2006-01-27

"Erschütternde Bilder" von den deutschen Entführten

--- Der erneute Fall einer Entführung von Deutschen im Irak hält die Medien und die Bundesregierung im Trab. Al-Dschasira hat ein Video gezeigt, in dem die beiden Ostdeutschen um Hilfe durch die Bundesregierung bitten: The two German engineers, who disappeared in northern Iraq on Tuesday, were shown on their knees in front of four kidnappers on the video shown by the television station on Friday. The tape was dated 24 January, the day they were abducted in the northern industrial city of Beiji, about 240km north of Baghdad. The hostages, identified by relatives as Thomas Nitzschke and Rene Braeunlich, arrived in Iraq on 22 January. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte daraufhin: Heute Morgen haben uns erschütternde Bilder unserer Mitbürger erreicht, die im Irak als Geiseln genommen worden sind. Diese Bilder haben mich und die Menschen im Lande tief bewegt. ... Bei all unseren Bemühungen haben das Leben und die körperliche Unversehrtheit unserer beiden Landsleute oberste Priorität. Sie können fest darauf zählen, dass wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen werden, alles daran zu setzen, unsere Landsleute sicher, unversehrt und gesund wieder nach Hause zu bringen.. Soll also vermutlich wieder Lösegeld gezahlt werden, was die Entführer nach den Erfahrungen mit dem Fall Osthoff ja angelockt haben könnte. Aber eventuell verfolgen die Islamisten doch politische Ziele?:
"Unterstützer der Tawhid-Brigaden" ist als Schriftzug im Rücken der Täter zu lesen. Al-Tawhid ("Einheit der Gläubigen") hat ihren Ursprung in Jordanien und führt Krieg gegen Ungläubige, ähnlich einer "kleinen al-Qaida". Die sunnitische Bewegung hat auch Anhänger in Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass die Firmenbezeichnung der Entführer als reine Wichtigtuerei entpuppt, dass sich die Gruppe womöglich nur als Finanzdienstleister anderer, wahrhafter Dschihadisten versteht; vulgo: es sich um doch nur um Lösegeldkriminelle handelt, die sich einen kämpferischen Anstrich geben. Am anderen Ende der Szenariospekulationen steht die These, die die deutsche Sicherheitsfirma Control Risks Management (mehr dazu hier) in ihrer jüngsten Irak-Analyse aufstellt: "Die aktuellen Feindseligkeiten gegenüber Deutschen im Irak könnte mit den jüngsten Enthüllungen über Tätigkeiten des BND während der Invasion 2003 zu tun haben, die den Eindruck entstehen lassen, Deutschland habe sich entgegen seiner erklärten Absicht zumindest indirekt an dem Kampfhandlungen beteiligt."
Bleibt zu hoffen, dass nicht bald eine deutlich blutigere Videobotschaft folgt. Der Westen zeigt sich insgesamt der Entführungsindustrie im Irak aber ziemlich hilflos gegenüber.

Und sonst: Zwei Berichte vom Pentagon zeichnen widersprüchliche Bilder: "Jederzeit jeden Krieg gewinnen". Der neue Pentagon-Bericht für den Kongress. Dem rhetorischen Muskel-Spiel steht dieser Report gegenüber: Stretched by frequent troop rotations to Iraq and Afghanistan, the Army has become a "thin green line" that could snap unless relief comes soon, according to a study for the Pentagon. Andrew Krepinevich, a retired Army officer who wrote the report under a Pentagon contract, concluded that the Army cannot sustain the pace of troop deployments to Iraq long enough to break the back of the insurgency.

Auch zum Thema: Privatisierung der Sicherheit. Die Tätigkeit zahlreicher privater Militär- und Sicherheitsfirmen im Irak macht die Probleme und notwendigen Regulierungen dieser boomenden Branche deutlich.

