2005-05-31

Angela Merkel will Arbeit schaffen und dienen

--- Ganz neu sieht sie aus, die erste deutsche Kanzlerkandidatin: Bei Berlins Starfriseur Udo Walz hat sich Angie eine neue Frisur zulegen lassen vor ihrem großen Auftritt gestern bei der Kür durch die Union. Weg mit dem "Prinzessin Eisenherz"-Schnitt, hin zu den Christiansen-Strähnchen (auch die Moderatorin ist Stammgast bei Udo). Mit der symbolischen Politik hat sich Merkel also doch endlich noch arrangiert, um im Fernsehen zu punkten. Dazu ein rhetorischer Mix, der zumindest zu Protokoll gegeben werden sollte. Von wegen "Agenda Arbeit" und so. Aus dem Fanschreiben der Welt, die endlich bald Regierungszeitung sein will: Manchmal gelingen Generalproben so gut, daß sie die Frage aufwerfen, ob für die Premiere überhaupt noch eine Steigerung drin ist. ... Da gab es in der CDU-Zentrale nicht nur ausgelassenen Jubel und rhythmische Klatschkonzerte wie nach einer eindeutigen Prognose Punkt 18 Uhr an einem Wahlsonntag. Sondern auch das grenzenlose Freudestrahlen einer Angela Merkel, die sonst ihre Gefühlslage eher zurückhaltend zu demonstrieren pflegt. ... Merkel zeichnete die Lage des Landes mit jenen Strichen, die sie auch im Wahlkampf setzen wird: Arbeitslosigkeit, Rekordverschuldung, wachsende Armut, Bürokratie über Bürokratie. "Wir brauchen keine Agenda 2010 mehr, so richtig Schritte von ihr waren, wir brauchen eine Agenda Arbeit", sagte die Schröder-Herausforderin. Und: "Arbeit braucht Wachstum, und Wachstum braucht Freiheit" - eine Triade, der wir im Wahlkampf ebenfalls wiederbegegnen dürften. Sie kündigte für den Fall des Wahlsieges die solidarische Gesundheitsprämie, den Stopp weiterer Staatsverschuldung und eine große Steuerreform ab. Und eine "ehrliche Türkeidiskussion", um die "Entfremdung zwischen Europa und den Menschen", wie sie sich gerade im Nachbarland gezeigt habe, zu stoppen. Am 11. Juli würden die Vorstände beider Parteien ein Wahlprogramm verabschieden, um "Politik aus einem Guß zu machen". Natürlich, das bleibe ein Wahlprogramm - aber eines "mit dem Mut zur Ehrlichkeit", versprach sie, in dem "kein Problem schön geredet wird". Und sie kündigte einen "Wahlkampf ohne Feindbilder an". Am Ende sagte Merkel: "Ich will Deutschland dienen." Schwammiger geht es kaum, da waren ja schon konkretere Kürzungen und Mehrwertsteuererhöhungen im Gespräch. Der Spindoktor wünscht jedenfalls erst mal viel Spass mit Eddie "Äh" Stoiber, der ja künftig auch angeblich mehr in Berlin mitmischen will. Und noch ein wenig Kommentar aus der taz: Solange SPD und Grüne nicht mal die Organisation der Neuwahlen geregelt kriegen, kann Merkel vage bleiben - und für ihre neue Rolle üben: die der Staatsfrau. ... Fragt sich nur, wie lange Stoiber seine Rolle durchhält - als Diener der Dienerin der Deutschen.

Und sonst: Hochzeit für Marketiere und Spindoktoren: Vorgezogener Urnengang bringt Werber ins Schwitzen. Der unerwartet kurze Bundestagswahlkampf bereitet der deutschen Werbewirtschaft Probleme. Der vorgezogene Wahltermin setzt insbesondere die Werbeagenturen unter Druck, die in Rekordzeit für ihre politischen Auftraggeber an Ideen feilen müssen, FTD.

2005-05-29

US-Regierung will Antiterrorkampf neu ausrichten

--- Im Weißen Haus wird an einer neuen inhaltlichen Ausrichtung der Antiterrorpolitik gefeilt, meldet die Washington Post heute: The Bush administration has launched a high-level internal review of its efforts to battle international terrorism, aimed at moving away from a policy that has stressed efforts to capture and kill al Qaeda leaders since Sept. 11, 2001, and toward what a senior official called a broader "strategy against violent extremism." The shift is meant to recognize the transformation of al Qaeda over the past three years into a far more amorphous, diffuse and difficult-to-target organization than the group that struck the United States in 2001. But critics say the policy review comes only after months of delay and lost opportunities while the administration left key counterterrorism jobs unfilled and argued internally over how best to confront the rapid spread of the pro-al Qaeda global Islamic jihad. President Bush's top adviser on terrorism, Frances Fragos Townsend, said in an interview that the review is needed to take into account the "ripple effect" from years of operations targeting al Qaeda leaders such as Khalid Sheik Mohammed, arrested for planning the Sept. 11 attacks, and his recently detained deputy. "Naturally, the enemy has adapted," she said. "As you capture a Khalid Sheik Mohammed, an Abu Faraj al-Libbi raises up. Nature abhors a vacuum." The review marks the first ambitious effort since the immediate aftermath of the 2001 attacks to take stock of what the administration has called the "global war on terrorism" -- or GWOT -- but is now considering changing to recognize the evolution of its fight. "What we really want now is a strategic approach to defeat violent extremism," said a senior administration official who described the review on the condition of anonymity because it is not finished. "GWOT is catchy, but there may be a better way to describe it, and those are things that ought to be incumbent on us to look at." ... Another key aspect is likely to be the addition of public diplomacy efforts aimed at winning over Arab public sentiment, and State Department official Paul Simons said at a congressional hearing earlier this month that the "internal deliberative process" was broadly conceived to encompass everything from further crackdowns on terrorist financing networks to policies aimed at curbing the teaching of holy war against the West and other "tools with respect to the global war on terrorism." Der Krieg gegen den Terror wird demnach also bald Krieg gegen den gewalttätigen Extremismus lauten, auch wenn Bushs Spindoktoren da wohl noch ein wenig feilen können.

Und sonst: "Wir haben viele Terroristen getötet". Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf, 61, über Erfolge bei der Jagd auf Osama Bin Laden, die Aussichten für eine Friedensregelung in Nahost und die Rolle seines Landes beim Verkauf von Nukleartechnologie an Nordkorea und Iran, Der Spiegel (Reaktionen dazu aus Iran auch gleich mitserviert).

Neues von der Enthauptungsfront im Irak: Insurgents Say They Have Killed Japanese. Video May Show Body of Hostage, Washington Post.

