Die Grünen in der Krise
--- Die Welt am Sonntag beschäftigt sich mit dem Erschlaffen der Grünen seit der Übernahme der Regierungsverantwortung in Berlin (und anderswo): Sie waren mutig, sie waren frech, sie waren konfliktfreudig. In der Regierung sind die Grünen nur noch ein Schatten ihrer selbst. ... Ein Vierteljahrhundert ist es her, daß sich in Karlsruhe Anhänger der Graswurzelbewegung, Pazifisten, Kernkraftgegner, Marxisten und Multikulti-Idealisten mit großen Hoffnungen und noch mehr Elan zu einer Protestpartei zusammenschlossen. Größtenteils waren es junge Leute bürgerlicher Herkunft, deren soziales Mitgefühl der dritten Welt galt, die mit den Sandinisten in Nicaragua sympathisierten und gegen die Nachrüstung zu Felde zogen. ... Inzwischen bröckelt der Wohlstand mindestens so sehr wie die Wahlergebnisse des sozialdemokratischen Koalitionspartners. Den Millionen Arbeitslosen, die von Hartz IV leben, ist das Hemd näher als die bitterste Armut irgendwo in Afrika. Folglich haben sich die Ansprüche an die Politik, auch an die der Grünen, radikal gewandelt. ... Es waren die Grünen, die angesichts der demographischen Entwicklung Generationengerechtigkeit einforderten. Sie, nicht die Sozialdemokraten, entwickelten Ende der neunziger Jahre ein für die damalige Zeit anspruchsvolles Steuerkonzept. Die Grünen haben die SPD erst auf die Idee mit der Bürgerversicherung gebracht. Aber welcher Wähler soll das wissen, wenn die Partei die eigene Politik nicht ebenso selbstbewußt verkauft wie Renate Künast ihre gesunden Lebensmittel und Jürgen Trittin seine Windräder? Die Partei ist dabei, sich zu verbiegen. An der Spitze und in der Fraktion sind die Grünen längst realpolitischer, als nach außen durchdringt oder besser: durchdringen soll, weil die Reformer Angst davor haben, bei den Linken anzuecken. Weil sie immerzu Rücksicht nehmen auf eine inzwischen chronisch kranke SPD. Weil sie um ihre Macht und ihre Bedeutung fürchten und darüber das Geheimnis ihres Erfolges längst vergessen haben. ... Viel braucht es nicht mehr bis zur schwarzen Republik, in der die Grünen völlig ausgeblendet wären. In zwölf Bundesländern bestimmen die Bürgerlichen bereits die Politik. Auch in den Umfragen zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen liegen CDU und FDP mit vier Punkten deutlich vor SPD und Grünen. "Die Zukunft von Rot-Grün hängt unter anderem davon ab, ob es gelingt, eine glaubwürdige Perspektive zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit aufzuzeigen ", sagt ganz unverblümt der Grünen-Fraktionschef im Europaparlament, Daniel Cohn-Bendit. Vermutlich kann den Grünen erst ein wenig Zeit in der Opposition helfen, ihr Profil wieder zu schärfen. Momentan dürfte ihnen vor allem die FDP Wähler wegschnappen, da diese gerade eine Rückbesinnung auf die von den Grünen sonst gern im Mund geführten Bürgerrechte zumindest nach außen demonstrieren.
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home