2004-09-28

Amerikanische "Präzisionsschläge" im Irak wenig präzis

--- Florian Rötzer geht in Telepolis der Kriegspropaganda der US-Führung rund um die momentan wieder verstärkt durchgeführten "Präzisionsschläge" im Irak nach: Mahmud al-Jarisi, der Verwalter von Falludscha, soll nach al Dschasira  gesagt haben, dass die Bombardierung am Samstag sich gegen ein Wohngebiet gerichtet haben: "Alle Opfer waren Zivilisten." Er macht Fehler der Informationsbeschaffung dafür verantwortlich. Angeblich soll aber, wie die Washington Post  meldet, zumindest ein Sarkawi-Anhänger, nämlich der Saudi Abu Ahmed Tabouki, der als Stellvertreter Sarkawis in Falludscha gilt, am Samstag getötet worden sein. Man darf spekulieren, ob die Angriffe tatsächlich vermeintlichen Anhängern von Sarkawi gegolten haben, ob man die Präzisionsschläge sicherheitshalber gestartet hat, um Terroristen zu treffen, auch wenn man Informationen nur durch bezahlte Informanten erhalten hat, die oft genug schon Falsches erzählt haben, oder ob die Angriff vor allem auch die Bevölkerung von Falludscha - eine "Hochburg des Widerstands" genannt - in Angst versetzen soll, so dass sie die Stadt verlässt. Die genauen Zahlen zu kennen, wäre zwar wichtig, ist aber wohl unmöglich, schließlich stammen die Meldungen aus verschiedenen Quellen mit unterschiedlichen Interessen. Weitgehend sicher aber dürfte sein, dass die "Präzisionsschläge" - beispielsweise durchgeführt mit 250 kg-Bomben auf Gebäude im Zentrum einer Stadt - kaum Verluste unter der Zivilbevölkerung vermeiden können. ... Beide Seiten versuchen die Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die Terroristen wollen etwa Bilder ihrer blutigen Anschläge und ihrer Morde in der Öffentlichkeit zirkulieren lassen, um auf sich aufmerksam zu machen, ihre Macht zu demonstrieren sowie Furcht und Anerkennung zu erreichen. Die militärische Macht führt ihre Schläge normalerweise möglichst ohne Beobachtung durch (kritische, unkontrollierbare) Medien aus, versucht Bilder von Opfern ihrer Aktionen (und Misshandlungen) aus der Öffentlichkeit herauszuhalten und präsentiert sich am liebsten als unangefochtener Inhaber der Macht und als Agent des Guten. ... Die Rede von "Kollateralschaden" und "Präzisionsschlägen" ist eine Folge der Medienstrategie oder der Propaganda, mit der Regierungen und militärische Machtapparate ihre Handlungen gegenüber der eigenen Bevölkerung, wenn sie im Ausland im Einsatz sind, und gegenüber der Weltöffentlichkeit darstellen wollen. Dem liegt freilich ein Propagandaschema zugrunde, das keineswegs neu ist. Dem Gegner werden stets Gräuel unterschoben, während die eigene Seite höchstens Fehler begeht, für die sie aber nicht zur Verantwortung gezogen werden darf, weil sie ja für die gute Sache gegen die Bösen kämpft. Im Text auch ein Hinweis auf ein neues Buch zur Kriegspropaganda von Anne Morelli, einer belgischen Historikerin.