2004-09-27

Bertelsmann und die Macht im Staat

--- Die Süddeutsche Zeitung bringt heute einen Auszug aus dem bald erscheinenden Buch Bertelsmann. Hinter der Fassade des Medienimperiums (leider nicht online). Dazu gibt es ein aufschlussreiches Interview mit einem der Hauptautoren, Frank Böckelmann (der zweite ist Hersch Fischler), mit interessanten Wertungen der Gutmenschen von Gütersloh: Reinhard Mohn hat Versuche unternommen, die Prinzipien der Unternehmenskultur, von denen er behauptet, sie hätten sich bei Bertelsmann bewährt - wir bestreiten das - auf die Gesellschaft insgesamt, auf Verwaltung und Politik auszudehnen. Dem dient vor allem die Bertelsmann-Stiftung. ... Was das gesamte wirtschaftliche Geschehen überwölbt, lautet ungefähr so: Wir, Bertelsmann, erbringen einen Leistungsbeitrag für die Gesellschaft. Wir tragen Verantwortung für Politik und Gesellschaft. Profitmaximierung ist nicht unser erstes Ziel. Profitmachen um seiner selbst willen ist verächtlich. ... Der rote Faden, der sich durch die letzten zwei Jahrzehnte hindurchzieht, ist der Gedanke, das Handeln von Bertelsmann sei identisch mit dem Gemeinwohl. ... Die Grundlinien von Hartz IV sind in den Labors und auf den Schreibtischen der Bertelsmann-Stiftung entstanden, was natürlich niemand weiß. Verstehen Sie recht: Es mag durchaus in dem einen oder anderen Fall nützlich sein, solche Effektivitätsmaßstäbe anzulegen. Was hingegen verhängnisvoll ist, das ist die systematische Beseitigung des Unterschiedes von Wirtschaft und Politik. Es kommt hier zu einer Art Pseudodemokratie. Die Leute sollen alle mitreden, sie sollen selbst Vorschläge machen. Es ist genauso wie im Betrieb. Es gibt da diesen schönen Begriff von network governance. Genau dahin geht diese Entwicklung: Alle schwierigen Entscheidungen werden vorabgesprochen in den Elitenetzwerken aus Parteien und Konzernen. Das ist in gewisser Weise eine Privatisierung der Politik.