Die Memoiren eines Spindoktors
--- Tony Blairs langjähriger Regierungssprecher Alastair Campbell, der Inbegriff eines Spindoktors, hat auf rund 800 Seiten Auszüge aus seinen Tagebüchern unter dem Titel The Blair Years veröffentlicht. Mega-Enthüllungen enthält der natürlich auch zurecht gesponnene, zensierte und im Vergleich zu ersten Entwürfen immens zusammengestrichene Band ersten Medienberichten zufolge nicht. So schreibt die BBC:
Mr Campbell has been happy to confirm that he left out big chunks about the relationship between the current and former prime ministers for the simple reason he didn't want to hand David Cameron ammunition - thereby confirming these "lost" episodes would be damaging to the Labour government. He will, however, get around to recounting them some time in the future. The truth is, everybody and his dog already knows that the relationship between the two biggest political figures of the past decade was often bitter, divisive and even threatening to the smooth working of the government. Plenty of other insiders have detailed some of the spats, sulks and fallings-out so all that Mr Campbell could probably have done, under the self-imposed constraints, was add more vivid colouring to the scenes. And that is, frankly, what his published words seem mostly to have accomplished. ... But there are none of those breathtaking moments, the "killer facts" that we have come to expect, or at least hope for. ... So, nothing stunningly new in these diaries, although a diverting read for those who also lived through these events and may have a radically different take on things. And then there is the problem - the one which perhaps explains why Mr Campbell has rushed out the diaries within a fortnight of Mr Blair quitting. Things have moved on with such astonishing speed, as they do in politics, that these events already seem from another era altogether.Ähnlich Der Standard: Campbell demonstrierte mit seinem Buch drastisch, worüber er sich seit Jahren gern beklagt: die Beschleunigung der Zeitgeschichtsschreibung im Zeitalter einer globalisierten, 24 Stunden am Tag präsenten Medienkultur. Aber schließlich wäre es doch "eine Verschwendung" gewesen, sagte Campbell der BBC, mit der Veröffentlichung seines Buches zu warten, "bis die Leute nicht mehr über uns nachdenken". Einer will das aber auch jetzt ganz bestimmt nicht tun: Der britische Premierminister Gordon Brown teilte am Wochenende mit, er werde Campbells Werk nicht lesen: "Die Vergangenheit ist die Vergangenheit." Zu dieser Vergangenheit gehört auch die berühmte Einschätzung des damaligen Schatzkanzlers Brown als "psychologisch defekt". Dass das ursprünglich anonyme _Zitat von Campbell stammte, steht längst fest. Aber war der Hüne aus der nordenglischen Grafschaft Yorkshire, der auch als Regierungssprecher gerne Klartext redete, auch der Urheber? Oder stammte das Zitat gar vom damaligen Premierminister Blair selbst? Über dieses spannende Detail gibt das Buch ebenso wenig Auskunft wie generell über die permanenten Streitigkeiten zwischen Blair und Brown, welche die ersten zehn Jahre der Labour-Regierung prägten. ... Munition liefert er hingegen jenen in seiner Partei, die sich angesichts des nicht enden wollenden Debakels im Irak von der ursprünglichen Entscheidung zum Krieg distanzieren wollen. Im Kabinett und in Blairs engem Umkreis habe es im Vorfeld des Feldzugs im März 2003 niemanden gegeben, der nicht "ziemlich schwere Zweifel" gehabt hätte. Nur einer sei vom Irak-Krieg – zumindest nach außen hin – wirklich überzeugt gewesen: Blair selbst. "Wenn er Zweifel hatte, dann hat er sie sogar vor uns verborgen", schreibt Campbell, der zehn Jahre als Medienberater Blairs tätig war, lakonisch. Loyale Gefolgsleute Blairs wie Vizepremier John Prescott oder der frühere Innenminister John Reid hätten in der Sitzung vor dem Krieg jedenfalls "richtig krank" ausgesehen. Reid soll Sätze gesagt haben, die sich heute als bemerkenswert korrekte Weissagung lesen: Man werde "daran gemessen werden, wie der Irak nach Saddam Hussein aussieht". Auszüge gibts hier.
Und sonst: Frankreichs Medien werden gegenüber Sarkozy aufmüpfiger, berichtet Jürg Altwegg in der FAZ: "Dass die Boulevardzeitung 'Aujourd'hui' ein Dossier über Sarkozy und die Medien erstellte, das aus dem Redaktionssystem verschwand, haben die anderen schnell gemeldet. Zwischen den Zeitungen wurde ein Informationssystem eingerichtet, das per E-Mail problemlos funktioniert. Jeder Vorfall gelangt an die Öffentlichkeit... Die Zeitungen profilieren sich gegen die Ansprüche der politischen Macht und müssen sich gegen das 'freie' Internet behaupten. Der Druck, den Sarkozy ausübt, macht das Internet zur echten Informationsquelle. Millionen verfolgen im Internet die kleinen und großen Zensurgeschichten. Die Vorstädte sind ruhig, die Demos auf den Straßen ausgeblieben. Die Revolte rumort in den Medien."
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