Das Schicksal von Terrorist 007 und anderen "Cyber-Dschihadisten"
--- Im Netz aktive Dschihadisten stehen aktuell im Rampenlicht der Medien. Spiegel Online etwa berichtet über einen der bekanntesten Propagandakrieger aus dem al-Qaida-Umfeld:
Der Cyber-Dschihadist "Irhabi007" war eine Legende - bis die Briten ihn 2006 festnahmen, weil er Anschläge in der realen Welt plante. Nun wurde er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Die Details aus den Ermittlungen sind atemberaubend - und geben dem Fall eine neue Dimension. ... "Irhabi007" ... flog auf, weil islamistische Kämpfer aus Bosnien seine Kontaktdaten bei sich hatten, als sie verhaftet wurden. Die Spur führte nach West-London, und "Irhabi007", Überraschung Nummer drei, war ein 22-jähriger marokkanischstämmiger Student der Informatik. Das war der Stand der Geschichte von Younis Tsouli a.k.a. "Irhabi007" - bis vorletzte Woche. Denn nun sind Details aus den Ermittlungen an die Öffentlichkeit gelangt, die dem Fall eine völlig neue Dimension geben: Das 22-jährige Computer-Kid war kein Einzeltäter, der mit ein paar Leuten vernetzt war. Er war Kopf einer regelrechten Unterstützerzelle für Dschihadisten in aller Welt, die unter anderem Anschläge in den USA, Europa und im Nahen Osten geplant haben sollen. Er hatte überdies sogar einschlägige Verbindungen bis hin zur irakischen Qaida-Filiale. Zur Finanzierung ihrer sinistren Zwecke haben Tsouli und seine beiden Mitverschwörer, Waseem Mughal und Tariq al-Daour, laut "Wall Street Journal" unter anderem die gestohlenen Zugangsdaten von 37.000 Kreditkarten besorgt und damit insgesamt 3,5 Millionen US-Dollar erschwindelt. Mit dem Geld betrieben sie Webseiten, kauften aber auch Hardware - namentlich GPS- und Nachtsichtgeräte, Schlafsäcke, Hunderte Prepaid-Handys, 250 Flugtickets von 46 Airlines, sowie Messer und Zelte. Für wen die Gaben genau bestimmt waren und ob sie auch ausgeliefert wurden, ist noch unklar - aber dass es bei all dem um die Unterstützung dschihadistischer Kämpfer ging, ist verschiedenen Presseberichten zufolge unstrittig. Desweiteren wurden auf Tsoulis Rechner Daten gefunden, die Kontakte zu Dschihadisten auf der ganzen Welt belegen - und die auf mögliche Terrorpläne hindeuten. So gab es einen Ordner mit dem Titel "Washington" auf dem Laptop, in dem sich zum Beispiel Videoaufnahmen des Kapitols, der Weltbank und eines Lagers für Treibstofflaster fanden. In Atlanta und in Kanada soll Tsouli überdies mit weiteren Verschwörern an Plots gearbeitet haben - es gab angeblich Pläne, den US-Flugzeugträger USS "John F. Kennedy" zu versenken und Nachtclubs anzugreifen. Laut "New York Times" berichtete Tsouli eines Tages seinem Kumpel Mughal, er sei von al-Qaida im Irak gebeten worden, deren Online-Magazin "Dhirwat al-Sinam" ("Der höchste Punkt des Höckers eines Kamels") ins Englische zu übersetzen. Am Ende wurde Tsouli übrigens "nur" für Aufruf zum Mord verurteilt - es war anscheinend zu kompliziert, die übrigen Verbrechen in eine gerichtsfeste Anklage zu überführen ... Die Fülle der Aktivitäten von "Irhabi007" ist indes in jedem Fall atemberaubend - und das nicht nur wegen der kriminellen Energie und Kreativität, die daraus spricht. Sie zeigt vielmehr, wie einfach es für einen intelligenten Aktivisten heute geworden ist, aus dem Nichts zu einem wichtigen Knotenpunkt des internationalen islamistischen Terrorismus aufzusteigen. Vor zehn Jahren wäre jemand wie Younis Tsouli vielleicht nicht einmal in ein Qaida-Lager eingelassen worden. Heute dagegen kann er das ganze große Rad drehen - mit Hilfe eines Laptops und einer Internet-Verbindung. Weil die neue al-Qaida keine hierarchische Kaderorganisation mehr ist, sondern ein offenes Mitmach-Netzwerk, eine Art Wiki-Qaida hat das alte Modell abgelöst.Über einen deutschen Fall gibt es dagegen mehr bei Telepolis: Am Mittwoch begann vor dem Oberlandesgericht in Schleswig der Prozess geben einen Marokkaner. Die Anklage der Bundesanwaltschaft lautet auf "Unterstützung" der al-Qaida und Gründung einer terroristischen Vereinigung. Für Oberstaatsanwalt Matthias Krauß hat das Verfahren "Pilotcharakter". Redouane El-H. soll nämlich fast alles, was ihm vorgeworfen wird, im Internet begangen haben. Bei dem Prozess soll nicht nur eine halbe Million Dateien von der bei einer nicht-virtuellen Hausdurchsuchung beschlagnahmten Festplatte des Angeklagten als potentielles Beweismaterial dienen, sondern auch zahlreiche Chat-Protokolle, die aus der Überwachung seines Internetanschlusses stammen. Außerdem seine mitgeschnittenen VoIP-Telefonate. ... Bedenklich stimmt allerdings, wie sehr das Virtuelle von der Staatsanwaltschaft in der Anklage mit dem Reellen vermengt, ja, selbst zum Reellen erklärt wird: Etwa, wenn dem Marokkaner vorgeworfen wird, Osama bin Laden über das Internet einen "Treueschwur" geleistet zu haben. Als vor vielen Jahren die erste Website für Online-Beichten aufkam, wurde es ein beliebter Sport, dort die abstrusesten Verbrechen vorzubringen – ohne Ironietags, versteht sich; aber trotzdem ohne diese Taten wirklich begangen zu haben. Und auch ohne an irgendeine spirituelle Wirkung dieser Beichte zu glauben. Von einem Teil der von der Bundesanwaltschaft vorgebrachten Vorwürfe ist es nur ein kleiner Schritt bis hin zum reinen "Informationsdelikt" – bisher wurden solche Informationsdelikte nur in wenigen Ausnahmefällen umgesetzt: in den 1990er Jahren bei der Kinderpornographie und vor vier Jahren mit der "Urheberrechtsreform". Derzeit ist eine Tendenz beobachtbar, die in Richtung einer radikalen Ausweitung dieser Informationsdelikte geht: So soll etwa der Abruf von "Bombenbauanleitungen" im Internet strafbar gemacht werden.
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