2005-03-25

Auch die kirgisische Revolution wird gebloggt

--- Kirgisien ist zwar bislang nicht als großer Nachrichtenfokus bekannt, aber das ändert sich wegen des Umsturzes in diesen Tage natürlich rasant. Ein eifriger US-Blogger, der Publius Pundit, hat Kirgisien bereits in seine Übersicht der friedlichen Flower-Power-Revolutionen zusammen mit dem Libanon und der Ukraine eingereiht. Bildberichte zudem im Blog Registan. Auch der nach Kalifornien verzogene Nomad hat die Situation in Zentralasien im Blick, wobei sich dort neben den Jubelmeldungen über die Vertreibung des Präsidenten Askar Akajew (ihm wird Wahlbetrug vorgeworfen) aber auch sorgenvollere Berichte über die Plünderungen und Ausschreitungen gestern abend mischen. Schon früh herrschte Skepsis vor: They are calling this one the Tulip Revoution, but I'm skeptical about it's possible success. First, there doesn't seem to be a unified opposition or person to rally around. Second, the tactics they are employing (burning police stations, taking over government buildings, etc.) do not endear the worldwide community to the effort. Momentan ist die Lage ziemlich vernebelt in der kirgisichen Hauptstadt Bischkek (auch noch nicht häufig was davon gehört, oder?). Eine gute Nachrichtenquelle scheint die deutschsprachige Online-Gazette russland aktuell zu sein (trotz der wilden "Sponsorenmischung"). Dort wird etwa das Spannungsverhältnis Russland -- Kirgisien -- China beleuchtet, aber auch über eine mögliche Finanzierung der Opposition durch Drogenhändler.

Insgesamt ist die Redaktion aber momentan trotz der Plünderungen zuversichtlich: Während die Opposition sich um eine geordnete Machtübernahme bemüht und bereits einen amtierenden Präsidenten anstelle des abgetauchten Akajew gewählt hat, sieht die Hauptstadt Bischkek am Morgen streckenweise aus, als sei sie von einem Orkan verwüstet worden. Bereits gestern hatten Bekannte von dort berichtet, dass vor allem die russische Minderheit Angst vor Pogromen hat. Selbstverteidigungsgruppen gegen die „Mohren“ wurden gebildet, wie die Südkirgisen im Jargon verächtlich genannt werden. Wer nicht auf die Strasse musste, schloss sich zu Hause ein. In der Nacht löste die Zitronenrevolution tatsächlich Plünderungen und Totschlag aus. Alle grösseren Geschäfte Bischkeks wurden geplündert, berichten Nachrichtenagenturen. Augenzeugen präzisieren, es habe sich um die Geschäfte des Akajew-Clans gehandelt. Allerdings wurden auch alle kleineren Internetcafes in der Innenstadt in Mittleidenschaft gezogen. Fünf Menschen kamen ums Leben, hunderte wurden verletzt, vor allem Personal der betroffenen Geschäfte. An den Unruhen waren zehntausende Jugendlicher beteiligt. Viele von ihnen standen unter Alkoholeinfluss. Die Miliz mischte sich nicht ein. Ein Vorstoss des Mobs gegen ein grosses Hotel wurde verhindert. Die Opposition hatte über Nacht offensichtlich die Kontrolle und den Überblick verloren. Oppositionssprecher Felix Kulow erklärte im kirgisischen Fernsehen, die Unruhen seien möglicherweise provoziert worden, um die Lage zu destabilisieren. ... In der Nacht hatte die Vollversammlung der Abgeordneten den Oppositionspolitiker Kurmanbek Bakijew zum amtierenden Premierminister ernannt. Damit wäre Bakijew auch amtierender Präsident bis zu Neuwahlen. Vor den Abgeordneten erklärte der Vorsitzende des Obersten Gerichts, die umstrittenen Parlamentswahlen seien ungültig. Damit wären auch Parlamentsneuwahlen fällig. Bakijew war unter Ex-Präsident Akajew bereits Premierminister.