2007-04-11

Die schleichende Irakisierung Afghanistans

--- Sieht nicht gut aus am Hindukusch - Propaganda gibts ausreichend von beiden Seiten:
Kurz nachdem deutsche Tornados zu ihren Einsätzen über Afghanistan gestartet sind, erschüttert eine neue Welle von Terroranschlägen das Land am Hindukusch. Immer öfter sprechen Experten von der Irakisierung. ... Die Zahl der "sicherheitsrelevanten Vorfälle" hat sich im Vergleich zum ersten Vierteljahr 2006 fast verdoppelt. Seit Januar wurden mehr als 130 Polizisten und Regierungssoldaten getötet, die meisten davon im Süden, in Kandahar und Helmand. Das westliche Bündnis hat bisher vor allem militärisch reagiert: mit Offensiven, mit mehr Soldaten - erst am Dienstag kündigte Australien an, seine Truppen auf mehr als 1000 Mann zu verdoppeln. Dennoch mehren sich die Stimmen, die Afghanistan "auf der Kippe" sehen. Von der"schleichenden Irakisierung" Afghanistans spricht der Essener Terrorexperte Rolf Tophoven. Dabei verzeichnet die westliche Schutztruppe durchaus Erfolge: Für den Frühling etwa haben die radikalislamischen Taliban eine Großoffensive gegen die afghanische Regierung und die Truppen der Isaf angekündigt. "Der Angriff steht unmittelbar bevor", drohte Mullah Dadullah, ihr militärischer Führer in der Region, lautstark bereits vor Wochen: "Die Zahl der Kämpfer, die bereitstehen, hat 6000 erreicht. Und sie wird auf 10.000 steigen." ... Von einer derartigen Streitmacht könne kaum die Rede sein, hält Lieutenant Colonel Robert Walker dagegen, der das 2. Bataillon des Royal Canadian Regiment kommandiert, eine in Kandahar stationierte Kampfeinheit mit 1150 Mann: "Abgesehen von ein paar Selbstmordattentaten und improvisierten Sprengfallen war bislang nicht viel von einer Offensive zu bemerken." Die Schutztruppe, die das Land für die schwache Zentralregierung in Kabul stabilisieren soll, scheint den Taliban mit ihrer eigenen Frühjahrsoffensive zuvorgekommen zu sein: der "Operation Achilles". Anfang März rückten amerikanische, britische, kanadische und niederländische Isaf-Einheiten im Norden von Helmand ein. Dort hatten sich die radikalislamischen Gotteskrieger im vergangenen Jahr breitgemacht, die Kontrolle über Dörfer und ganze Landstriche übernommen und ihre mächtigste Waffe in Stellung gebracht: "Papaver somniferum", besser bekannt als Schlafmohn, Rohstoff für Opium. Glaubt man der Isaf, dann ist die Operation Achilles, an der rund 5000 Soldaten beteiligt sind, ein durchschlagender Erfolg. Der Kajaki-Staudamm im Norden Helmands, in dem 40 Prozent der afghanischen Wasservorräte gespeichert sind, sei freigekämpft worden, berichtet der Luftwaffen-Staffelkapitän Dave Marsh. Ende vergangener Woche wurden Hunderte weitere Soldaten in die Provinz verlegt. Damit soll der Druck auf die Taliban weiter erhöht werden. ... "Es besteht kein Zweifel, dass die Taliban und ihre Sympathisanten zurzeit versuchen, aus dem Irak bekannte Taktiken zu übernehmen", sagt ein westeuropäischer Sicherheitsexperte: "Sie verfügen aber noch nicht über das gleiche Können wie die dortigen Aufständischen." Nachrichtendienste wollen herausgefunden haben, dass in Afghanistan das Verhältnis zwischen den heimischen Gotteskriegern und den Kadern des Terrornetzwerks al-Kaida alles andere als ungetrübt ist. Letztere sollen - etwa bei der Zündung von Bomben - über hochmodernes Know-how verfügen, dies aber nur ungern an die als rückständig geltenden Taliban weitergeben. "Die Taliban haben keinen Rückhalt in der Bevölkerung", sind sich Isaf-Offizier Walker und Polizeigeneral Alizei einig. Bei dieser Einschätzung dürfte allerdings einiges an Zweckoptimismus mitschwingen.
Passend zum Thema: Anti-Terror-Krieg steigert Terror-Gefahr. Eine neue britische Studie der Oxford Research Group beweist, dass mit dem "Krieg gegen den Terror" und der Irak-Invasion die Unterstützung für Islamisten gewachsen ist. Endringlich warnen die Experten vor einem Iran-Feldzug.

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