2006-08-28

Statistik: Wahr und doch gefälscht

--- Im Feuillton der heutigen FAZ streiten sich der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg sowie der Publizist Albrecht Müller über die Zukunft Deutschlands. Letztlich geht es nicht nur darum, die Zukunft zu interpretieren, sondern vor allem auch die dazu gehörige Datenbasis, Grundlage eines jeden guten Spindoktors. Dazu gab es einen munteren Schlagabtausch. Müller: "Wenn man berücksichtigt, daß die Arbeitsfähigen auch für die Jungen und die Kinder zu sorgen haben und daß diese sogenannte Jugendlast sinken wird, wenn man also die Gesamtbelastung berechnet, wie es beispielsweise Rupert Jänicke gemacht hat (F.A.Z. vom 15. März 2005), dann wird sichtbar, daß auf Jahrzehnte hinaus die Belastung der Arbeitsfähigen nur wenig steigt und von der wachsenden Arbeitsproduktivität locker aufgefangen werden kann. Also könnte man sich gelassen zurücklehnen und sich den echten Problemen unseres Landes zuwenden. Aber Ihnen ist es gelungen, aus dem zweitrangigen Thema Demographie ein Spitzenthema der öffentlichen Debatte zu machen. Das ist ein Meisterwerk an Agenda-setting. Kompliment!"
Birg muss da natürlich kontern: "Hat Herr Müller noch nie ein Buch von mir aufgeschlagen? Natürlich berechne ich nicht nur den Altenquotienten, also die Zahl der über Sechzigjährigen in Prozent der Zwanzig- bis Sechzigjährigen, sondern auch den Jugendquotienten, nämlich die Zahl der unter Zwanzigjährigen im Verhältnis zu den Zwanzig- bis Sechzigjährigen sowie die Summe als Gesamtbelastung." Dann sagt Müller später: "Zunächst noch zu den von Herrn Birg genannten Zahlen. Sie sind schlicht falsch.", und Birg kontert: "Wessen Zahlen stimmen, kann jeder anhand der veröffentlichten "10. Bevölkerungsvorausberechnung" des Statistischen Bundesamts überprüfen. Die Zahlen, von denen Sie sagen, sie seien falsch, stehen auf Seite 25."
So geht es fröhlich weiter und wird noch komplizierter, so dass der geneigte, während der Lektüre stetig älter werdende Mensch so recht nicht mehr folgen kann. In der aktuellen Wirtschaftswoche etwa erklärt der Ifo-Chefökonom Hans-Werner Sinn die Fertilitätsquote (die leigt bei 1,4 und sagt aus, wie viele Kinder eine Frau in Deutschland bekommt - da immer ein Mann dazu gehört, kommen also weniger Kinder auf die Welt als Paare später einmal sterben, so dass wir also bevölkerungstechnisch schrumpfen, womit wir wieder bei der Ausgangsdebatte sind). Entscheidend sei, so Sinn, dass es kaum noch Frauen im gebährfähigen Aler gebe, nicht, dass sie nicht gebärfreudig seien. Nun ja, fest steht wohl: Wir weden immer weniger.
Was bleibt ist die Erkenntnis: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Verschaffe dir selbst den nötigen Überblick!

2 Comments:

At 9:10 PM, Anonymous Anonym said...

@Ifo-Chefökonom Hans-Werner Sinn

Ich war der Meinung, dass der Knabe schon lange nicht mehr relevant ist und als TV-Grußonkel durchgereicht wird.

Allerdings lese ich auch eher selten die Wirtschaftswoche, aber ich hatte den Eindruck, dass die etwas seriöser ist.

Lieben Danke also für diese Beleehrung meiner Wissenslücke.

 
At 12:38 AM, Blogger magischer_ballermann said...

Ja, der Professor ist in letzter Zeit medial etwas unterrepräsentiert. Vielleicht kommt seine arrogant-abgehobene Art einfach nicht so gut beim Publikum und den ach so unwissenden Journalisten an.

Zum Thema "Aussterben der Deutschen". Ich weiß nicht, wer einen solchen dämlichen Quatsch immer wieder in die Welt setzt. Seriöse Schätzungen gab z.B. im Jahre 2003, als das Statistische Bundesamt seine 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für das Jahr 2050 (!) vorstellte (PDF). Demnach wird die Bevölkerungszahl im Jahre 2050 zwischen 67 und 81 Millionen betragen, also im pessimistischen Fall etwa der Stand Anfang der 1960er Jahre. Zur Erinnerung: Ende 2000 hatte Deutschland 82,3 Millionen Einwohner und damit etwa 22,5 Millionen mehr als kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges...

 

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