2005-01-12

Weissrussland: reif für die nächste Revolution?

--- Nach dem Regimesturz in der Ukraine, den der unterlegene Janukowitsch aber noch nicht akzeptieren will, richtet sich nun der Blick verstärkt auf das benachbarte Weissrussland: der großmäulige weißrussische Machthaber Alexander Lukaschenko demonstriert großspurig seinen Herrschaftsanspruch, obwohl er in unmittelbarer Nähe zu den ukrainischen Ereignissen besonders gefährdet scheint. Doch Lukaschenko gibt sich unbeirrt. In seinem Reich werde es "keine Rosen-, keine orangefarbene, keine Bananenrevolution geben", machte er sich am Wochenende während eines Weihnachtsgottesdienstes in Minsk stark. Er als Präsident werde weiterhin für Frieden und Stabilität in Weißrußland sorgen, versprach er. Das Limit des Landes an Kriegen und Revolutionen sei ausgeschöpft. "Ich bitte daran zu denken und zu diesem Thema nicht mehr zurückzukehren", befahl "Batjuschka", das Väterchen, wie er sich gerne nennen läßt, den Teilnehmern des Gottesdienstes. ... daß der Westen überall die Hände im Spiel hat, daran zweifelt in der weißrussischen Führung niemand, schon aus Staatsraison. So will Nikolai Losowik, Chef der weißrussischen zentralen Wahlkommission, erkannt haben, daß der Gesetzesnihilismus während der Präsidentenwahl im Nachbarland "mit dem Segen, möglicherweise sogar auf Initiative von Beobachtern internationaler Organisationen" um sich gegriffen habe ... Oppositionelle, die in der Stadt mit orangefarbenen Bändern ihre Solidarität mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Juschtschenko ausdrücken, werden schon mal vom Fleck weg verhaftet, Teilnehmer einer Bürgerinitiative in einem Hotel festgenommen. Aber der Widerstand bleibt gering. Weißrußlands Opposition, die sich gerne ein Beispiel nehmen möchte am revolutionären Elan der Ukrainer, ist schwach. Da wird also wohl erst mal wenig passieren.

Dagegen muss sich Russlands Putin mal wieder mit Vorwürfen beschäftigen: Nach einer lähmenden zehntägigen Feiertagsserie zum Jahresbeginn hat das öffentliche Leben in Rußland wieder eingesetzt. Mit überraschend herben Aktionen, die Präsident Wladimir Putin unter Druck setzen. Landesweit gingen die Rentner auf die Straße und protestierten gegen das, was die russische Führung die "Monetarisierung der Vergünstigungen" nennt: Bisher kostenlos verteilte Wohltaten des Staates müssen vom 1. Januar an bezahlt werden, sollen aber durch finanzielle Leistungen ausgeglichen werden. ... "Die Demokratie weicht einer brutalen Diktatur", befand Ex-Schachweltmeister Gari Kasparow dieser Tage auf einer Presseveranstaltung in London. Das geschehe mit offener oder stillschweigender Unterstützung des Westens für Putin, den Kasparow - weit über das Ziel hinausschießend - als "Faschisten" apostrophierte. Kasparow gehört zu den Mitbegründern des Komitees 2008, das eine Verfassungsänderung verhindern will, mit der der Kremlchef ein drittes Mal kandidieren könnte, und das nach einem geeigneten Nachfolger Ausschau hält.