Arnulf Baring: Spielball der Politik
--- Spindoktoren sind die eine Sache, wenn es darum geht, die Welt in den für sich schillernsten Farben darzustellen. Politische Kommunikation mit dem Ziel einer Kampagne das andere. Ein wunderbares Beispiel dafür liefert heute die FAZ.
In Hessen wird 2008 gewählt, die SPD ringt noch darum, welchen Kandidaten sie gegen Ministerpräsident Roland Koch antreten lässt. Die Kandidaten Ypsilati und Kahl bringen sich nun in Stellung, ihr Opfer heißt Arnulf Baring, Historiker und selbst SPD-Mitglied. Der hatte bei der CDU-Landtagsfraktion einen Vortrag gehalten. "Was uns leitet - Eckpfeiler unserer bürgerlichen Kultur" hieß er, war nicht schriftlich dokumentiert, auch nicht aufgezeichnet, wohl aber facettenhaft von der Lokalpresse zitiert. Die FAZ will wissen, dass auf jeden Fall missverständlich zitiert worden sei, wichtig aber ist das politische Ränkespiel und Spinning, das danach perfide einsetzte (ähnlich wie beim "Professor aus Heidelberg"): "Am 8. September machte Reinhard Kahl, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, den Anfang. Mit den "dubiosen" Äußerungen habe Baring den Nationalsozialismus, den millionenfachen Mord an Juden und politisch Andersdenkenden und das unendliche Leid des Zweiten Weltkriegs auf unzumutbare Weise verharmlost. Der Geschäftsführer der Grünen-Landtagsfraktion, Frank Kaufmann, stimmte mit ein: "Der hätte auch bei einer NPD-Veranstaltung großen Beifall gekriegt." Baring war erstaunt. Er sagte, daß die Zitate aus dem Kontext gerissen worden seien. Für die hessischen Oppositionsfraktionen ging es inzwischen aber längst nicht mehr um die Saat des Historikers, sondern um ihre Ernte: Die SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti, die die Spitzenkandidatur ihrer Partei anstrebt, befand nun: "Christean Wagner ist als CDU-Fraktionsvorsitzender für ein tolerantes und weltoffenes Land wie Hessen nicht tragbar." Wagner hatte Baring eingeladen und später dessen Rede gelobt. Ypsilanti kündigte an, die "empörenden Entgleisungen" im Landtag zur Sprache zu bringen. Der Auftritt Baring sei kein "Betriebsunfall". Am 10. September - noch immer geisterten nur Zitatfetzen der Rede durch die Presse - wurde der "Fall Baring" ein Thema für die Bundespolitik. Renate Künast, Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, forderte nun Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, Wagner aus der CDU-Programmkommission zu entfernen. Vier Tage später, am 14. September, kam es dann im Wiesbadener Landtag zum Eklat. Nachdem Frau Ypsilanti Wagner vorgeworfen hatte, "rechtsnationalistische und geschichtsrevisionistische" Thesen beklatscht zu haben, und Kaufmann den CDU-Fraktionsvorsitzenden einen "Propagisten rechtsextremen Gedankenguts" genannt hatte, hielt der Beschuldigte SPD und Grünen vor, ein "ungeklärtes Verhältnis zu unserem Vaterland" zu haben. Die Sozialdemokraten konnten sich nunmehr empört dagegen verwahren, wie zu Zeiten des Kaiserreichs "vaterlandslose Gesellen" genannt zu werden. Ein zweites Mal sah sich nun Frau Künast genötigt, sich zu Wort zu melden. Inzwischen warf sie Baring vor, nicht den Nationalsozialismus, sondern den Holocaust als bedauernswerte Entgleisung bezeichnet zu haben, und forderte Frau Merkel auf, Barings Teilnahme an einer Gedenkveranstaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Erinnerung an die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg am Montag zu verhindern (was nicht geschah)."
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