Zero-Tolerance gegen Terroristen auf schwankendem Niveau
--- Unausweichlich rückt die Auseinandersetzung mit dem islamistischen Terrorismus am heutigen dritten Jahrestag der Anschläge auf New York und Washington in den Vordergrund. In der deutschen Online-Welt sorgt dabei momentan vor allem Henryk M. Broder mit seiner Verarbeitung des Bösen in der Welt und seiner Abrechnung mit den "Terroristen-Verstehern" für Aufruhr. Ein mir bisher unbekannter Gedankengang dabei: Broders (nur rhetorisch vorweg halb zurückgenommener) Vergleich der Gotteskrieger mit den Nazis: Es hat solche Ausbrüche eines Massenwahns in der Geschichte schon öfter gegeben: Ohne wirklich vergleichen zu wollen, könnte man auch das Dritte Reich als einen Versuch begreifen, sich zuerst auszutoben und dann kollektiv Selbstmord zu begehen. Wie verzweifelt müssen die Nazis gewesen sein, um die Massaker von Oradour und Lidice zu begehen? War Goebbels umjubeltes Angebot vom "totalen Krieg" nicht von der gleichen Art wie das Glaubensbekenntnis der Terroristen, die den Tod mehr als das Leben lieben? Wir aber sind inzwischen weiter. Nicht Reinhard Heydrich oder Osama Bin Laden sind unsere Vorbilder, sondern der Dalai Lama, weil der auch in aussichtslosen Momenten die Gewaltlosigkeit predigt. Und wir sind stolz auf eine "friedliche Revolution", bei der nicht einmal eine volkseigene Kaffeemaschine beschädigt wurde. Warum empfehlen wir den Terroristen nicht den gleichen Weg? Warum unterstellen wir ihnen ehrenwerte Motive? Warum haben wir Verständnis für Massenmörder, die keine Gnade kennen, weil sie in Gottes Auftrag handeln? Warum gehen wir nicht hin und machen ihnen ein faires Angebot: "Liebe Leute, wenn ihr euch unbedingt umbringen wollt, dann macht es. Wir werden euch daran nicht hindern. Aber macht es bei euch zu Hause. Alles Gute und viel Erfolg." Broder hat Recht, dass ein Verhandeln mit Gotteskriegern, die mit dem Leben abgeschlossen haben, in der Regel nichts bringt. Dass der Terror aber zumindest im Ansatz auch eine Reaktion auf die Machtbestrebungen westlicher Mächte im Nahen und Mittleren Osten ist und politisches Handeln nicht völlig vergeblich ist, vergisst oder unterdrückt er aber der Polemik willen. Ein wenig stilistische Kritik gibts aber zumindest gleich bei Spiegel Online, dem Publikationsort des Artikels, dazu.
Ansonsten zum 11.9.: Dämonologische Betrachtungen zum Jubiläum eines Weltschicksalstags von Goedart Palm in Telepolis, das Special bei der New York Times oder die "totalitäre Herausforderung" in der Welt. Aufschlussreich auch die skeptische Bestandsaufnahme von Juan Cole zum Krieg zwischen den USA und al-Qaida (Dank an David für den Hinweis).
2 Comments:
So interessant und lesenswert die in den Telepolis-Artikeln geäußerten Gedankengänge auch sein mögen - lesbar schreiben können dort nur wenige...
Der referenzierte Beitrag von Goedart Palm strotzt schon wieder vor unnötigen Fremdwörtern, die den Lesefluß behindern, und bedient sich eines ausgesprochen mühsamen Satzbaus.
Was er uns eigentlich sagen will: Die Bush-Regierung hat im Lichte von 9/11 bereitwilligst die Werte verraten, die sie zu schützen und zu verteidigen vorgibt. Unkoordinierte Aktionen anstelle wohlüberlegter Politik bestimmen ihr Handeln und werden mit fadenscheinigen und ewig gleichen Begründungen gerechtfertigt. Die Geheimdienste waren und sind nicht in der Lage, haltbare Handlungsgrundlagen zu schaffen. Die tiefere Motivation (das eigene Machtstreben, der Machterhalt, wobei JEDES Mittel recht ist) wird verheimlicht und auf Nachhaken damit beantwortet, daß die Öffentlichkeit die wahren Beweggründe nicht ertragen würde - dabei folgt gleichzeitig das Versprechen, es geschehe alles nur zum Besten der eigenen Nation bzw. der freiheitsliebenden Nationen.
Und als Fazit: Die westliche Welt erlebt einen Rückfall in beinahe tierische Verhaltensweisen, die in der Geschichte zahlreich zu finden sind und als bereits überwunden galten.
War das jetzt so schwer? Der ganze Abschnitt kommt mit ganz wenigen und gemeinhin bekannten Fremdwörtern aus. Die Kernaussage läßt sich auf wenige Sätze beschränken. Warum nur kann Herr Palm (und mit ihm andere TP-Autoren) nicht auf dieses ganze pseudo-akademische Geschwafel verzichten, das letztlich nur eine "readers divide" schafft? (Damit ist keineswegs sk gemeint, die Beträge hier im Blog sind stets gut lesbar und verständlich geschrieben).
I strongly recommend the Juan Cole's historical overview of 9-11 which he posted today in his blog: www.juancole.com
He is the best source of news (daily) on developments in Iraq and the Middle East.
-David
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