Schröders Pläne zur Verfassungsänderung stoßen auf Widerstand. Bundeskanzler Gerhard Schröder und die SPD erwägen, die juristisch heikle Vertrauensfrage mit einer Verfassungsänderung zu umgehen. Doch weder FDP noch Grüne halten allzuviell von diesen Planspielen, ftd.de

Reizklima bei Rot-Grün. In der Koalition wird die Stimmung immer gereizter. Grünen-Politiker wehren sich gegen die Attacken der Sozialdemokraten. Spitzenvertreter der Öko-Partei wollen heute an einem geheimen Ort in Berlin zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten, Spiegel Online.

Öl ins nukleare Feuer. In New York ging die 7. Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages ohne Ergebnis zu Ende, Telepolis.

2005-05-26

Koran-Spülung in Guantanamo

--- Aufgabe eines Spindoktors ist es unter anderem, Medien massiv unter Druck zu setzen, wenn sie Unangenehmes über dessen Auftraggeber berichten. Newsweek bekam das vor einer Woche zu spüren, als das Magazin über Koranschändungen von US-Militärs im Gefangenenlager Guatanamo auf Kuba berichtet hatte. Soldaten hatten den Koran Toiletten heruntergespült, hieß es. Die Meldung ging um die Welt und führte zu Unruhen und zu Toten in Afghanistan. Bushs Regierung schob die Schuld beflissentlich auf die Medien und legte gleich noch einen drauf: Newsweek, so das Weiße Haus, solle doch als Wiedergutmachung künftig über die gute Arbeit des US-Militärs berichten. Nun berichtet der Spiegel, dass der Newsweek-Bericht bei weitem nicht falsch gewesen sein muss, sondern sogar FBI-Berichte über derartige Vorfälle vorlägen. Das Magazin zitiert:"Persönlich hat er (der Gefangene) nichts gegen die USA. Die Aufseher in dem Lager behandeln ihn nicht gut. Ihr Verhalten ist schlecht. Etwa vor fünf Monaten schlugen die Wächter die Häftlinge. Sie spülten ein Exemplar des Korans die Toilette hinunter." Auch die L.A. Times wird mit Berichten zitiert: "Detailliert berichtete die "L.A. Times" aus Gefangenenaussagen: Wärter sollen das heilige Werk mit den Füßen getreten, an Wachhunde verfüttert und mit Urin besprenkelt haben." Allmählich wird es eng für die Spin-Doktoren.

Mehr zu den belastenden FBI-Dokumenten heute auch in der Washington Post und in der FTD. Auslöser der Meldungen ist eine Mitteilung der ACLU: Guantánamo Prisoners Told FBI of Koran Desecration in 2002, New Documents Reveal.

Update: Das Pentagon hat Koran-Schändigungen denn doch noch zugegeben -- die Spülung aber nicht.

Und sonst: Iran to Keep Nuclear Freeze. Europeans Win Tentative Vow From Negotiator, Washington Post.

Hart, aber ehrlich? Schwarz-Gelb geht ans Eingemachte. Union und FDP planen für den Fall ihrer Regierungsübernahme, Steuervergünstigungen und Subventionen radikal zu kürzen, FTD.

USA weisen Kritik von AI zurück". Die USA haben die Kritik von Amnesty International an ihrer Menschenrechtspolitik zurückgewiesen. Die Vorwürfe seien «lächerlich und nicht von den Fakten gestützt», sagte der Sprecher des Weissen Hauses, Scott McClellan, Tages-Anzeiger.

"Zu Gast bei Freunden" - per Video überwacht. Sicherheitskonzept zur Fußball-WM beschlossen, Mainzer Allgemeine Zeitung.

Antiterroraufwendungen: Total spending by world governments to fight terrorism will be about $US191 billion ($251.12 billion) this year, a study says. ... The study, released today by Washington's Homeland Security Research Corporation, says about 44 per cent – $US84 billion – will be spent by the US, Herald Sun.

USA proben Gegenwehr gegen Cyber-Attacken. Drei Tage lang üben Experten des Geheimdienstes CIA Reaktionen auf cyberterroristische Angriffe, heise online.

Fiktives Vogelgrippe-Blog von Nature: Avian flu special: The flu pandemic: were we ready? Welcome to my weblog. I'm Sally O'Reilly, a freelance journalist based in Washington DC. I've been researching a book on pandemic preparedness. But now the time for preparation has run out.

2005-05-25

Rätselraten um Sarkawis Gesundheitszustand

--- Das Phantom al-Sarkawi geistert mal wieder gewaltig durch den Blätterwald. Ursache für die Irritation: Islamisten selbst haben im Web vermeldet, dass der jordanische Führer von al-Qaida im Irak verwundet sein soll. Da liegt die Vermutung natürlich nahe, dass Propaganda und PR Ziel des Postings sind. Nichts genaues weiß man also mal wieder, umso mehr wird über diesen Zustand des Nichtwissens aber berichtet. Groß heute etwa in der New York Times: An Internet statement posted in the name of his Islamic militant group said Tuesday that America's most wanted man in Iraq, Abu Musab al-Zarqawi, had been injured "for the sake of God," a term commonly used by militants in Iraq to refer to wounds sustained at the hands of American or Iraqi troops. ... The statement gave no details of the injury or how it was inflicted, but it appealed to all Muslims to pray for the "speedy recovery" of Mr. Zarqawi, who has claimed responsibility for scores of suicide bombings, ambushes, drive-by assassinations and hostage killings, and attracted an American bounty of $25 million. ... For weeks, American commanders in Iraq have said they believed they were closing in on Mr. Zarqawi, and they have cited the arrest of more than 20 of his "trusted lieutenants," including leaders of his terrorist cells, propaganda chiefs, bomb makers, drivers and others. But an American general in Iraq who was reached by e-mail on Tuesday took a cautious view of the report that the militant leader had been injured, saying that while the American command did not discount the report, "we aren't banking on it, either." "It could be a ruse to throw us off his trail," the officer said. ... Mr. Zarqawi has had several narrow escapes. Earlier this month, American officers confirmed that he had come close to being captured during an American raid along the Euphrates River north of Ramadi on Feb. 20. The commanders said a pickup carrying Mr. Zarqawi made an abrupt U-turn near an American checkpoint between the cities of Hit and Haditha, 100 miles east of the Syrian border, setting off a chase. The officers said Mr. Zarqawi leapt from the pickup and hid beneath an overpass, leaving his driver and another man to be captured, along with Mr. Zarqawi's laptop computer and more than $100,000 in cash. Mehr zum Thema beim SITE Institute und bei Spiegel Online.

Update: Angeblich wurde schon ein Nachfolger für Sarkawi bestimmt. Mehr dazu in Telepolis und Spiegel Online.

