2007-08-18

Bagdad-Blogger "Scott Thomas" ein Fake?

--- Spiegel Online berichtet über einen Glaubenskrieg um Bagdads Brutal-Blogger:
Das linke US-Magazin "New Republic" schockierte mit dem Front-Tagebuch eines Soldaten im Irak. Es steckte voller Brutalität, Grausamkeit, Zynismus. Die Armee erklärt die Berichte zur Fälschung, die Redaktion beharrt auf ihnen - eine Geschichte vom Schlachtfeld Wahrheit. Die Szenen waren herzlos, selbst für einen Bericht von der Front. Eine Irakerin, "ihr halbes Gesicht schwer vernarbt", von einer Bombe verbrannt. "Das törnt mich echt an", prahlte der Chronist. "Geschmolzene Haut, abgetrennte Gliedmaßen." Er beschrieb, wie er und seine Freunde die Frau auslachten. Dann Reue: "Ich war entsetzt und schämte mich zugleich für das, was ich gerade gesagt hatte." ... Der Verfasser dieser Zeilen, einer Art Tagebuch aus Bagdad, nannte sich "Scott Thomas". Die Berichte erschienen in der "New Republic", in der Online- und dann auch der Print-Ausgabe dieses einst einflussreichen linksliberalen, neuerdings zusehends mittigen US-Magazins, das alle zwei Wochen erscheint. "Scott Thomas" sei ein Pseudonym "für einen Soldaten, der momentan im Irak dient", schrieb die Redaktion. Es war ein journalistischer Knüller: ein schonungsloses Front-Blog eines GIs mitten im Geschehen, literarisch angehaucht. Die Sache traf mitten in die hitzig geführte Abzugsdebatte. ...Leider war alles erfunden. Oder übertrieben. Oder doch wahr? Kommt nun ganz drauf an, wem man glaubt. Die Armee jedenfalls erklärte die Frontberichte des Soldaten, der sich unter Druck als ein Gefreiter aus Illinois zu erkennen gab, nach förmlichen Ermittlungen für "falsch". ... Eine Woche später enthüllte die "New Republic" die Identität von "Scott Thomas". "Ich bin der Gefreite Scott Thomas Beauchamp, ein Mitglied der Alpha Company, 1/18 Infantry, Second Brigade Combat Team, First Infantry Division", teilte der Autor auf der Website des Magazins mit. Er dementierte, seine Berichte widerrufen zu haben. "Ich bin bereit, mit meinem wahren Namen zur Gesamtheit meiner Artikel für die 'New Republic' zu stehen." Beauchamp, 23, versicherte, seine Texte hätten nur seine private Sicht des Krieges zeigen sollen. ... Die "New Republic" enthüllte außerdem, wie es zu Beauchamp kam: Er sei mit Elspeth Reeve verheiratet, der Jungreporterin des Magazins. ... Sie verteidigte, dass ihr Autor anonym geschrieben hatte: Nur so habe Beauchamp "ehrlich und offen über seine Emotionen und Erlebnisse" schreiben und gleichzeitig weiter bei den Frontsoldaten dienen können. Alle Essays seien von der Dokumentationsabteilung gecheckt worden, schrieb Chefredakteur Franklin Foer. Man habe Experten hinzugezogen, um die Plausibilität zu prüfen. Zeugen seien kontaktiert, der Autor selbst zum Liefern "zusätzlicher Details" gedrängt worden.
Eine Erklärung zu dem undurchsichtigen Fall, der wohl nie restlos aufgeklärt wird, gibt es bei New Republic online.

Und sonst: Die Irakisierung Afghanistans schreitet nicht nur mit der jüngsten Entführung einer deutschen Hilfsorganisationsmitarbeiterin voran.

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