2005-09-13

BKA: Angriff auf die Pressefreiheit

--- Man muss sich schon wundern, in welcher Scheindemokratie wir hier leben: da zitiert ein Journalist aus einem ihm zugeflatterten Papier des BKA -- und schon hat er die Beamten desselben im Haus und in der Redaktion, als ob er ein Verbrechen begangen hätte. Journalistenverbände sind zurecht empört:
Fahnder der Staatsanwaltschaft Potsdam durchsuchten gestern die Räume des Politikmagazins "Cicero". Anlass war ein Artikel, in dem aus vertraulichen Akten des Bundeskriminalamts zitiert wurde. Journalistenverbände sprechen von einem Angriff auf die Pressefreiheit. Montagmorgen, Berliner Straße 89 in Potsdam: Plötzlich stehen ein Dutzend Vertreter von Staatsanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA) im Flur der Redaktion des Politikmagazins "Cicero". Sie durchsuchen die Büros, füllen Kartons mit Unterlagen und bringen den Redaktionsbetrieb für einen halben Tag zum Erliegen. ... Chefredakteur Wolfram Weimer. ... "Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut. Wir werden unsere Autoren und Informanten schützen." "Unser Autor", das ist in diesem Fall Bruno Schirra, Reporter für den Nahen und Mittleren Osten. Seit Jahren bereist der ehemalige "ZEIT"-Redakteur die Region und recherchiert unter anderem über die Hintergründe des Terrorismus. Anfang der Woche wurde auch seine Wohnung in Berlin durchsucht. Der Grund: In der April-Ausgabe von "Cicero" erschien ein Artikel von Schirra, in dem er den Aufstieg von Abu Mussab al-Sarkawi beschreibt. Sarkawi, der "Kronprinz Osama Bin Ladens", ist nach Einschätzung des jordanischen Geheimdienstes der "gefährlichste Mann der Welt". Ein Terrorist, der auch die deutschen Ermittlungsbehörden beschäftigt. Schirra zitiert in seinem Bericht aus Akten des BKA, die den Vermerk "VS - nur für den Dienstgebrauch" tragen. Auf 125 Seiten haben die Ermittler des BKA den Werdegang des Topterroristen verfolgt. "Nach hiesiger Einschätzung wird Sarkawi als Führer eines eigenständigen, autonom arbeitenden terroristischen Netzwerks gesehen", folgern sie. Interessant nur, dass die Veröffentlichung der Interna im April niemanden gestört hat. Das BKA wusste wohl, dass es gegen den Journalisten Schirra nur unter speziellen Umständen vorgehen kann. Wenn ein Informant vertrauliche Dokumente an eine Redaktion weitergibt, kann sie diese bedenkenlos verwenden. Brisant wird der Fall nur, wenn während dieses Vorgangs eine Straftat begangen wurde oder wenn die Veröffentlichung den Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik widerspricht. Von letzterem geht das BKA wohl nicht aus; nach Informationen der "Potsdamer Neuesten Nachrichten" wurden weder Chefredakteur Weimer noch Autor Schirra verhört. Eine Anzeige war für die Durchsuchung ebenfalls nicht notwendig, für solche Aktionen reicht bereits der Beschluss eines Amtsgerichts. Die Ermittler versuchen, über Schirra an den Informanten aus den eigenen Reihen heranzukommen - und treten dabei die Pressefreiheit mit Füßen.
Ups: grad erst gesehen, dass Daniel das auch schon gepostet hat. Aber doppelt gemoppelt hält ja bekanntlich besser.

Und sonst: Die CSU spamt. (Update: Der entsprechende Blog-Eintrag bei der CSU war zeitweilig nicht mehr zugänglich, jetzt ist er aber samt seiner hübschen Kommetare wieder erreichbar). Aber bald ist es ja vorbei mit dem Wahlkrampf, zum Glück: Schlafe, mein Wähler, schlaf ein. Der exzessive TV-Wahlkampf fordert bei Protagonisten und Publikum seinen Tribut. Und erwartungsgemäß geht es bei den Umfragen wieder rauf und runter, dieses Mal muss Schröder eher Federn lassen.

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2 Comments:

At 9:32 AM, Anonymous Anonym said...

das ist doch stuss. cicero ist doch eher ein gehobenes revolverblatt (mit dem üblichen offiziellen spin) im edeldesign für das sog. bildungsbürgertum.
die ganze aktion wirkt, als ob mit der razzia, die bedeutung eines Sarkawi glaubhaft gemacht werden soll bzw. sein vorhandesein.
schirra schreibt auch für die welt und ist von der evang. journalistenschule. entsprechend sind seine artikel ...

 
At 11:39 AM, Anonymous Anonym said...

Da scheint ja ein handfester BKA-Skandal hinterzustecken:
http://www.welt.de/data/2005/09/16/776404.html

 

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