollte man aktiv die Bildung solcher "Cyberwatch"-Zentren vorantreiben. Gemäßigte Muslime erhalten so auch die Möglichkeit, sich effektiv und plakativ vom Sumpf der Fundamentalisten zu distanzieren. Und schlußendlich dürfte es angesichts des Mißbrauchs des Internets als Kommunikationsmedium für den Jiihad nicht schaden, wenn Betreiber von Internet-Cafés dazu übergehen, ihre Stationen eben nur noch registrierten Benutzern zu überlassen (wobei die Registrierung per Personalausweis, Angabe der heimischen Adresse oder sonstiger bindender Angaben erfolgen muß).
Im übrigen: Klassische Medien werden ja gleichermaßen von den Machtinhabern im Westen zur mehr oder minder gezielten Verbreitung von Propaganda (ich sage nur "embedded journalists") benutzt.
Im Endeffekt stehen die Medien wieder vor der Frage, ob und welchen Kodex sie sich auferlegen wollen, also konkret: Was kann, darf oder muß gezeigt und gemeldet werden? Ich denke, in der Mehrzahl schielen westliche Medien auf Quote und solang das die Motivation bleibt, werden wir auch weiterhin Enthauptungen in Bild, Ton und detaillierter Beschreibung präsentiert bekommen (und zynischerweise mehr und mehr von den Vertretern westlicher Medien).
guter punkt mit den embeds und dem dadurch erfolgenden "freiwilligen missbrauch" der massenmedien. den panorama-beitrag gibt es ansonsten als stream ueber die verlinkte website zu bewundern.
Danke für den Tipp mit dem Stream - habe mir den Beitrag gleich angeschaut, was meine vorher geäußerte Ansicht jedoch erhärtet hat. Ich bleibe dabei: Entweder, die Geheimdienste machen ihre Arbeit künftig selbst richtig (siehe der Beitrag über "Imperial Hubris" und die in diesem Buch geäußerten Unterlassungen des CIA) oder es braucht eben noch viele Weisburds. Und vielleicht kann ja auch die "gute" alte DoS-Attacke mal gezielt auf die eine oder andere Islamisten-Site losgelassen werden...
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