Sonst: Irakische Polizei meldet „Bürgerkrieg“. In der nordirakischen Stadt Tal Afar liefern sich Sunniten und Schiiten offenbar harte Kämpfe, Welt.de

Interessantes aus Washingtons Lobbyviertel, der "K-Street": It's the consultancy, stupid! Wahlkämpfe gewinnt man nicht mit Themen, sondern mit dem richtigen Berater, Telepolis.

Schlappe für Bush: US-Parlament legt sich mit Bush an. In direkter Konfrontation mit dem Präsidenten hat das Repräsentantenhaus in Washington eine Ausweitung der öffentlichen Finanzierung der Stammzellenforschung beschlossen. Bush droht mit Veto, sueddeutsche.de

Neues von Schily & Co.: Überwachung rund um die Uhr zur WM 2006. Innenminister beschließen Sicherheitskonzept, Berliner Zeitung.

2005-05-24

Bye, bye Rot-Grün, auf zur großen Koalition?

--- Heute sind denn auch die Zeitungen voll mit Meinungen, Vermutungen und Analysen zu Schröder und Müntes Überraschung mit den vorgezogenen Neuwahlen: Die Berliner Morgenpost/Welt etwa ruft den Abschied von Rot-Grün aus: Hellrot ist die Krawatte, die Bundeskanzler Gerhard Schröder am Morgen danach trägt, hellrot und ohne Schnörkel. Am Abend zuvor, als er um 20 Uhr im Kanzleramt mit eisiger Miene vor die Presse trat und vorgezogene Neuwahlen ankündigte, trug er noch eine rot-grüne, rote Grundierung, grüne Querstreifen. Über Nacht ist das Grün verlorengegangen, abgelegt worden, verschwunden. Jetzt zählt wieder Rot oder vielmehr: Jetzt zählt nur noch Rot. Gerhard Schröder grüßt, durchaus nicht mürrisch, dreimal kurz mit "Guten Morgen" - und huscht dann an den Journalisten vorbei, hinein zur SPD-Präsidiumssitzung ins Willy-Brandt-Haus. Kurz darauf erscheint SPD-Vize Kurt Beck und verkündet den Abschied vom rot-grünen Lager im allgemeinen und von den Grünen im besonderen: "Jede Partei kämpft für sich. ... Nach dem Debakel von Nordrhein-Westfalen in keiner Landesregierung mehr vertreten, ist die Verkündung von Neuwahlen zugleich nun auch die indirekte Absage an eine solche Koalition im Bund. Schröder weiß genau wie SPD-Chef Franz Müntefering: Eine Wiederauflage von Rot-Grün kann die wechselseitige Blockade aus Bundestag und Bundesrat nicht überwinden. Hierfür braucht es eine neue Farbenlehre. Entweder Schwarz-Gelb - oder Rot-Schwarz. Sowohl im Umfeld des Kanzlers als auch in dem des SPD-Chefs wird daher als Ziel der Neuwahl verkündet: "Wir wollen stärkste Fraktion werden." Um dann eine von der SPD und Gerhard Schröder geführte große Koalition zu führen? Das schließen zumindest führende Mitglieder des konservativen Seeheimer Kreises nicht aus. "Die SPD muß die Koalitionsaussage offenlassen", sagt Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner. "Das Ergebnis der Wahl könnte ja so ausfallen, daß wir uns auf eine große Koalition einlassen müssen." ... Das Problem für Schröder und Müntefering dabei: Die Linken in Fraktion und Partei wollen keine große Koalition. Für sie gilt Münteferings Bonmot "Opposition ist Mist" nicht - oder nicht mehr. Sie sehnen sich geradezu danach. Um sich programmatisch zu erneuern. Um sich personell neu aufzustellen. Um sich wieder sozialdemokratisch zu fühlen. Und in einem Kommentar zum "simulierten Aufbruch": Müntefering wie Schröder sehen doch, was die Schlappe von NRW bedeutet. Da geht nicht nur eine lange Tradition für die SPD zu Ende; da endet ein politisches Abenteuer mit den Grünen. Da endet aber vor allem ein mentaler und programmatischer Spagat, der die ganze Regierungszeit Schröder beherrschte und mit der Kapitalismusdebatte in offener Ausweglosigkeit endete. Der Kern des Versuchs, über die Vertrauensfrage zu Neuwahlen zu kommen ist doch das implizite Eingeständnis, daß die eigenen Zentrifugalkräfte nicht mehr beherrschbar sind.

Mehr dazu etwa in der Zeit (vorab online): Der Bundeskanzler legt sich nicht fest, mit wem er nach der kommenden Bundestagswahl koalieren will. Im Gespräch mit der ZEIT sagte Schröder,er wolle für die eigene Stärke streiten. Unterdessen rücken führende Genossen von den Grünen ab. Und Chefredakteur Giovanni di Lorenzo konstatiert den Abschied von einer Generation, die Deutschland verändert hat. Wenn es also ein Kalkül gibt, dann allenfalls dies: Schröder hat die Spielregeln aufgestellt und kann vom schmeichelnden Image profitieren, er wolle lieber auf die Macht verzichten, als einen falschen Kurs einzuschlagen. Die überrumpelte Union muss sich in größter Hast auf ein Regierungsprogramm einigen. ... Der Rückzug der Generation, die seit 1968 diese Gesellschaft in allen Bereichen prägte und nirgendwo anders so erfolgreich war wie in Deutschland, hat begonnen. Was an Universitäten, an Strafgerichten oder in den Medien aus Altersgründen geschieht, wird in der Politik durch Abwahl vollzogen. Es ist kein Wegdämmern an der Macht wie in der Endphase von Helmut Kohl, es ist ein (beinahe freiwilliger) Abschied in Würde. Für die gesellschaftliche Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland ist dieser Generationenwechsel einschneidender als der bloße Regierungswechsel. Wenn Gerhard Schröder also – nicht Stoiber, Koch oder Rüttgers – die etwas tragische Rolle des Kanzlermachers für Angela Merkel übernehmen sollte, dann lädt sie sich eine viel größere Verantwortung auf als nur die für eine neue Koalition. Größer auch als für ein rigides Management raus aus der Wirtschaftskrise. In der Hoffnung auf einen Neuanfang steckt auch ein letzter Vertrauensvorschuss durch einen bedeutenden Teil der Wähler, die auf beängstigende Art und Weise vom demokratischen Parteiensystem enttäuscht sind.

Die deutsche Politik ist auf jeden Fall wieder spannend geworden, auch wenn grüne Reformprojekte wie etwa das überfällige Informationsfreiheitsgesetz nun wohl überhaupt auf lange Zeit keine Chance mehr haben und allgemein mit einem weiteren Kahlschlag der Bürgerrechte zu rechnen ist.

