2007-10-28

Spiegel fatal: Pressefreiheit contra Buchtipp

--- Was ist nur los mit dem Spiegel? im aktuellen Heft kürt das Nachrichtenmagazin die 68er zur Titelgeschichte. Hintergrund: Ein Spiegel-Mitarbieter hat ein Buch dazu veröffentlicht. Im hinteren Teil des Heftes findet sich dagegen ein Artikel, der darlegt, dass der Bundestag in Kürze per Gesetz die Pressefreiheit aushebeln wird. Mit der Telekomunikationsüberwachung werde der Informantenschutz verhindert und damit kritischer Journalismus unmöglich, heißt es da. Früher wäre so etwas beim Spiegel die Titelgeschichte gewesen, heute sind es Buchtipps in eigener Sache. Schade.

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2007-10-27

US-Behörde probierts mit gefakter Pressekonferenz

--- Von gefakten oder bezahlten Nachrichten in diversen Medien hat man ja schon einiges gehört. Die schon im Katrina-Umfeld in die Kritik geratene US-Notfallbehörde Federal Emergency Management Agency (FEMA) ging nun einen deutlichen Schritt weiter:
Es waren erfreulich harmlose Fragen, mit denen sich Harvey Johnson konfrontiert sah. "Sind Sie zufrieden mit Femas Reaktion?", fragte ein Reporter den Vizechef der Federal Emergency Management Agency zur Brandkatastrophe. "Ja, ich bin sehr zufrieden", antwortete Johnson. Kritischer wurde es im Verlauf der am vergangenen Dienstag von der Fema in Washington anberaumten Pressekonferenz nicht - denn alle vermeintlichen Journalisten vor Ort waren in Wirklichkeit Fema-Mitarbeiter, wie die "Washington Post" jetzt herausfand.Die Behörde hatte ihre Pressekonferenz zu den schweren Waldbränden in Kalifornien erst 15 Minuten vor Beginn angekündigt. Deshalb war es keinem einzigen Reporter möglich, bei der Veranstaltung präsent zu sein. Einige Journalisten ließen sich telefonisch zuschalten, konnten jedoch keine Fragen stellen. Vor Ort waren neben Johnson lediglich Mitarbeiter der Fema anwesend. Die Pressekonferenz wurde von mehreren TV-Stationen übertragen. Die Behördenleute gaben sich zu keiner Zeit als Fema-Angestellte zu erkennen und stellten ihrem Vorgesetzten etliche lammfromme Fragen. ohnson schrieb am Freitag in einem Beitrag für die "Washington Post": "Unser Ziel war es, die Information so schnell wie möglich zu verbreiten, dabei haben wir einen Fehler gemacht." Er wies jedoch darauf hin, wie hervorragend die Reaktion der Fema auf die Waldbrände gewesen sei. Eine Sprecherin von Präsident George W. Bush sagte der "Los Angeles Times" (Samstagsausgabe): "Das ist keine Praxis, die wir hier im Weißen Haus anwenden würden." ... Deutlicher äußerte sich das US-Heimatschutzministerium, dem die Behörde unterstellt ist: "Das ist unentschuldbar, solche Aktionen werden nicht toleriert und dürfen sich nicht wiederholen."
Und sonst: Schäuble kämpft weiter gegen islamistische Propaganda im Netz: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat am heutigen Freitag das Gemeinsame Internetzentrum (GIZ) in Berlin besucht, dessen Aufgabe es ist, Informationen zum islamistischen Extremismus und Terrorismus durch die Beobachtung einschlägiger Internetseiten zu beschaffen. ... Die GIZ-Mitarbeiter wussten unterdessen davon zu berichten, dass Deutsch als Sprache islamistischer Propaganda im weltweiten Datennetz immer mehr an Bedeutung gewinne. Wichtigste Sprache sei zwar nach wie vor Arabisch, aber neben der zunehmenden Zahl englisch- und französischsprachiger Webseiten fänden sich zunehmend auch solche auf deutsch. Schäuble wertete die Zunahme als ein Zeichen dafür, wie versucht werde, gezielt Menschen anzuwerben, die weder einen ausländischen noch einen Migrationshintergrund haben. Auch berichteten die Mitarbeiter dem Minister von einer explosionsartigen Vermehrung islamistischer Propaganda im Datennetz.

