Neue BND-Affäre: Journalistenbeschnüffelung en mas
--- Die SZ hat die nächste Runde rund um Enthüllungen zum ungebändigten Treiben der Schlapphüte eingeleitet - dieses Mal geht es um Abhören von Journalisten in großem Stil:
Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat in weit größerem Ausmaß als bisher bekannt Journalisten bespitzelt und sie in rechtswidriger Weise bei der Arbeit und bis ins Privatleben hinein beschattet. Das geht aus dem Bericht des ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof, Gerhard Schäfer, hervor, den dieser am Mittwochabend dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestages vorlegte. Wie die Süddeutsche Zeitung erfuhr, belegen die Untersuchungen Schäfers, dass der BND nicht nur einzelne Journalisten beschattet hat. Der Dienst habe Journalisten auch gezielt auf Kollegen angesetzt, um zu erfahren, an welchen Themen diese gerade arbeiteten. Besonders interessiert war der BND demnach an Redakteuren des Nachrichten-Magazins Der Spiegel. Namentlich nennt Schäfer fünf Journalisten, die entweder selbst Informationen über Kollegen anboten oder vom BND befragt wurden, was sie über Kollegen berichten könnten. Noch im Herbst 2005 nahm der BND demnach Informationen über einen bekannten deutschen Journalisten entgegen. Auch Gaststätten, von denen der Dienst vermutete, dass Redakteure dort Informanten träfen, seien überwacht worden. Bundesrichter Schäfer bezeichnete die Praktiken nach Informationen der SZ als „unverhältnismäßig“ und „eindeutig rechtswidrig“ und stellte einen eklatanten „Eingriff in die Pressefreiheit“ fest. So bestätigt der Bericht, dass ein Journalist des Stern, der heute bei der Süddeutschen Zeitung arbeitet, am 30. Januar und am 2. Februar 1996 beschattet wurde. Ein Journalist des Magazins Focus wurde über Jahre hinweg bis ins Privatleben hinein überwacht und bis in die Tiefgarage des Verlagsgebäudes verfolgt.Inzwischen rauscht der Blätterwald angesichts eigener großer Betroffenheit nur so, was die Geschichte angeht. Die Berliner Zeitung legte heute etwa nach. Ihren Informationen zufolge stammen mehrere der von Schäfer beschriebenen Vorgänge aus den letzten Jahren. Zu verantworten hat sie damit Innenstaatssekretär August Hanning, der von 1998 bis 2005 BND-Präsident war. Hanning hatte nach Bekanntwerden der Überwachung Schmidt-Eenbooms auf einer Pressekonferenz im November 2005 noch gesagt, ihm seien Fälle von Journalistenbespitzelung durch den BND in seiner Dienstzeit nicht bekannt. Die meisten im Schäfer-Bericht erwähnten Observationsvorgänge gegen Medienvertreter ereigneten sich in den neunziger Jahren. Hauptverantwortlicher für die Ausforschung der Medien war in jener Zeit der BND-Direktor Volker Foertsch. Foertsch war zunächst Chef der Aufklärungsabteilung und ab 1994 Leiter der für die innere Sicherheit des Dienstes zuständigen Abteilung. In einem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren wegen Spionageverdachts äußerte sich der inzwischen pensionierte Spitzenbeamte 1998 auch zu seiner Kooperation mit Journalisten. In dem der Berliner Zeitung vorliegenden Aussageprotokoll vom 26. März 1998 bestätigt Foertsch demnach, dass er "in Abstimmung mit der Leitung des Dienstes zu einigen Medienvertretern Kontakt" halte. "Ziel dieser Kontakte ist, schädliche Veröffentlichungen zu vermeiden und zu erfahren, woher die jeweiligen Medien ihre Informationen aus dem BND erhalten. In einigen Fällen war dieses Bemühen erfolgreich", sagte Foertsch damals. Passend zum Abräumer beim Deutschen Filmpreis gestern hat die Berliner auch einen treffenden Kommentar: Das Leben der Anderen. Mehr zum Thema etwa hier: Späte Reue des BND. Wieder einmal ist der BND in den Schlagzeilen, wieder mit einem Skandal. Jahrelang wurden Journalisten für Insider-Infos bezahlt, kritische Reporter observiert. Und wieder einmal wurde so lang wie möglich gedeckelt. Die Reputation des BND versinkt im Affären-Sumpf.