Und sonst: Bildermaschine für den Krieg. Über Geschichte, Ziele und Kritik der Pentagon-Filmarbeit, Telepolis.

Die Sekte von Camp Aschraf... und die amerikanischen Vorbereitungen für einen Machtwechsel im Iran, Telepolis.

A Center Forms to Outflank Left, Right. Monday's last-ditch compromise on confirming federal judges was a striking reassertion of the power of the political center in a bitterly polarized environment, pulling the Senate back from the brink of a crisis that threatened to paralyze the institution and dramatically change its character, LA Times.

2005-05-23

Studien zum Einfluss von US-Bloggern mit verhaltenen Ergebnissen

--- Vom Pew Internet & American Life Project gibt es neue Studien zum Einfluss von Blogs und die so genannten Impact-Blogs. Da ist zum einen ein Report zum Einfluss des Internet allgemein und der Blogger auf die US-Präsidentschaftswahlen 2004: Did internet use make a difference in the 2004 presidential race? Yes. The most successful campaigns relied on it to gain advantages over their competitors. The numbers of adult Americans who relied on the internet to learn about the campaigns, to help make up their minds, to help others make up theirs, and to register and vote is simply too large relative to the final margin to think otherwise. Aus dem Report selbst: 24% say they went most often to get campaign news to candidate Web sites, sites that specialize in politics, issue-oriented Web sites, government Web sites, and a smattering of other sources such as blogs or non-mainstream news sites. So weit, so gut also.

Ein zweiter Pew-Report mit dem Titel Buzz, Blogs, and Beyond untersucht die "Macht der Blogs" genauer und kommt dabei zu recht vorsichtigen Schlussfolgerungen: A blog is a remarkably suitable place for buzz to form. A blogger can spark conversation with choice comments on documents drawn from the internet, and the conversation can build through the tools which make the blogosphere possible. But for a conversation to acquire the intense simultaneity of buzz, and for buzz to register with force in public affairs, requires a number of other factors to be present, few of which are likely to be at the disposal of a single blogger, or even a blogging collective, ready to activate at will. We are not ready to delineate those buzz and forceful buzz factors. We think that they have something to do with location within the mediascape (the general idea behind our blog-positioning hypothesis), and something to do with narrative fit as perceived by voices in all four channels, and as enacted by the players cast in the crucial roles (the general idea behind the notion of the incriminating meme in Rathergate). Noch könne man also nicht sagen, ob da eine neue "Fünfte Gewalt" in der Blogosphäre entsteht oder nicht.

Die New York Times geht anscheinend eher von der letzteren Hypothese aus: According to a preliminary study - the first rigorous look at the influence wielded by political blogs during the 2004 presidential campaign - bloggers are not always the kingmakers that pundits sometimes credit them with being. They can, it seems, exert a tremendous amount of influence - generate buzz, that is - but only under certain circumstances. ... To analyze Web log buzz, the study zeroed in on a few dozen political blogs, from left-leaning forums like Daily Kos and AmericaBlog to conservative ones like Instapundit and Power Line, as well as middle-of-the road sites like BuzzMachine and Wonkette. All were "filter blogs," or blogs that comment on - and link to - content found elsewhere on the Web, according to an emerging taxonomy of the form. BuzzMetrics tracked the frequency with which "buzz topics" - Mary Cheney, the Osama bin Laden tape and so forth - appeared in the last two months of the campaign, not just on blogs but also on other "channels": the mainstream media, official campaign statements and other Internet forums like newsgroups. ... on issues like Iraq, weapons of mass destruction or the military draft, the Pew study found the chatter profile to be mixed, with buzz originating from several information channels. In instances in which blogs took the lead, such as the mysterious bulge that appeared on President Bush's back during the first debate (a radio receiver, some liberal blogs posited), they were often unable to get other channels to follow. The CBS News scandal, in which the network based a critical report on President Bush on what turned out to be forged Vietnam-era documents relating to his National Guard days, was another story. In that case, the researchers suggest, the conditions for a broad-based scandal - and potent blog buzz - were ripe.

Sonst noch: U.S. Border Security at a Crossroads. Technology Problems Limit Effectiveness of US-VISIT Program to Screen Foreigners, Washington Post.

Schily will mehr Befugnisse für Geheimdienste Mehr zum ominösen Otto-Katalog III aus dem Spiegel. Und von der FDP eine erste ablehnende Reaktion zum geplanten "Gesetz zur Fortentwicklung der Terrorismusbekämpfung"

Netzeitung verlinkt die Blogosphäre. Die Netzeitung wird künftig Weblogs in einer eigenen Rubrik verlinken, natürlich aus der Netzeitung.

Neues zu Koranschändigungen in US-Gefägnissen

--- Obwohl Newsweek nach Druck der US-Regierung den Bericht über den in die Toilette gespülten Koran inzwischen zurückgezogen hat, verstummen die Meldungen über Koranschändigungen in US-Militärgefängnissen wie Guantanamo nicht. Das Internationale Roten Kreuz insbesondere hat die US-Regierung darauf hingewiesen, dass amerikanische Militaerangehoerige den Koran verunglimpft haetten. Die LA Times hat hier nachgelegt: An examination of hearing transcripts, court records and government documents, as well as interviews with former detainees, their lawyers, civil liberties groups and U.S. military personnel, reveals dozens of accusations involving the Koran, not only at Guantanamo, but also at American-run detention facilities in Afghanistan and Iraq. ... two years ago, amid allegations of desecration and hunger strikes by inmates, the Army instituted elaborate procedures for sensitive treatment of the Koran at the prison camp. Once the new procedures were in place, complaints there stopped, said the International Committee of the Red Cross, which monitors conditions in prisons and detention facilities. The allegations, both at Guantanamo Bay and elsewhere, contain detailed descriptions of what Muslim prisoners said was mishandling of the Koran — sometimes in a deliberately provocative manner. In one instance, an Iraqi detainee alleged that a soldier had a guard dog carry a copy of the Koran in its mouth. In another, guards at Guantanamo were said to have scrawled obscenities inside Korans. Other prisoners said Korans were kicked across floors, stomped on and thrown against walls. One said a soldier urinated on his copy, and others said guards ridiculed the religious text, declaring that Allah's words would not save detainees. Some of the alleged incidents appear to have been inadvertent or to have resulted from U.S. personnel's lack of understanding about how sensitive Muslim detainees might be to mishandling of the Koran. In several cases, for instance, copies were allegedly knocked about during scuffles with prisoners who refused to leave their cells. In other cases, the allegations seemed to describe instances of deliberate disrespect.

Dazu plagen die US-Regierung auch die wenig erbaulichen Fotos von Saddam Hussein fast nackt in seiner Gefängniszelle, die von Wächtern aufgenommen wurden und an die britische Boulevardpresse gelangten. Die Bilder haben in der arabischen Welt heftige Empörung ausgelöst. Und dazu auch noch Berichte über Gefangenenmissbrauch in Afghanistan.

