2005-06-12

CSU-Fraktionsspitze entdeckt den Datenschutz

--- Es geschehen noch Zeichen und Wunder: Sogar die CSU hat inzwischen bemerkt, dass man es mit der Inneren Sicherheit etwas übertrieben hat. Die Beckstein-Partei entdeckt gerade zumindest im Fraktionsvorsitz den Datenschutz neu:
Der CSU-Fraktionschef im Landtag, Joachim Herrmann, hat von seiner Partei Korrekturen in der Datenschutzpolitik gefordert. Man müsse wegkommen vom Schlagwort „Datenschutz ist Täterschutz“. Wer auschließlich so argumentiere, mache jede vernünftige Diskussion zu diesem äußerst differenzierten Thema unmöglich, sagte Herrmann bei einer Podiumsveranstaltung in München. Zwar werde die CSU auch weiterhin „Garant der Inneren Sicherheit in Bayern“ sein, doch dürften die Terrorismusabwehr und die Kriminalitätsbekämpfung „kein Freibrief zum Datensammeln“ sein. ... Herrmann betonte, dass der Staat nicht nur eine Verantwortung für die Sicherheit seiner Bürger habe, sondern auch für ihre Freiheit. „Der Bürger darf nicht unter einen Generalverdacht gestellt werden“, sagte Herrmann. Im Zweifel müsse für die Freiheit entschieden werden. Herrmann mahnte nicht nur den sensiblem Umgang des Staates mit personenbezogenen Daten an, sondern auch den der privaten Wirtschaft. „Beim Datensammeln wird von Unternehmen oft das Maß des Notwendigen überschritten“, erklärte der CSU-Fraktionschef. Über die millionenfach in Umlauf befindlichen Rabatt- und Kundenkarten würden unzählige persönliche Daten gespeichert. Er regte an, personenbezogene Daten ähnlich den Verjährungsvorschriften mit einem Verfallsdatum zu versehen.
Anscheinend will Herrmann mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und dem Bundesdatenschutzbeauftragten konkurrieren. Auf jeden Fall mal ganz andere Töne aus dem Süden der Republik als der ständige Ruf nach der Erweiterung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden.

Passend dazu: Selbst einigen Republikanern geht die vom US-Senat geplante Erweiterung des Patriot Act zu weit: Patriot Act Push Angers Some on Right. A Senate panel vote riles conservatives concerned about the reach of federal power, LA Times.

Und inzwischen hat auch die Washington Post das Downing Street Memo entdeckt, zimmert sich daraus aber einen etwas ungewöhnlichen Aufhänger zurecht: Memo: U.S. Lacked Full Postwar Iraq Plan. Advisers to Blair Predicted Instability. Update: gerade gesehen: die Times hat noch ein anderes Memo aus 2002 ("Iraq: Conditions for Military Action") bekommen, um das es insbesondere in der WaPo ging. Da kommt man ja ganz durcheinander bei der ganzen Memo-Flut aus dem Blair-Stall. Mehr dazu in Telepolis.

Ebenfalls aus der WaPo: Dean Urges Appeal to Moral Values. DNC Chairman Calls for Democrats to Adopt GOP's Language to Woo Voters.

Wohl nicht ganz der große Wurf: Joschkas Welt. Es ist ein besonderes Zeitzeugnis: In seinem neuen Buch erläutert der deutsche Außenminister Joschka Fischer die politischen Umwälzungen nach dem 11. September. Titel: "Die Rückkehr der Geschichte", FTD.

Immer hübsch den Macker markieren: Schröder plädiert für einen starken Staat. Bundeskanzler Gerhard Schröder will am Montag mit einem Bekenntnis zu einem starken Staat und scharfen Angriffen auf die Wirtschaftspolitik der Union erstmals inhaltlich in den Wahlkampf eingreifen, FTD.