"Verantwortungsvoller Umgang" mit Anti-Terrorbefugnissen gelobt
--- Das Parlamentarische Kontrollgremium hat den Geheimdiensten Zurückhaltung bei der Anwendung der Auskunftsermächtigungen im Anti-Terrorkampf während des vergangenen Jahres attestiert. In einer jetzt veröffentlichten Unterrichtung (PDF-Datei) zu den Maßnahmen nach dem Terrorismusbekämpfungsgesetz, das Rot-Grün als so genanntes zweites Anti-Terrorpaket nach dem 11. September 2001 eilig beschlossen hatte, ist von einem "zurückhaltenden und verantwortungsvollen Umgang der Nachrichtendienste mit dem zur Verfügung stehenden Instrumentarium" die Rede. Die erweiterten Auskunftsrechte bei Unternehmen seien "gezielt und nicht für eine flächendeckende Ermittlung eingesetzt worden". Die Dienste hätten bei den Eingriffen in die Grundrechte der Bürger die Grundsätze von Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit berücksichtigt.
Wie aus dem Bericht hervorgeht, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 2006 in sieben Fällen Abfragen bei Banken und Finanzdienstleistern sowie in 14 Fällen bei Telekommunikationsunternehmen getätigt. Davon waren insgesamt 89 Personen betroffen. Ferner sind laut den Hütern über Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 des Grundgesetzes auf der Ebene der Bundesländer neun Auskunftsersuchen angeordnet worden, von denen sich sieben an Banken und Finanzdienstleister und zwei an Telekommunikationsunternehmen richteten. Im ersten Bereich seien neun, im zweiten Fall zwei Personen betroffen gewesen. Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst haben dem Papier zufolge von ihren Möglichkeiten im vergangenen Jahr keinen Gebrauch gemacht.
Die "G-10-Kommission" hat den Verfassungsschützern zudem im vergangenen Jahr zehn Anordnungen zum Einsatz des umstrittenen IMSI-Catchers zur Überwachung der Mobilkommunikation genehmigt. Davon sollen zwölf Personen betroffen gewesen sein. Bei 26 beendeten Auskunftsverfahren beziehungsweise Einsätzen des IMSI-Catchers, die insgesamt 48 Personen betrafen, hat das Kontrollgremium über die potenzielle Benachrichtigung der in ihren Grundrechten Verletzten entschieden. Demnach sind 41 Betroffene vorläufig nicht über ihre Überwachung informiert worden. In einem Fall hat sich die G-10-Kommission endgültig dagegen entschieden, auf eine Mitteilung zu verzichten. So erfuhren 2006 allein sechs Personen von den erfolgten Grundrechtseingriffen.
Nach Angaben des Kontrollgremiums bildete die Ermittlung gegen ausländische extremistische und terroristische Vereinigungen wie schon in den vorangegangenen Jahren den Einsatzschwerpunkt. Trotz des hohen Gefährdungspotenzials dieser Gruppierungen sei es nicht zu einem erhöhten Gebrauch der Befugnisse im Vergleich zum Vorjahr gekommen. Zieht man die Zahlen aus 2004 heran, haben die Geheimdienste ihre Auskunftslizenzen sogar weniger stark in Anspruch genommen. Die Abgeordneten loben daher, dass auch im Kampf gegen den internationalen Terrorismus die Freiheitsrechte nur in dem Maß eingeschränkt worden seien, wie zur "Wahrung von Sicherheitsinteressen" unbedingt notwendig.
Die Grundrechtsbilanz könnte im kommenden Jahr aber weniger gut ausfallen, da den Nachrichtendienste seit Januar auch das ausgeweitete Instrumentarium des umstrittenen Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) zur Verfügung steht. Neben dem Verfassungsschutz können künftig auch Bundesnachrichtendienst (BND) und Militärischer Abschirmdienst (MAD) Auskünfte bei Luftfahrtunternehmen, Banken, Post-, Telekommunikations- und Telediensteunternehmen einholen. Dies gilt nicht mehr nur bei Terrorverdacht, sondern auch im Rahmen der Aufklärung "verfassungsfeindlicher Bestrebungen" im Inland. Entsprechend ausgedehnt wird die Ermächtigung zum Einsatz des IMSI-Catchers. Verdeckt fahnden dürfen Geheimdienste ferner im Schengener Informationssystem. Die Voraussetzungen für Auskünfte von Post-, Telekommunikations- und Teledienstunternehmen über Verbindungs- und Nutzungsdaten erstrecken sich auch auf weitere Fälle mit Gewaltbezug.
Für die auskunftsberechtigten Dienste ist es zudem deutlich einfacher geworden, die vorgesehenen Informationen bei Privaten einzuholen. Insbesondere wird das Verfahren nach Artikel 10 des Grundgesetzes, das eine ministerielle Anordnung mit Zustimmung der G-10-Kommission des Bundestages vorsieht, beschränkt. Auskünfte etwa von Luftfahrtunternehmen und Banken können sich die Nachrichtendienste so unkomplizierter besorgen. Dem Kontrollgremium müssen sie aber weiter Bericht erstatten. Die Parlamentarier der Kommission wollen nach eigener Aussage ihr besonderes Augenmerk künftig darauf richten, ob mit dieser "praxisorientierten Neustrukturierung einzelner Auskunftsbereiche" weiterhin eine ausreichende Kontrolle zum Schutz des einzelnen Bürgers gewährleistet ist. Datenschützer und Provider sind hier skeptisch: sie erwarten eine deutliche Zunahme der Auskunftsersuche.
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