Passend zum Thema auch: "Newsweek" verschärft Regeln für anonyme Quellen, ftd.de und Big News Media Join in Push to Limit Use of Unidentified Sources. Scott McClellan, the White House press secretary, added a new role to his portfolio last week: journalism professor, New York Times.

2005-05-22

Schröder will hinwerfen, fordert Neuwahlen

--- Dass es nicht gut steht um Rot-Grün, ist seit langem bekannt. Aber diese Mitteilung aus dem Kanzleramt überrascht denn doch: Schröder hat anscheinend die Nase voll, spielt beleidigt und will abdanken. Aufgehängt hat er die Forderung nach Neuwahlen nach dem Sieg von Schwarz-Gelb in NRW an der ausbleibenden Unterstützung für seine Agenda 2010 und die Reformen der Bundesregierung: Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Es geht darum, unser Land unter den besonderen Bedingungen der Überwindung der deutschen Teilung auf die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts auszurichten. ...Wir haben notwendige Schritte unternommen, die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfähig zu machen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu stärken. Dies sind unabdingbare Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. ... Für die aus meiner Sicht notwendige Fortführung der Reformen halte ich eine klare Unterstützung durch eine Mehrheit der Deutschen gerade jetzt für erforderlich. Deshalb betrachte ich es als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland als meine Pflicht und Verantwortung, darauf hinzuwirken, dass der Herr Bundespräsident von den Möglichkeiten des Grundgesetzes Gebrauch machen kann, um so rasch wie möglich, also realistischerweise für den Herbst dieses Jahres, Neuwahlen zum Deutschen Bundestag herbeizuführen. Das sitzt natürlich schon irgendwie: wenn ihr nicht wollt, dann vergnügt euch doch mit einer anderen Regierung. Laufen soll das ganze anscheinend über eine abgekartete Vertrauensfrage Schröders. Oder doch nur ein letztes Jokerspiel in der Hoffnung, doch noch mehr Unterstützung zu bekommen? Klar ist auf jeden Fall, dass Rot-Grün einfach nur mittelmäßig regiert hat, sich seit Monaten im freien Fall befindet, sich bei vielem nicht weit genug gewagt hat und vor allem auch im Bereich der Bürgerrechte einfach zu viele Kompromisse gemacht hat. Viel schlimmer kann es da mit Schwarz-Gelb auch nicht werden, denken anscheinend viele. Aber eine Kanzlerin Angela Merkel, kann man sich das wirklich vorstellen? Mehr zum Thema in Telepolis, Spiegel Online, FAZ.net, Netzeitung, ZDF.de etc.

2005-05-16

Newsweek, der Koran in der Toilettte und die US-Regierung

--- Ja, was denn nun? Erst berichtet Newsweek vergangene Woche, dass US-Gefangenenausfrager in Guantanamo den Koran auf Toilettendeckel gelegt und eines der Heiligen Bücher des Islams sogar hinuntergespült haben sollen. Die kurze Meldung soll mitschuld haben an Aufständen unter anderem in Afghanistan und in Pakistan. Nun distanziert sich das US-Magazin -- anscheinend nach heftigem Druck durch die US-Regierung sehr gewunden von dem Report: At NEWSWEEK, veteran investigative reporter Michael Isikoff's interest had been sparked by the release late last year of some internal FBI e-mails that painted a stark picture of prisoner abuse at Guantánamo. Isikoff knew that military investigators at Southern Command (which runs the Guantánamo prison) were looking into the allegations. So he called a longtime reliable source, a senior U.S. government official who was knowledgeable about the matter. The source told Isikoff that the report would include new details that were not in the FBI e-mails, including mention of flushing the Qur'an down a toilet. A SouthCom spokesman contacted by Isikoff declined to comment on an ongoing investigation, but NEWSWEEK National Security Correspondent John Barry, realizing the sensitivity of the story, provided a draft of the NEWSWEEK PERISCOPE item to a senior Defense official, asking, "Is this accurate or not?" The official challenged one aspect of the story: the suggestion that Maj. Gen. Geoffrey Miller, sent to Gitmo by the Pentagon in 2001 to oversee prisoner interrogation, might be held accountable for the abuses. Not true, said the official (the PERISCOPE draft was corrected to reflect that). But he was silent about the rest of the item. The official had not meant to mislead, but lacked detailed knowledge of the SouthCom report. Given all that has been reported about the treatment of detainees—including allegations that a female interrogator pretended to wipe her own menstrual blood on one prisoner—the reports of Qur'an desecration seemed shocking but not incredible. But to Muslims, defacing the Holy Book is especially heinous. ... similar reports from released detainees started surfacing in British and Russian news reports, and in the Arab news agency Al-Jazeera; claims by other released detainees have been covered in other media since then. But the NEWSWEEK report arrived at a particularly delicate moment in Afghan politics. ... On Friday night, Pentagon spokesman DiRita called NEWSWEEK to complain about the original PERISCOPE item. He said, "We pursue all credible allegations" of prisoner abuse, but insisted that the investigators had found none involving Qur'an desecration. ... Told of what the NEWSWEEK source said, DiRita exploded, "People are dead because of what this son of a bitch said. How could he be credible now?" ... In the meantime, as part of his ongoing reporting on the detainee-abuse story, Isikoff had contacted a New York defense lawyer, Marc Falkoff, who is representing 13 Yemeni detainees at Guantánamo. According to Falkoff's declassified notes, a mass-suicide attempt—when 23 detainees tried to hang or strangle themselves in August 2003—was triggered by a guard's dropping a Qur'an and stomping on it. One of Falkoff's clients told him, "Another detainee tried to kill himself after the guard took his Qur'an and threw it in the toilet." Also letztlich kein Rückzug der Story, sondern allenfalls eine Entschuldigung, und ein ausgeflippter Pentagon-Sprecher. Das letzte Wort dürfte da noch nicht gesprochen sein. Mehr zum Thema u.a. in der New York Times oder in Spiegel Online, in letzterem aber mit falschem Tenor ("zieht zurück").

Update: Newsweek hat die Story inzwischen doch noch ganz offiziell zurueckgezogen -- allerdings weiter aufgrund von Druck aus der US-Regierung. Eine ausführliche Beschreibung des Falls bei PressThink. Heftige Schelte für Newsweek in der FTD von Hans Wagner, Ex-Professor für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er fordert eine "Haftungspflicht für Journalisten".

Sonst: U.S. Is Warning North Koreans on Nuclear Test. The Bush administration warned North Korea that if it conducted a nuclear test, the U.S. would take unspecified punitive action, NYT.

