Propaganda in Zeiten von Goebbels und heute
--- Anlässlich der Erscheinung des Buches Das Goebbels-Experiment veröffentlicht Spiegel Online ein Interview daraus mit Lord Weidenfeld, der 1942 die erste Studie zur Propagandapolitik Goebbels' verfasste. Ein paar interessante Auszüge und Zeitbezüge zu heute: Er hat die zeitgenössischen Konzepte des politischen Marketings fusioniert und perfektioniert, nach 1933 dann unter den Rahmenbedingungen eines totalitären Regimes, die für dieses "Experiment" natürlich günstig waren. Es gibt bei ihm diese Fusion zwischen Asphalt-Lyrik, Balladen, deutscher Romantik. Dann gab es die Märsche, der von den Kommunisten nicht sonderlich unterscheidbare Musikeinsatz, deshalb auch im "Goebbels Experiment" ein eigenes Kapitel über die NS-Musik. Er hat es verstanden, sich vom Gegner schamlos das Beste oder Effizienteste herauszuklauben und die Vorzeichen umzukehren. Und nach 1933 hatte er die Instrumente der totalen Meinungslenkung. Er konnte also weitgehend auf seiner Klaviatur spielen, das war schon einzigartig. Nicht nur bei der Massenkommunikation, auch bei bildender Kunst, Theatern, öffentlichen Ritualen. Diese Macht der Kommunikationslenkung hat keiner vor ihm und nach ihm gehabt, jedenfalls nicht in halbwegs zivilisierten Ländern. ... Wenn Sie dagegen die schlechte Organisation der angloamerikanischen Propaganda jetzt im Irak-Krieg sehen, wo es noch nicht einmal gelungen ist, die Kriegsgründe klar zu vermitteln. Das ist eine Tragödie. Ein Kritiker des Irak-Kriegs selbst ist Weidenfeld allerdings nicht, er sieht eher die demokratischen Werte des Westens in Gefahr: Die Moral der westlichen Staaten ist schlecht, weil die Anti-Kriegspropaganda so gut ist. ... Wenn man es schafft, den Gegner ständig moralisch zu diffamieren und zu demoralisieren, und die Gegenwehr zu schwach ist, dann ist das der halbe Sieg. ... Ich habe sehr viele Vorbehalte gegen die Richtung, die viele europäische Medien in der Berichterstattung über den Irak-Krieg eingeschlagen haben. ... Heute führt Präsident Bush, ob wir ihn nun mögen oder nicht, einen Mehrfrontenkrieg gegen einen Feind, der um einiges gefährlicher ist als das "Dritte Reich" und die anderen totalitären Diktaturen alten Stils. Die SS-Einsatzgruppenleute mussten von Himmler noch für ihre blutige Arbeit hart gemacht werden. Kaum jemand hat das freudig und freiwillig gemacht. Das ist bei den islamistischen Selbstmördern ganz anders. Das ist eine ganz andere Mentalität, das hat nichts mehr mit Nationalismus alter Schule zu tun, sondern mit entgrenzten Religionskriegen. ... Es geht mir nicht so sehr um spin doctors, um taktische Reaktionen von Tag zu Tag. Es geht mir eher darum, dass man Grundhaltungen durchhält und diese auch vermittelt, sie jederzeit auffrischt, professionell an den Mann und an die Frau bringt, seine eigene Sache dadurch auch verteidigt. Das ist ungleich schwieriger in einer Demokratie, wo die Problemstellungen zugleich öffentlicher und subtiler sind als in totalitären Systemen. Aber es ist eine Aufgabe, die gemeistert werden muss. Weidenfeld hat in mancher Beziehung sicher recht, aber überzeugende Argumente, warum so etwas wie der Irak-Krieg nun nötig gewesen sein soll, bringt er nicht vor. Auch er betreibt letzlich "politisches Marketing".
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