Cicero: Bundesverfassungsgericht pro Pressefreiheit
--- Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall der Cicero-Affäre klare Worte gefunden und die Bundesregierung daran erinnert, dass es doch noch so etwas wie Pressefreiheit in diesem Lande gibt. Aus der Presseerklärung aus Karlsruhe (das gesamte Urteil gibts hier):
Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume von Cicero und die Beschlagnahme der dort aufgefundenen Beweismittel stellen einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit des Beschwerdeführers dar. Die Gerichte haben dem verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz nicht hinreichend Rechnung getragen. Die bloße Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses in der Presse durch einen Journalisten reicht nicht aus, um einen zu einer Durchsuchung und Beschlagnahme ermächtigenden Verdacht der Beihilfe des Journalisten zum Geheimnisverrat zu begründen. Erforderlich sind vielmehr spezifische tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer von einem Geheimnisträger bezweckten Veröffentlichung des Geheimnisses und damit einer beihilfefähigen Haupttat.Besonders interessant auch im Hinblick auf die von Schäuble gewünschten Möglichkeiten zu "Online-Durchsuchungen" - zumindest im Bezug auf Journalisten: Die Anordnung der Durchsuchung der Redaktion und die Beschlagnahme der dort gefundenen Beweismittel verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Pressefreiheit. Die Durchsuchung der Presseräume stellt wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit eine Beeinträchtigung der Pressefreiheit dar. Durch die Anordnung der Beschlagnahme von Datenträgern zum Zwecke der Auswertung ist den Ermittlungsbehörden darüber hinaus die Möglichkeit des Zugangs zu redaktionellem Datenmaterial eröffnet worden. Dies greift in besonderem Maße in die vom Grundrecht der Pressefreiheit umfasste Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit ein, aber auch in ein etwaiges Vertrauensverhältnis zu Informanten.
Mehr (Historisches) zum Thema etwa in Spiegel Online: Mit der Entscheidung hatte die Verfassungsbeschwerde des Chefredakteurs von "Cicero", Wolfram Weimer, Erfolg. Weimer zeigte sich erleichtert über das Karlsruher Urteil: "Das Bundesverfassungsgericht hat die Pressefreiheit in Deutschland verteidigt und gestärkt", sagte er. Das Urteil schütze Informanten und investigative Journalisten. Der Richterspruch mache die Arbeit von Journalisten "rechtssicher", sagte der Chefredakteur. ... Damit bestätigte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich eine zentrale Aussage seines "SPIEGEL-Urteils" von 1966. Schon damals hatte das Verfassungsgericht der Staatsgewalt unmissverständlich die Grenzen aufgezeigt. Redaktionsdurchsuchungen seien unzulässig, wenn sie vor allem dazu dienten, einen mutmaßlichen Informanten aufzuspüren, betonten die Karlsruher Richter. Der SPIEGEL hatte im Oktober 1962 auf Grundlage streng geheimer Dokumente über die mangelhafte Abwehrbereitschaft der Bundeswehr berichtet. Danach waren die Redaktions- und Verlagsräume des Magazins wegen Verdachts des Landesverrats durchsucht worden. Der damalige Chefredakteur Rudolf Augstein und mehrere Redakteure wurden verhaftet. Augstein saß auf Betreiben des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß (CSU) für mehr als drei Monate in Untersuchungshaft. Später wurden er und der Autor des Artikels, Conrad Ahlers, vom Vorwurf des Geheimnisverrats freigesprochen.
Labels: bundesverfassungsgericht, medien, politik, pressefreiheit
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