Zurückhaltung nach Massaker in Usbekistan.Die Regierung sieht Islamisten hinter den Unruhen und hat Angst vor einem Export der Revolution aus Kirgisien, Telepolis.

2005-05-14

Terror-Evaluierung, Informationsfreiheit, Lauschangriff und Blog-Regulierung

--- Die Woche im Bundestag und Bundeskabinett war voll mit wichtigen Terminen: Zunächst entschloss sich Rot-Grün mal flugs, die Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes noch einmal von der Tagesordnung zu nehmen. Schuld ist eine total verspätete Eingabe der gesetzlichen Krankenkassen, hinter der man auch einen erneuten Generalangriff auf das Prestigeprojekt der Regierung sehen kann. Am Mittwoch stellte Schily dann seinen Evaluierungsbericht des Antiterrorpakets II vor und forderte mal wieder den Otto-Katalog III. Die Neuauflage des Großen Lauschangriff mit einem verbesserten Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung segnete Rot-Grün dann am Donnerstag in den abschließenden Lesungen ab. Die Union sah die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend im Sinne der Strafverfolgung genutzt, während die FDP genau das Gegenteil konstatiert und die akustische Wohnraumüberwachung noch weiter einschränken wollte. Wie schwarz-gelb da bei Bürgerrechtsfragen einmal zusammenfinden soll, bleibt schleierhaft. Darüber hinaus sorgt noch ein Entwurf der Regierung für ein Telemediengesetz für Aufregung, mit dem unter anderem im Zusammenspiel mit der gleichzeitigen Änderung des Rundfunkstaatsvertrags auch Bloggern verstärkte redaktionelle Prüfpflichten auferlegt werden könnten. Und natürlich soll auch in diesem Rahmen der Datenschutz mal wieder kräftig eingeschränkt werden. Aber der moderne sicherheitsbewusste Bürger nimmt's ja bekanntlich mit Gelassenheit.

Und sonst: Zukunftsplanungen bei der New York Times: Still, stark und stoisch. Auch unter Beschuss? No! The Times they are a-changing, Telepolis.

Die falsche Nummer 3 von al-Qaida. Selbst US-Präsident Bush freute sich über die Festnahme von al-Libbi als einem "wichtigen Sieg im Krieg gegen den Terror", wahrscheinlich aber handelt es sich um ein bezeichnendes Missverständnis, Telepolis.

'Milbloggers' are typing their place in history, USA Today.

Afghan Protests Spread. Eight More Killed In Anti-U.S. Riots, Washington Post.

Dieser Schnappschuß hat mich gekillt". Nach dem Rücktritt von Peter Gloystein ist die Bremer Koalition um Schadensbegrenzung bemüht, Die Welt (s. a. Macht der Bilder in der taz und Fotos/Video bei heute online).

Offenbar "Hunderte von Toten" in Usbekistan. In Usbekistan hat es bei den anhaltenden Auseinandersetzungen offenbar deutlich mehr Tote gegeben als bisher angenommen, heute online.

2005-05-08

Kommerzielle Blogimperien - Top oder Flop?

--- Die Bloggerszene ist ja am liebsten nach wie vor mit sich selbst beschäftigt und wird mit der Nabelschau heute mal wieder tüchtig von der New York Times unterstützt. Die grey old lady widmet sich -- wie schon so manches größere Printprodukt zuvor -- dem "Blogger-Imperium" Nick Dentons, das nach dem New Yorker City-Vorzeigeblog Gawker benannt ist. Denton ist demnach ziemlich abgeturnt vom ganzen Bloggerhype, weil er lieber sein bisschen Geld damit in Ruhe machen will: Don't ask Nick Denton, publisher of Gawker Media and its growing list of popular Web logs, about his empire. "People come up to me as if it's witty and say, 'How is the empire going?' " Mr. Denton said, "which is pretty pathetic." Don't ask him about his business plan, either. He says he never had one. The only reason he formed the company, he said, was to make his network of blogs - which includes Gawker, the flagship chronicle of Manhattan news and gossip; Fleshbot, the thinking person's diary of smut; and about 10 other titles - more attractive to advertisers. ... "The hype comes from unemployed or partially employed marketing professionals and people who never made it as journalists wanting to believe," he said. "They want to believe there's going to be this new revolution and their lives are going to be changed." For all of the stiff-arming and disdain that Mr. Denton brings to the discussion of this nonrevolution, however, there is no question that he and his team are trying to turn the online diarist's form - ephemeral, fast-paced and scathingly opinionated - into a viable, if not lucrative, enterprise. Big advertisers like Audi, Nike and General Electric have all vied for eyeballs on Gawker's blogs, which Mr. Denton describes as sexy, irreverent, a tad elitist and unabashedly coastal. He says that there is no magic behind Gawker Media, his three-year-old venture based in New York. To his mind, it is built around a basic publishing model. But like it or not in the overheated atmosphere of blog-o-mania, Mr. Denton, 38, remains one of the most watched entrepreneurs in the business. ... a published interview with Mr. Steele earlier this year provides some insight. Bloggers are paid a set rate of $2,500 a month, he told a digital journalism class at New York University taught by Patrick Phillips, the editor and founder of I Want Media, a Web site focusing on media news. When asked in the class if the company was in the black, his response was straightforward. "It is profitable," Mr. Steele said. ... others have begun to wonder if the brand itself is a form of compromise. Stowe Boyd, president of Corante, a daily online news digest on the technology sector, suggests that there may be something lost when networks like Gawker Media and Weblogs turn blogs into commodities, churned out for a fee, owned by an overlord and underwritten by advertisers. "They're pursuing a very clear agenda and they've done very well with that," Mr. Boyd said of Gawker. "But they're just an old media company in new media clothes, and I still maintain that they are missing part of the point." The point, Mr. Boyd said, is that blogging is unique because of its spontaneity and individualism, and that bloggers, like dancers and sculptors, are most interesting because they are "pursuing their muse." ... "If you take the amount of attention that has been devoted in the last year to Web logs as a business and something that's going to change business and compare that with the real effect and the real money, it's totally disproportionate," Mr. Denton said, "in the same way all the coverage of the Internet in the late 90's was out of whack. "There are too many people looking at blogs as being some magic bullet for every company's marketing problem, and they're not," he added. "It's Internet media. It's just the latest iteration of Internet media."

Auch noch: Die US-Regierung hat Milliarden beim Terrorschutz zum Fenster hinausgeschmissen: U.S. to Spend Billions More to Alter Security Systems. After spending more than $4.5 billion on screening devices to monitor the nation's ports, borders, airports, mail and air, the federal government is moving to replace or alter much of the antiterrorism equipment, concluding that it is ineffective, unreliable or too expensive to operate, New York Times.