Passend dazu von der anderen Seite: Mit eigenen Videos gegen Terror-PR. Die NATO will politischen Eiferern, etwa islamischen Extremisten, die ihre Öffentlichkeitsarbeit inzwischen professionell aufgezogen haben, jetzt auch in puncto PR den Kampf ansagen – und künftig ebenfalls auf die Macht des bewegten Bildes setzen. Laut der Nachrichtenagentur Canadian Press hat Dänemark eine Million Euro bewilligt, um die NATO mit Kameras und Videotechnik zu versorgen – das Ziel: Die Soldaten sollen öffentlichkeitswirksames Bildmaterial aus Afghanistan liefern.

Bush dürfte als großer Umarmer in die Geschichte der symbolischen Politik eingehen: Bush the Embracer: Interpreting the Presidential Hug. ... Long after his presidency is history, some of the most memorable images of Bush's years in office will involve hugs.

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2007-10-26

Mindestlohn, Merkel und Medienschlacht

--- Ho, ha, geht es jetzt der "Springer-Presse" an den Kragen? Die Sueddeutsche erhebt heute indirekt den Vorwurf, Springer betreibe eine Kampagne, die man mit "Merkel contra Mindestlohn" umschreiben könnte. Auslöser ist die aktuelle Titelgeschichte des amerikanischen Magazins Newsweek. Darin wird Merkel als reformmüde beschrieben. Das ist vielen schon vor Monaten aufgefallen. aber weil es die deutsche Politikerin auf den Titel des US-Magazins geschafft hat, was selten einem deutschen Politikier gelingt, war der Trubel groß. Und nicht nur das:
"Am Dienstag dieser Woche übernahm Bild die Newsweek-Titelstory und machte im politischen Teil mit der Schlagzeile auf: "US-Magazin nennt Angela Merkel ,verlorene’ Kanzlerin". Doch fehlte der Hinweis, dass Bild-Mann Müller-Vogg zu den Kräften der Geschichte zählt. Newsweek hat die Biografien der eingespannten Texter abgedruckt. "Die Passagen, die Bild übernommen hat, stammen nicht von den deutschen Gastautoren", teilt Springer-Sprecherin Edda Fels mit. Gemeint ist, dass sich Bild auf die Hauptgeschichte bezieht, also Müller-Vogg nicht erwähnt werden musste. (...) Einen Tag später als Bild - am Mittwoch dieser Woche - thematisierte die Welt, eine andere Springer-Zeitung, im innenpolitischen Teil die "Mär von Maggie Merkel". Im Mittelpunkt der Kritik ("Wirtschaft ... beklagt mangelnden Reformwillen der Regierung") steht Bild-Autor Müller-Vogg mit seiner Newsweek-Einlassung von Merkel als einer "Politikerin ohne innenpolitischen Kompass".
An diesem Beitrag arbeitete auch die Chefkorrespondentin der Welt mit, Mariam Lau, Ehefrau des in Newsweek zitierten Zeit-Kommentators. Einen Tag vorher war Mariam Lau selbst mit einem Gastkommentar im Wall Street Journal vertreten. Ihre Kronzeugen für den "German Reform Blues" sind Regierungssprecher Ulrich Wilhelm und der als "ausgesprochen konservativ" vorgestellte CDU-Vertreter Volker Kauder. Um Merkel geht es auch. Hauptsächlich geht es um das Ende der Reformpolitik und um ein "Schreckensszenario": ein Bündnis von SPD und Linken."
Die SZ sieht den Zusammenhang, dass der Springerverlag derzeit gegen den geplanten Mindestlohn in der Postbranche wettert (wir berichteten). Mit einer eigenen Firma will der Verlag der Post paroli bieten, was mit einheitlichen Mindestlöhnen schwer fällt. Um den Mindestlohn zu verhindern wolle Springer wohl die eigene Macht demonstrieren, um Merkel zum Handeln zu zwingen, lautete die Botschaft. Springer dementiert natürlich. Und vermutlich zurecht. Friede Springer hat doch andere Zugänge zur Kanzlerin als auf eine derartige Art und Weise mit den Muskeln zu spielen. Die Story hat noch andere Schwächen, auch wenn es den bekannten Springerhass bedient. Nur weil Springer mehrere Zeitungen hat und entsprechend die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass auch ein Springerblatt wie alle anderen auch dem Leitmedium Bild folgen: Wie sollte es der Springer-Verlag schaffen, dass ein US-Magazin Merkel auf den Titel hebt? Kundige bitte melden!