Bushs Rechtsaußen feiert: "Die finstere Macht": US-Vize Cheney wird 65. Historiker sehen Dick Cheney bereits als mächtigsten Vizepräsidenten der US-Geschichte. Seine Gegner werfen ihm vor, ein Ränkeschmied zu sein. Für seine Bewunderer hat Cheney nur eine einzige Schwäche.

Die harte Angie und die Atombombe: Nach Atomdrohung: Merkel verteidigt Chirac. Bei ihrem Besuch in Paris hat Kanzlerin Merkel Kritik an der Atomdrohung Frankreichs abgelehnt. Sie verstehe die Aufregung in Deutschland nicht. Passend und bedenklich dazu aus der CDU: Der frühere Verteidigungsminister Scholz verlangt von USA und Nato bindende Schutzgarantien für den Fall einer nuklearen terroristischen Bedrohung Deutschlands. Andernfalls müsse darüber nachgedacht werden, die Bundeswehr mit Atomwaffen auszustatten.

Auch in Russland: Folter-Skandal in russischer Armee. Wegen der brutalen Folter eines Wehrpflichtigen ermittelt Russlands Verteidigungsminister Iwanow gegen mehrere Offiziere. Ein Kommandeur musste bereits seinen Hut nehmen.

Sorgenvolle Blicke gen Nahost: Westen stellt Hamas Bedingungen. Israel lehnt eine Zusammenarbeit mit der Hamas ab, für einen früheren US-Präsidenten ist das Ende der Finanzhilfen für die Palästinenser unumgänglich. Russland, Deutschland und die Türkei nennen Bedingungen für eine Zusammenarbeit.

Weg mit dem Rechtsstaat: Zypries für Nutzung von Foltergeständnissen. Justizministerin Zypries hat sich offen für die Verwendung von Foltergeständnissen durch Geheimdienste gezeigt. Zur "Gefahrenabwehr" müsse man solche Aussagen "wohl verwenden", sagte sie.

Ratzinger meldet sich mal wieder zu Wort: Benedikt XVI.: Macht der Medien zügeln. Journalisten sollten stets ermutigt werden, präzise zu berichten, sagte Papst Benedikt XVI. In einer Botschaft zum Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel rief er jedoch auch dazu auf, die Macht der Medien zu zügeln. Seine neue Enzyklika rund ums Thema "Eros" ("Deus Caritast est") soll dagegen gar nicht so schlecht sein, wie zu erwarten war. An der Verlogenheit der katholischen Kirche gegenüber allen praktischen Themen rund um Sex ändert sich damit aber natürlich wieder einmal nichts.

Lobby-Krake: “Operation Bundestag”. Die stille Macht der Lobbyisten oder wie ohnmächtig sind unsere Politiker? Veranstaltung am Dienstag, 31. Januar 2006, 20 Uhr im Plenarsaal der Akademie der Künste, Pariser Platz 4 in Berlin.

Nix Untersuchungsausschuss zur BND-Irak-Affäre: Grüner Bettvorleger. Während der Sonderermittler des Europarats Berlin wegen mangelnder Aufklärung der CIA-Affäre kritisiert, erweisen sich die Grünen als Meister des Rückzugs. Wird Zeit, dass Joschka abdankt.

Die New York Times bezieht eindrücklich gegen den nominierten neuen US-Bundesrichter Samuel Alito Position: Judge Alito's refusal to even pretend to sound like a moderate was telling because it would have cost him so little. Chief Justice John Roberts Jr., who was far more skillful at appearing mainstream at the hearings, has already given indications that whatever he said about the limits of executive power when he was questioned by the Senate has little practical impact on how he will rule now that he has a lifetime appointment. Senate Democrats, who presented a united front against the nomination of Judge Alito in the Judiciary Committee, seem unwilling to risk the public criticism that might come with a filibuster — particularly since there is very little chance it would work. Judge Alito's supporters would almost certainly be able to muster the 60 senators necessary to put the nomination to a final vote. A filibuster is a radical tool. It's easy to see why Democrats are frightened of it. But from our perspective, there are some things far more frightening. One of them is Samuel Alito on the Supreme Court.

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