Erst lesen, dann schreiben. Seymour Hersh erklärt in Hamburg, was Journalismus sein kann, Telepolis.

Schily trommelt weiter für sein Anti-Terrorpaket III, dieses mal hübsch verpackt über die Bild am Sonntag: in einem Interview über die Kapitulation Deutschlands vor 60 Jahren fordert der Innenminister nun schon wieder die Kapitulation des Rechtsstaates mit seiner Forderung nach einer "präventiven" Geheimdienstaufklärungsarbeit durch das BKA.

Wer schützt Bin Laden? Pakistanische Politiker feiern die Verhaftung des Al-Qaida-Funktionärs Abu Faradsch Al-Liby als "Durchbruch". Doch dessen Chef ist noch immer frei - weil er aus höchsten Kreisen protegiert wird, WAMS.

Bush fordert von Putin mehr Respekt für die Demokratie. Spannungen zwischen Rußland und den USA vor Moskauer Feiern zum Kriegsende, WAMS.

U.S. Cites Signs of Korean Steps to Nuclear Test. The U.S. is monitoring satellite photographs of North Korea
that appear to show preparations for a nuclear weapons test, NYT. Zum selben Thema auch die LA Times: N. Korea Closes In on Atomic Fait Accompli. As North Korea accelerates the pace of its nuclear weapons program, the United States and its allies have limited options to prevent one of the world's poorest and most erratic nations from becoming a nuclear power.

Neuer US-Botschafter für Berlin.William Robert Timken soll Daniel Coats nach Deutschland folgen. Zu W.R Timkens "Ranger"-Erfolgsgeschichte als Bush-Unterstützer siehe auch einen Eintrag beim Leftcoaster.

License to Kill: Der US-Marine, der in Falludscha einen Wehrlosen erschoss und dabei gefilmt wurde, wird nicht angeklagt.

Ratzinger in Aktion (Auswirkingen noch aus seiner Vor-Benedikt-Zeit): Vatican Is Said to Force Jesuit Off Magazine. The Vatican ordered the editor of the Catholic magazine America to resign because of articles critical of the church, NYT.

Ein Bericht aus einem US-Terrorsimulationszentrum: New Mexico Plays Home To Terror Town, U.S.A. Simulated Attacks Prepare for Worst, Washington Post.

Larger Special Operations Role Being Urged on Marines. Corps Plans New Force of Foreign Military Training Units but Balks at Ceding Its Elite Teams, Washington Post.

Al-Dschasira macht Werbung für Bushs "Reformkurs" im Mittleren Osten: Al-Jazeera Puts Focus on Reform. Mideast Coverage by Network Reviled in Washington Is Boon for Bush, Washington Post.

2005-05-05

Die SPD, die Kapitalisten und die Heuschrecken

--- Man hat es nicht leicht, als General einer großen, aber mit dem Umbau von der Industrie- zur Wissensgesellschaft noch nicht ganz fertig werdenden "Arbeiterpartei". So erregt Münte zwar momentan zumindest Aufmerksamkeit mit seiner Kapitalismusdebatte und den Schwarzen Listen von Heuschrecken. Doch mit den bemühten Vergleichen schoß der SPD-Führer übers Ziel hinaus, erntete Proteste bei jüdischen Forschern, die sich an die Nazi-Metaphorik erinnert fühlten. Die Schlacht der Worte ist so seit über einer Woche groß im Gange.. Inzwischen haben auch internationale Medien die Spur aufgenommen. So etwa heute die New York Times, der zufolge die Schelte nicht immer die Richtigen trifft: Karl-Heinz Stiller might have felt entitled to a victory lap, right about now. His company, Wincor Nixdorf, has completed a grueling five-year run during which it was sold to demanding American private equity investors, rebuilt from the ground up, and taken public in Germany's first major stock offering since 2001, after the Internet bubble burst. Not only did Wincor Nixforf survive, but it thrived. ... But last week, Mr. Stiller was startled to find that his company had won notoriety of a different sort, when its name - and those of its former investors, Kohlberg Kravis Roberts & Company, the leveraged buyout firm, and Goldman Sachs - turned up on a so-called locust list. This internal report, prepared by Parliament researchers for Germany's governing Social Democratic Party and leaked to the press, named Kohlberg Kravis, Goldman Sachs, and other American and British firms as foreigners who have plundered German assets, laid off workers or been just plain greedy. Earlier, the party's chairman, Franz Müntefering, told the German tabloid Bild that such investors "stay anonymous, have no face, fall upon companies like locusts, devour them and move on." ... In Germany, the antiforeign sentiment these days is stoked by the convergence of three trends: a flood of private equity money into the country; the extended weakness of the nation's economy, which feeds fear that German jobs are leaching out of the country; and the fading fortunes of the Social Democratic Party and its leader, Chancellor Gerhard Schröder. Aber immerhin: die US-Investoren sackten insgesamt 974 Millionen US-Dollar ein bei dem Deal und verdreifachten ihren Einsatz nach dem Börsengang von Wincor Nixdorf.

Der Economist beschäftigt sich ebenfalls mit Münteferings Vor-NRW-Wahl-Kreuzzug gegen die bösen Globalisierer, Jobschlächter und Abkassierer: it has actually touched a deep national nerve. This has to do with the painful transition that Germany is making from a social market economy, in which firms and services were supposed, at least publicly, to be run by consensus for the “general good”, to the starker mechanisms of the market and shareholder value. Competition from abroad, and especially from new EU members in central Europe, is driving this change in part. But the biggest factor is Germany’s persistent economic malaise. ... The public are angered by the fact that big German companies are beginning to make record profits again, after three bad years, and have achieved that by cutting costs, particularly their wage bills, and by reducing investment, especially in Germany. Last year the 24 top industrial companies reduced their investment in Germany by 20%, and worldwide by 10%, according to Handelsblatt, a business daily. At the same time they increased their dividends and payouts to shareholders by 40%. So there is an impression that companies are rewarding their owners, but not cosseting their workforce as they did in the past—they are, in other words, adopting an increasingly Anglo-Saxon approach. The debate raging in Germany is about whether the country is quite ready for this kind of capitalism rather than the more socially oriented Rhineland variety that is ailing, but not quite buried. Mr Müntefering is clear where he stands: “We want social market economy, not market economy pure.” Ein fast schon romantischer Ansatz in diesen Tagen?

Und sonst: Top Al Qaeda Figure Is Held in Pakistan. Abu Faraj al-Libbi, a Libyan, was seized with three other men after a shootout Saturday in the town of Mardan, about 40 miles northeast of the city of Peshawar, Pakistani and U.S. officials said, Washington Post

The Bush presidency: A pretty sticky first 100 days. Hardly a triumph. But don't count George Bush out just yet, The Economist.