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2007-10-24

Bahn-Streik: Spinning per Kauderwelsch

--- --- Im Konflikt zwischen der Deutschen Bahn AG und der Lokführer-Gewerkschaft GdL wird mit allen Bandagen gekämpft. Vor allem geht es darum, die Hoheit über die öffentliche Meinung zu gewinnen. Wer schlechter da steht, muss sich gegenüber den Bahnkunden für sein Verhalten rechtfertigen. Deshalb ist Sprache von zentraler Bedeutung in dem Kommunikationsstreit zu Streikzeiten. Ausnahmsweise sei hier eine Pressemitteilung veröffentlicht, die das Thema sehr gut zusammenfasst. Sie stammt von Winfried Herrmann, Verkehrsexperte der Grünen im Bundestag:

"Es ist schon erstaunlich, wie es die Kommunikationsexperten der DB AG verstehen, immer wieder neue Mogelpackungen als kompromissfähiges Angebot und als Zugehen auf die GDL zu verkaufen. Zumindest versuchen sie es stets aufs Neue. So wird aus einem eigenständigen Tarifvertrag im Bahnangebot ein eigener Tarifvertrag. Aus der Bezahlung für bereits geleistete Überstunden wird eine Einmalzahlung in Höhe von 2000 Euro, die Ausdehnung der Wochenarbeitszeit von 41 auf 43 Wochenstunden also die Mehrarbeit gegen Bezahlung interpretiert die DB AG zu einer 10prozentigen Tariferhöhung. Das ist zynisch und ganz sicher kein neues Angebot, sondern nur die mantrahafte Wiederholung des Alten. Besser wird es dadurch nicht. Und nun der neuester Coup der DB AG: Aus dem Moderatorenvorgabe, ein konflikt- und widerspruchsfreien Ergebnisses für beide Tarifparteien zu erzielen, macht DB AG die Formulierung, dass sich jede Vereinbarung mit der GDL in das „Tarifwerk der DB AG einfügen“ muss. Das ist eine Verdrehung der Tatsachen."

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2007-10-21

Terror-Websites raus aus dem Netz?

--- Die New York Times beleuchtet mal wieder Fragen des Umgangs mit islamistischen Propaganda-Seiten und sieht Versuche, diese aus dem Netz zu verbannen, skeptisch:
One by one, starting a few weeks ago, 40 militant Islamist Web sites got knocked off the Internet. Gone were some of the world’s most active jihadi sites, with forums full of extremist chatter. This disappearance mystified American counterterrorism officials. They hadn’t shut them down, they knew, so who had? Happily claiming credit for the jihadi blackout is a Christian-Lebanese engineer named Joseph G. Shahda, who is waging a private, and passionate, war on terrorism from his home near Boston. “These sites are very, very dangerous,” Mr. Shahda said. “And I think we should keep going after them. They are used as recruiting tools for terrorists, arousing emotions, teaching how to hate.” Except it’s not quite that simple, when you talk to some terrorism experts. Mr. Shahda’s one-man operation highlights the tension over what to do about online jihadi militancy — a tension that has grown along with the material. Perhaps it’s better to shut it down, and try to prosecute those involved. Or maybe the material should be left up, as a way to learn something valuable in the larger battle against terrorists. “There’s a lot to be gained by watching these sites,” said Brian Fishman, a senior associate at the Combating Terrorism Center at the United States Military Academy at West Point. One thing not in dispute is the sheer volume of the material. Al Qaeda has begun issuing videotapes as often as twice a week, while insurgents in Iraq pump them out daily, and the blood-drenched images appear on several thousand militant Web sites that now include upward of 100 in English. Public concern rose a notch last week when The New York Times reported that one of the most popular English-language sites was run by a 21-year-old Qaeda enthusiast named Samir Khan from his parents’ home in North Carolina. Mr. Khan has done so since late 2005, unchallenged by law enforcement authorities. “Isn’t there anything this fellow can be charged with, or is he completely free to aid the global jihad from North Carolina and give interviews to The New York Times?” Robert Spencer wrote on his site, Jihad Watch. But those who are reading Mr. Khan’s blog include officials at the Combating Terrorism Center who, since last year, have been training F.B.I. agents and analysts with the government’s joint terrorism task forces. Center officials say Mr. Khan’s blog yielded confirmation of an important discovery: that a host of militant sheiks and scholars, dead and alive, are today far more influential than Osama bin Laden. These men include Abdullah Yusuf Azzam, a mentor of Mr. bin Laden’s who promoted global jihad with his writings until his death in 1989, and the center’s findings helped the authorities conclude that Al Qaeda is but part of a larger, and diffuse, ideological movement. Similar efforts to monitor online jihadists are under way in cities like Berlin, where intelligence and law enforcement officials have created a new multi-agency Internet center, and New York, where the police department this summer published a report on Islamic extremism that drew from the department’s online sleuthing.
Und sonst: Neues zum Thema Infowar: "Die erste Schlacht in den Kriegen der Zukunft geht um die Kontrolle des Cyberspace". Die US-Luftwaffe sieht den Cyberspace als Erweiterung des Luft- und Weltraums an und erklärt das Cyberkommando zur wichtigsten Streitkraft.

