2005-10-01

Der Fall Judith Miller: Heroin der Pressefreiheit?

--- Der Fall Judith Miller gibt zahlreiche Rätsel auf. Wir erinnern uns: Die Autorin der New York Times, die während des Irak-Kriegs weitgehend unkritisch Regierungspropaganda zu angeblichen mobilen Waffenlabors etc. wiedergegeben und gehypt hatte, weigerte sich in der undurchsichtigen Affäre der Enttarnung der CIA-Agentin Valerie Plame (Gattin des ehemaligen Botschafters Joseph Wilson) auszusagen und kam daher in den Ruf, die Pressefreiheit gegenüber dem willkürlichen Richter und der von Spindoktoren durchsetzen US-Regierung aufrecht zu erhalten. Nun wurde die Redakteurin aber am Donnerstagabend überraschend freigelassen, angeblich, weil ihr Lewis "Scooter" Libby, der Bürochef von US-Vize Dick Cheney, noch einmal ausdrücklich einen Freibrief zur Aussage gegeben haben soll. Doch den gab es angeblich schon, bevor Miller ins Gefängnis einzog. Nun wird viel darüber spekuliert, ob Miller, die ja interessanterweise nie einen Artikel über die Plame-Affäre veröffentlichte, noch eine oder mehrere andere Quellen hatte und diese decken wollte. Ein paar Punkte aus einem Artikel der Washington Post:
Miller, 57, has been jailed for contempt of court since July 6 for refusing to testify about conversations with news sources. She was released from the Alexandria Detention Center shortly after 4 p.m. yesterday after her attorney Robert S. Bennett reached an agreement on her testimony with special prosecutor Patrick J. Fitzgerald, according to two lawyers familiar with the case. ... Joseph Tate, an attorney for Libby, said yesterday that he told Miller attorney Floyd Abrams a year ago that Libby's waiver was voluntary and that Miller was free to testify. He said last night that he was contacted by Bennett several weeks ago, and was surprised to learn that Miller had not accepted that representation as authorization to speak with prosecutors. ... In recent weeks, people close to Miller said her attorneys grew anxious that Fitzgerald would extend her time behind bars. Fitzgerald has the authority to extend the grand jury investigating possible leaks for another 18 months, and he could ask the judge to hold Miller in jail for six more months, lawyers familiar with the case said. Miller's role had been one of the great mysteries in the leak probe. It is unclear why she emerged as a central figure in the probe despite not writing a story about the case.
In der Blogosphäre brodelt derweil die Gerüchteküche, etwa im konservativen Powerblog. Die wenig euphorischen Reaktionen von US-Bloggern hat Slate zusammengefasst. Auch liberale Journal-Betreiber sind wenig erbaut über den Fall, fragen sich, ob alles etwa nur ein Missverständnis war, und fordern eine komplette Aufklärung durch die New York Times (was wohl ein wenig naiv ist, wie die bisherigen heutigen, eher auf Fehlkommunikationen hinweisenden Erklärungen des Blattes schon zeigen). Insgesamt wird an der ganzen Geschichte ein sehr fahler Beigeschmack über die Verstrickungen von Reportern und dem Weißen Haus und dem Spin drum herum haften bleiben.

Update: Mehr zum Thema jetzt auch in Telepolis und PressThink. Die New York Times hat derweil eine Art schmachtenden Liebesbrief von Libby an Miller veröffentlicht, den ihr dieser ins Gefängnis schrieb. Wundervoll poetisch.

Und sonst: Die CSU liebt Angie nicht mehr.

Der umstrittene John Roberts ist als Oberster Bundesrichter am Supreme Court bestätigt worden.

"Fortschritte" im Irak: immerhin eine einzige irakische Division konnte die US-Armee schon schulen. Bei der Huffington Post wundert man sich ansonsten auch darüber, wie viele Nummer Zweis und Dreis von Al-Qaida im Irak es gibt, angesichts der jüngsten Erfolgsmeldung der US-Militärführung.

"Reverse Shovelware": Citizen News füllen eine Print-Zeitung in Missouri.

Blogs und RSS werden häufiger rezipiert in den USA: Ten percent of consumers read blogs once a week or more, according to Forrester, up from half that in 2004. And use of RSS, the research company claims, tripled in the same period, from 2 percent to 6 percent.

Jay Rosen berichtet über ein Gipfeltreffen von Vertretern der Massenmedien mit bekannten US-Bloggern: Some Bloggers Meet the Bosses From Big Media

Einblicke in die Mentalität von Selbstmordattentätern: Im Paradies sind alle tot.

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1 Comments:

At 12:10 PM, Blogger Nat said...

Ich denke, sie selbst hält sich für eine "Heroin der Pressefreiheit" (und dadurch der ganze Hype). Mehr dazu hier:

http://www.theunderweb.ch/underradar/2005/10/die-prinzipien-von-judy-miller.html

 

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