Ausgespäht fühlen dürfen sich auch die US-Regierung, denn jetzt ist klar geworden, wieso die USA keine Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten nach EU-Muster brauchen: das erledigt dort die NSA auch ohne gesetzliche Regelung für das Weiße Haus und den Rest der Big-Brother-Regierung. Diesen Stein ins Rollen gebracht hat die USA Today: NSA has massive database of Americans' phone calls. The National Security Agency has been secretly collecting the phone call records of tens of millions of Americans, using data provided by AT&T, Verizon and BellSouth, people with direct knowledge of the arrangement told USA TODAY. The NSA program reaches into homes and businesses across the nation by amassing information about the calls of ordinary Americans — most of whom aren't suspected of any crime. Die US-Bürger scheint die Beschnüffelung aber nicht so groß zu interessieren: Nach einer Umfrage der Washington Post und ABC News am 11. Mai finden 63 Prozent der Befragten das NSA-Lauschprogramm in Ordnung, um den Terrorismus zu bekämpfen. Denn "Sicherheit" geht ja inzwischen vor Datenschutz. Mehr zum Thema etwa hier: Umfassender Lauschangriff auf US-Bürger. Das umstrittene geheime Lauschprogramm der NSA ist weit umfassender, als bislang angenommen, und speichert die Verbindungsdaten fast der gesamten Inlandskommunikation.
In die Kritik gerät natürlich auch Bushs neuer Mann für die CIA, der Ex-NSA-Chef Michael Hayden: A former intelligence officer for the National Security Agency said Thursday he plans to tell Senate staffers next week that unlawful activity occurred at the agency under the supervision of Gen. Michael Hayden beyond what has been publicly reported, while hinting that it might have involved the illegal use of space-based satellites and systems to spy on U.S. citizens. Russell Tice, who worked on what are known as "special access programs," has wanted to meet in a closed session with members of Congress and their staff since President Bush announced in December that he had secretly authorized the NSA to eavesdrop on U.S. citizens without a court order. In an interview late Thursday, Tice said the Senate Armed Services Committee finally asked him to meet next week in a secure facility on Capitol Hill. <a href="http://del.icio.us/esmaggbe/geheimdienste" rel="tag">geheimdienste</a>, <a href="http://del.icio.us/esmaggbe/pressefreiheit" rel="tag">pressefreiheit</a>
3 Comments:
Grundsätzlich ist es richtig, daß endlich etwas Licht in die Machenschaften des BND kommt.
Aber:
Es ist eine Inszinierung der Betroffenheit. Nur weil ganz konkret die Journalisten betroffen sind, wird im Chor gejault wie ein Rudel getroffener Hunde.
Ein paar Wochen davor wird hier eine systematische Totalüberwachung der Bürger beschlossen, gegen die die Aktivitäten des BND geradezu eine kleine Vorspeise von bodenständiger Hausmannskost ist, geradezu Anfängerarbeit. Resonanz der Journalistenschaar: Seite 17, ganz unten, 3 Zeilen: Vorratsdatenspeicherung beschlossen.
Und das ist nur *ein* Beispiel von geradezu eklatanten Verfassungsverstößen von unseren Volksverhetzer... err.. Volksvertretern.
Es wird Zeit, daß auch die Journalisten wieder aufwachen und ihre Arbeit als kritischer Beobachter begreifen. Ob der Krokodilstränen wegen dem BND-Affäre sehe ich kein Land. Das wird, ähnlich wie die Vogelgrippe, nach der Hype-Phase in den Orkus der Vergessenheit geschüttet - und dann gehts weiter mit "Business as usual" = braver Stichwortgeber für die Nieten-Elite.
Wie in Frankreich dürfen sich in Deutschland die Geheimdienste um Innenpolitik kümmern. So geht es nicht weiter.
www.chartaland.de
Interessant ist, dass zwei namentlich genannte deutsche Journalisten bzw. Publizisten, die sich mit Geheimdiensten befassen und auch im Blickpunkt des BND standen, sich nicht immer durch eine große Distanz zu ihren Untersuchungsobjekten auszeichnen. Der eine von ihnen in manchen Berichten mit EE bezeichnete Erich Schmidt-Eenboom hat zeitweise "Spenden" des BND entgegengenommen. Glaubwürdigeit kommt Schmidt-Eenboom damit in meinen Augen kaum noch zu.
Der andere, Leyendecker, für den sich der BND ebenfalls interssierte, hat durch Artikel wie "Affen der Angst" in der SZ kritische Nachfragen zu den Verwicklungen der Geheimdienste in die Anschläge des 11. Septembers in für die Aufklärung schädlicher Weise ins Lächerliche gezogen.
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