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2007-10-17

Polen: Deutsche Journalisten sind "gleichgeschaltet"

--- Polen schürt die Angst vor den Deutschen? Dürfen wir das schrieben, oder machen wir uns damit gleich gemein mit der "gleichgeschalteten" deutschen Presse, die seit Monaten gegen Polen wettert? So jedenfalls sieht es die polnische Regierung jetzt in einer eigens erstellten Broschüre, wie die FAZ berichtet.
"Mariusz Muszynski, der Beauftragte der polnischen Regierung für die Beziehungen zu Deutschland, hat jetzt im Auftrag des Außenministeriums zusammen mit einigen Freunden in einer dicken Broschüre verkündet, warum deutsche Journalisten kein gutes Haar an Polen lassen: weil sie samt und sonders „von dem Ideal abweichen“, dem sie in der Demokratie folgen sollen, nämlich „selbstlose, unvoreingenommene, überparteiliche Mittler“ zu sein. Statt dessen sähen sie ihr oberstes Ziel darin, immer und überall die Diplomatie der „Großmacht BRD“ „tatkräftig“ zu unterstützen, welche seit „Bismarck“ nur im Sinn habe, „den ganzen Kontinent“ mit „einem Netz bi- und multinationaler Verträge“ zu überziehen, dessen „Fäden“ schließlich alle nach Berlin liefen."
Nicht ohne, Herr Muszynski. Offenkundig liest er zu wenig deutche Zeitung und konzentriert sich nur auf die Karrikaturen, die seinen Regierungschef nicht immer nett gezeichnet haben - was einen bei einer Karrikatur nicht wundern muss. Aber, es geht ja noch weiter: "Ausgehend vom Begriff der Staatsräson, entwickelt Muszynski eine Theorie der Selbstgleichschaltung der deutschen Medien, welche vor allem dadurch möglich sei, dass den Lesern im Lande letztlich egal sei, was in den außenpolitischen Spalten der Zeitungen stehe. „Der Haken bei der Sache“ liege „darin, dass die deutsche Gesellschaft in ihrer Masse eher auf Konsum eingestellt ist und kein Interesse an der Außenpolitik als solcher zeigt“, stellt er sachkundig fest. So könne das Heer der Korrespondenten es sich leisten, ungestraft als Regierungsherolde zu schreiben, statt als Dienstleister eines wissensdurstigen Publikums."
Übrigens wird bald gewählt in Polen. Ist es jetzt arrogant, wenn wir das alles als Schmunzette abtun? Egal - weiter machen!
P.S.: Reporter ohne Grenzen haben diese Woche festgestellt, dass in der EU die Pressefreiheit in Polen am stärksten eingeschränkt ist.


