2006-06-05

Haditha und Ishaki: Neue US-Debakel im Irak

--- Das Pentagon muss sich erneut mit schweren Vorwürfen über Massaker von US-Truppen im Irak herumplagen, die in ihren Auswirkungen mindestens mit den Folterskandalen in Abu Ghraib verglichen werden. Da ist zum einen die Erschießung von Zivilisten in der Sunniten-Hochburg Haditha. In der Huffington Post gibt es Hintergründe zu dem Geschehen:
On the morning of November 19th, four humvees belonging to what's known as the Kilo Company, 3rd Battalion, 1st Marine Regiment, were on a routine patrol in a residential section one of the most dangerous spots on earth. Haditha, an insurgent haven in the Sunni dominated Anbar province, had just three months prior been the site of an ambush that killed six Marines. A video of the remains of one of those dead servicemen was released and was used as a rallying cry by American enemies. Two days after that ambush, 14 more Marines were killed when a roadside bomb destroyed their armored vehicle. No doubt those two incidents and the twenty resulting deaths were on the minds of the Marines who patrolled November 19th. That morning, the humvees carrying members of Kilo Company spied a white taxi approaching from an opposite end of a street. The taxi carried five men. The Marines motioned for the taxi to stop. When it halted near the first humvee, an IED (located near the 4th humvee) exploded and killed its driver, a 20-year-old Marine from El Paso, Texas. The Marines maintain they took small arms fire immediately thereafter. The locals dispute that. The Marines ordered the men in the taxi to get out of their vehicle and lie on the ground; instead the passengers ran and were shot by the Marines. Members of Kilo Company then moved through four homes along nearby streets, presumably looking for insurgents, and killed 19 men, women and children. Again, the Marines say they took small-arms fire. Only one of the 19 victims was found with a weapon. One day later came the first official report from the military, and it said that "a U.S. Marine and 15 Iraqi civilians were killed yesterday from the blast of a roadside bomb" and that "immediately following the bombing, gunmen attacked the convoy with small arms fire". That encapsulation is apparently bogus. The IED that killed the Marine did not kill the civilians.
Das US-Verteidigungsministerium begab sich daraufhin in die übliche Reaktionsschiene von Leugnen und teilweisem Aufdecken, bis immer mehr von der unschönen Wahrheit immer weiter ans Tageslicht kam. Nicht hinterm Berg mit der Kritik hielt dieses mal auch die irakische Regierung: So sagte Ministerpräsident Nuri Kamal al-Maliki, dass amerikanische Soldaten häufig gegen irakische Zivilisten angreifen würden. Dies sei ein "tägliches Phänomen", die Soldaten würden die irakischen Menschen nicht achten: "Sie überfahren sie mit ihren Fahrzeugen und töten sie aufgrund eines Verdachts." Hauptsächlich aufgedeckt hat das Massaker das Magazin Time, das sich nun gleich noch einmal mit einer Titelstory und vielen Fotos den Vorgängen widmet. Die Reaktionen in der US-Bloggersphäre aus linker Perspektive gibts ebenfalls in der Huffington Post. Nun können Soldaten sicher in einem jahrelangen Bürgerkrieg mal die Nerven durchbrennen, doch es gibt Stimmen, die von einem Fehler im Kommandosystem sprechen.

Zu allem Unglück fürs Pentagon packte die BBC dann gleich noch ein Video online, das auf ein weiteres Massaker in Ishaki hinweist: The US military has told the BBC it is investigating an incident in which 11 Iraqi civilians may have been deliberately killed by US troops. Video footage obtained by the BBC appears to challenge the US account of events in the town of Ishaqi in March. The US said at the time that four people died during a raid, but Iraqi police said 11 were shot by US troops. Als ob nichts gewesen wäre, sorgt das Pentagon derweil weiter für Negativschlagzeilen mit einem "Folter-Persilschein": Das Pentagon plant in einer Richtlinie zu Verhörmethoden eine Abkehr von internationalen Standards zu Menschenrechten. "Erniedrigende und entwürdigende Praktiken" sollen künftig offiziell erlaubt sein. Aber auch die Sadisten von Abu Ghraib kommen ja nicht sonderlich schlecht weg: Milde Strafe für Hundeführer von Abu Ghraib. Drei Monate schwere Arbeit blühen einem US-Soldaten, der an der Misshandlung von Gefangenen im irakischen Abu Ghraib beteiligt gewesen war. Experten hatten zuvor mit einer Gefängnisstrafe von mehreren Jahren gerechnet. Die Gewalt im Irak geht derweil unvermindert weiter: Gunmen Dressed as Police Abduct 56 in Iraq. In operation that took only 15 minutes, people are swept off the street and forced into pickup trucks.

Und sonst: Auch die Islamisten sind natürlich keine Propaganda-Engel: Was die soldatischen Forscher der Militärakademie West Point da zusammengetragen haben, ist interessant und widerwärtig. "The Islamic Imagery Project" heißt die Broschüre, die auf der Homepage von West Point zum Herunterladen zur Verfügung steht. Frei übersetzt: Ein Bilderbuch islamistischer Propaganda. Passend dazu auch auch neues von Sarkawi: Zarqawi agitiert gegen Schiiten im Irak. Terroristenchef Zarqawi hat die irakischen Sunniten zum Kampf gegen die "schiitischen Schlangen" aufgerufen. Er warf den Schiiten Zusammenarbeit mit Invasoren im Irak vor.

Wissen und Nichtwissen, Leugnen und Zugeben auch hierzulande: BND räumt schwere Panne ein. Geheimdienst-Mitarbeiter wußte früher von El-Masri-Verschleppung durch die CIA als bisher bekannt.

Terrorweb in Kanada: Terrorpläne beim Chatten aufgeflogen. Das Internet ist den am Wochenende verhafteten 17 Männern und Jugendlichen zum Verhängnis geworden. Denn der Geheimdienst las mit, als die Gruppe Bombenanschläge plante.

Und in Deutschland: Angebliche Berliner Attentäterin bleibt straffrei. Die der Planung eines Selbstmordattentats verdächtigte Berlinerin wird nicht bestraft. Für ihre geplante Ausreise und vage Ankündigungen könne sie nicht belangt werden, so die Staatsanwaltschaft.



Abrechnung mit den US-Massenmedien unter Bush: "Lapdogs: How the Press Rolled Over for Bush" von Eric Boehlert.

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