2005-08-12

Angst vor dem Springer-Moloch und der schwarzen Republik

--- Die Zeit widmet ihr Dossier diese Woche der geplanten enormen Vergrößerung des Springer-Imperiums durch den vor einer guten Woche angekündigten Wunsch zur Übernahme von ProSiebenSat1. Dabei geht es viel um die Bild-Zeitung, die alten Kirch-Zeiten und Medienmacht allgemein:
Es ist ein Geschäft, das die Reichweite, die wirtschaftliche Basis und die publizistische Macht des Springer-Konzerns immens erweitern wird. Im vergangenen Jahr hat die größte private Senderfamilie, bestehend aus ProSieben, Sat.1, kabel eins, N24 und 9Live durchschnittlich 21,8 Prozent aller deutschen Zuschauer erreicht. Auf dem Werbemarkt ist dieses Publikum so wertvoll, dass die Sendergruppe bei den Werbeeinnahmen seit langem an der Spitze liegt, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres fast 45 Prozent aller TV-Werbegelder abschöpfen konnte. Der Umsatz des TV-Unternehmens lag im vergangenen Jahr bei 1,8 Milliarden Euro, der Jahresüberschuss bei 133 Millionen. Ausgerechnet Springer! Der Name allein ist ein Reizwort seit mehr als 40 Jahren. ... Springer ist nicht Hugenberg, doch der neue Medienriese verbreitet Furcht und Unbehagen. Die wichtigen Fragen lauten: Wird Springer das neue Herrschaftsgebilde straff führen und im Sinne einer konservativen Politik einsetzen? Werden die Themen des »Leitmediums« Bild nach einer Übergangszeit an die Fernsehsender generalstabsmäßig weitergereicht? So, als seien alle Medien des Konzerns »eine Großfamilie«, wie die konservative Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vermutet, »wenn einer angegriffen wird, fühlen sich alle angegriffen«? »Diese Konzentration ist nicht gut für das Land«, sagt einer, der es wissen muss. Medienmanager Jürgen Richter kennt den Verlag von innen. Er führte den Springer-Konzern von 1994 bis 1998 als Vorstandschef, bis er das Haus im Streit verlassen musste. Über seine Nachfolger urteilt er: »Die wollen eine andere Republik, eine schwarze Republik. Deren Behauptung, das sei nicht der Fall, glaube ich nicht.« ... In der Demokratie geht alle Macht vom Volke aus, bei Bild vom so genannten Balken, jenen Tischen, an denen die leitenden Redakteure des Blattes jeden Tag die Welt erfinden und erklären. ... Kritiker wie Udo Röbel, Bild-Chefredakteur von 1998 bis Ende 2000, sieht eher wirtschaftliche Ambitionen als politisches Machtstreben bei Springer. Die Generation, die jetzt im Unternehmen das Sagen hat, nennt Röbel »die Winner-Generation«: um die 40 oder knapp darüber, zwar irgendwie konservativ, aber nicht ideologisch. Nicht um eine Mission gehe es Leuten wie Diekmann, sondern darum, »zu zeigen, wer die Kerle mit den dicksten Muskeln sind«. Außerdem glaube er nicht, »dass diese Leute Sendungsbewusstsein haben. Die wollen mitspielen, die sehen das als große Spielwiese. Döpfner gefällt sich als Global Player.«
Wie man es auch nimmt, als große Bedrohung der publizistischen Vielfalt oder als "reine" Wirtschaftsstory, in der Haut des Kartellamt-Chefs möchte ich momentan nicht stecken.

Ebenfalls in der Zeit - Berlusconi Revisited: Silvio und die Chinesen. Deutsche Verhältnisse in Italien: Das Land steckt in einer tiefen Krise. Ein Lagebericht aus dem Veneto.

Enttäuschung über Politiker-Blogs: Noch keine Bereicherung der Blogosphäre und Wenn Politiker bloggen gehen... Und trotzdem: Die grüne Spitze will nun doch auch noch bloggen, doch das Blog wird gleich mal gewartet.

Medienwirklichkeiten: Wikipedia-Gründer Jimmy Wales wehrt sich gegen die Verhunzung einer Äußerung von ihm zum angeblichen "Einfrieren von Artikeln" durch die Süddeutsche Zeitung und Reuters.

Transfers im Auge behalten: Vorsicht bei Zwischenlandung in den USA. Ausländer, die auf internationalen Flügen in den USA umsteigen müssen, haben praktisch keine Rechte und müssen mit Übergriffen bis hin zur (leichten) Folter rechnen.

Noch immer keine "Exit-Strategie" beim Irak-Abenteuer: In Iraq, No Clear Finish Line. The Bush administration has sent seemingly conflicting signals in recent days over the duration of the U.S. deployment to Iraq, openly discussing contingency plans to withdraw as many as 30,000 of 138,000 troops by spring, then cautioning against expectations of any early pullout.

Fehlt im Osten die Zivilgesellschaft? Das andere Deutschland. Das Problem: Edmund Stoiber hat es im Osten mit Menschen zu tun, die er politisch nicht einschätzen kann. Warum der Ostwähler dem Westen ein Rätsel bleibt.