Unbedingt lesen: Lautsprecher des Kapitals. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft streitet für die Freiheit der Unternehmen. Sie ist so erfolgreich, dass selbst ihre Gegner sie schon nachahmen, Die Zeit.

Bloggermeinungen zu Röbels "Geniestreich", dem käuflichen "Gegendarstellungsportal" fairpress.biz: Ein fairer Deal? im Dienstraum, Blogartiges "Rechtfertigungs-Portal" beim Netzjournalist, Vampire der Journallie bei ITW und Copykill & “Presserecht”? im Medienrauschen.

15. Internationaler Tag der Pressefreiheit. Die Bilanz zum Welttag der Pressefreiheit fällt ernüchternd aus: Allein seit Jahresbeginn kamen nach Zahlen von "Reporter ohne Grenzen" 22 Journalisten wegen oder während ihrer Arbeit ums Leben, 103 sitzen derzeit hinter Gittern, heise online.

2005-05-02

Initiative LobbyControl startet mit Weblog

--- Seit heute ist das Blog LobbyControl am Start. Aus der Pressemitteilung der Macher: Ab und zu werfen einzelne Affären - wie die Nebeneinkünfte von Abgeordneten - Schlaglichter in die Grauzonen politischer Einflussnahme. Aber es gibt zu wenig kontinuierliche und systematische Aufklärung. Hier setzt LobbyControl an. Die Webseite berichtet über Denkfabriken und wirtschaftsnahe Kampagnen, die Tricks der PR-Agenturen, über Netzwerke und Lobbygruppen. Ein Fokus wird in den nächsten Monaten die Debatte um Lobbying und Transparenz auf europäischer Ebene sein. Die europäische Kommission hat dazu eine European Transparency Initiative ausgerufen, die in Deutschland noch wenig Beachtung gefunden hat. ... In den nächsten Monaten soll LobbyControl zu einer sogenannten "Watchdog"-Organisation ausgebaut werden, die Missstände aktiv bekämpft und eine offene und transparente Demokratie fördert. LobbyControl will Impulse liefern für mehr Transparenz und eine demokratische Kontrolle der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit. LobbyControl erhält eine Anschubfinanzierung durch die Bewegungsstiftung. ... Ausgangspunkt der Initiative ist der Kongress "Gesteuerte Demokratie? Wie neoliberale Eliten die Politik beeinflussen", der letztes Jahr in Frankfurt stattfand. Da hat sich ja jemand viel vorgenommen, was hoffentlich viele neue Aufschlüsse auch für das Feld Spindoktorei bringt. Die Testeinträge im Blog sind allerdings noch wenig aussagekräftig. Bei all der geforderten Transparenz vermisse ich auch noch ein wenig mehr Hintergründe über die Macher des Blogs.

Und sonst: Folter-Prozess: Das Gesicht von Abu Ghraib Seit sieben Monaten ist sie Mutter. Doch nun ist die Schonfrist für Lynndie England abgelaufen: In den USA beginnt der Prozess gegen die junge Gefreite, Süddeutsche Zeitung.

Kommunikationsprobleme beim US-Militär. Der volle Text des vom Pentagon stark geschwärzten Berichts über den Vorfall, bei dem der italienische Agent Calipari getötet und die Journalistin Sgrena verletzt wurde, verrät einige interessante Einzelheiten, Telepolis.

Media Crime & Punishment. Has journalism become an ethical cesspool, or just been forced to adopt greater standards of cleanliness? Washington Post.

Newspaper Circulation Continues Decline, Forcing Tough Decisions. The newspaper industry, already suffering from circulation problems, could be looking at its worst numbers in more than a decade, Wall Street Journal.

Direkt passend dazu bei Spiegel Online: Flaggschiff in der Flaute. Krise beim Hausblatt der US-Börsen: Das "Wall Street Journal" fährt immer höhere Verluste ein. Nun gehen die Anteilseigner auf die Barrikaden. Empörte Aktionäre wollen die Macht des mächtigen Eigentümer-Clans Bancroft brechen und fordern den Verkauf des Mutterverlags Dow Jones & Co.

CNN on the Spam Attack?Is CNN spamming bloggers critical of the network in an attempt to lower their page ranks? Or is the network trying to generate buzz for new shows? One blogger thinks CNN's up to something tricky on the net, Wired News.

2005-05-01

Terrordrohungen vs. USA auf Tiefstand

--- Ständig werden aus politischem Kalkül Terrorängste geschürt, doch zumindest in den USA haben die ernsthaften Warnungen vor Anschlägen einen Tiefstand erreicht, berichtet die Washington Post: Reports of credible terrorist threats against the United States are at their lowest level since the attacks of Sept. 11, 2001, according to U.S. intelligence officials and federal and state law enforcement authorities. The intelligence community's daily threat assessment, developed after the terrorist attacks to keep policymakers informed, currently lists, on average, 25 to 50 percent fewer threats against domestic targets than it typically did over the past two years, said one senior counterterrorism official. A broad cross section of counterterrorism officials believes al Qaeda and like-minded groups, in part frustrated by increased U.S. security measures, are focusing instead on Americans deployed in Iraq, where the groups operate with relative impunity, and on Europe. Though some are expressing caution and even skepticism, interviews last week with 25 current or recently retired officials also cited progress in counterterrorism operations abroad and a more experienced homeland security apparatus for a general feeling that it is more difficult for terrorists to operate undetected. The officials represent federal intelligence and law enforcement agencies, state and local homeland security departments and the private sector. "We are breathing easier," said U.S. Capitol Police Chief Terrance W. Gainer, whose officers guard one of al Qaeda's expressed targets, and who is regularly briefed by the FBI and CIA. "The imminence of a threat seems to have diminished. We're just not as worried as we were a year ago, but we certainly are as vigilant." ... But some intelligence analysts caution that the drop-off in terrorist-related planning, communication and movement could be a tactical pause by al Qaeda and related terrorist groups. No one suggests the threat has gone away.

Sonst noch interessant: Bolton's a Tough Guy With a Cause. When John R. Bolton charged into the State Department in 2001 as President Bush's top arms control official, he thought of himself as a loyal Republican soldier on a mission into hostile political territory, according to friends and colleagues, LA Times.

N. Korea Lashes Out at 'Hooligan' Bush. North Korea appeared to slam the door on a diplomatic solution to its nuclear impasse with the Bush administration in a sharply worded denunciation Saturday, calling the president a "philistine" and a "hooligan" with whom it could not negotiate, LA Times.

Zur Debatte um "Impact Blogs": At Los Alamos, Blogging Their Discontent. A blog rebellion among scientists and engineers at Los Alamos, the federal government's premier nuclear weapons laboratory, is threatening to end the tenure of its director, G. Peter Nanos, New York Times.