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2007-10-11

Post-Mindestlohn: Lobbying mal transparent

--- Die Deutsche Post AG ist dafür bekannt, dass sie leise und diskret für ihre Interessen kämpft - erfolgreich. So hat sie lange Jahre dafür gesorgt, dass das Postmonopol nicht fällt und konnte mit den Milliardengewinnen aus dem Briefmonopol ihre weltweite Expansion finanzieren. Nun fällt das Monopol Ende des Jahres, und die Post tut alles, damit es nicht ganz so weh tut. Dazu gehört ein Mindestlohn, den der Quasimonopolist stellvertretend für sich und die wenigen Konkurrenten (dank eines eigens gegründeten Arbeitgeberverbandes) mit der Gewerkschaft verabschiedet hat - die ja bekanntlich auch für Mindestlöhne kämpft. Auf 9,80 Euro haben sie sich geeinigt, zu viel für die Post-Konkurrenten. Da mussten sie handeln: Sie haben einen eigenen Arbeitgeberverband (der Neuen Biref und Zustelledienste) gegründet, ihre Mitarbeiter auf die Straße geschickt, um gegen zu hohe Löhne zu demonstrieren und sie gleichzeitig unterstützt, eine eigene Gewerkschaft (Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste e.V.)zu gründen. Wenn sie einen Mindestlohn vereinbaren wird Bundesarbeitsminister Franz Müntefering nicht mehr wissen, welchen Mindestlohn er nun genehmigen soll. So etwas gab es noch nie.
Inzwischen bombardieren sich Post und private Konkurrenten gegenseitig mit Pressemitteilungen, die jeden Takt vermissen lassen. So schreibt der Arbeitgeberverband der Deutschen Post AG: "Wo auf der Welt demonstrieren Arbeitnehmer für Armutslöhne und damit gegen ihre eigenen Interessen? Mit einer von PIN und TNT bezahlten Teilnahme an einer Scheinkundgebung werden die Mitarbeiter instrumentalisiert. Hier werden Ängste der Beschäftigten schamlos ausgenutzt und damit die gesamte Branche in Misskredit gebracht," so Wolfhard Bender, Vorstand AGV Postdienste." Bender hat früher bei der Post AG gearbeitet. Der Mindestlohn wird kommen, die Frage ist, wie hoch er sein wird. So hoch, dass die Konkurrenten keine Chance gegen die Post haben werden oder so niedrig, dass es fast schon Dumping ist? Ende offen. Mehr in der Welt.
UPDATE 12.10.: Jetzt machen die Zeitungsverlage mobil. In ganzseitigen Anzeigen kritisieren sie, dass die Post keine MEhrwertsteuer zahlen muss und mit dem Geld (1,5 Milliarden) weltweit Unternehmen aufkauft. Hintergrund: Die meisten der neuen Post-Konkurrenten sind Unternehmen der Verlage.

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2007-10-08

Berlusconi meldet sich auf der Politbühne zurück

--- Mit seiner alten Aufteilung der Welt in schwarz und weiß sowie einem neuen Gelöbnis zum Kampf für die "Freiheit" hat sich Selbstinszenierungskünstler Berlusconi auf der schon immer besonders bunten politischen Bühne Italiens zurückgemeldet:
Am Ende regnet es Konfetti. Dicht fallen Flocken von der Decke, groß wie Visitenkarten, schneeweiß und himmelblau. Die Fahnen wehen, und in den hinteren Reihen hält es niemanden mehr auf seinen Plätzen. Nach vorn drängen sie, nach vorn, wo ein Mann im dunkelblauen Anzug im Flockensturm die Hände ausbreitet. Länger als drei Stunden hatten die 8000 in der römischen Messehalle auf ihn gewartet, bis er endlich die Bühne betrat, rechtzeitig vor den Abendnachrichten im Fernsehen. Er sprach zu ihnen von einem Aufbruch, von einer neuen Zeit, einer besseren Regierung ... Silvio Berlusconi meldet sich zurück. "Ich bin überzeugt, dass wir im Frühjahr wählen gehen", ruft er der Menge zu und zitiert genüsslich Umfrageergebnisse, die ihm für diesen Fall eine satte Mehrheit versprechen. Der Wahlverlierer des vergangenen Jahres drängt mit Macht heraus aus seiner ungeliebten Rolle als Oppositionsführer. Er will wieder an die Regierung, mit einer neuen Partei, die das Mitte-rechts-Lager einen soll, zumindest die beiden großen Parteien, Berlusconis Forza Italia und die postfaschistische Alleanza Nazionale von Ex-Außenminister Gianfranco Fini. "Circolo della libertà", Freiheitszirkel, heißt Berlusconis neue Formation, die am Samstag in Rom zum ersten Kongress zusammengekommen ist. "Ihr seid die neue Führungsschicht", verspricht er ihnen, und sie feiern jubelnd ihren Meister. Die Organisation, die nach einem Jahr Arbeit in aller Stille auf mittlerweile 5300 Ortsverbände kommt, soll Berlusconis Waffe gegen Premierminister Romano Prodi werden ... Michela Vittoria Brambilla heißt die Frau, die seine neue Partei organisiert. Vor einem Jahr hat sie angefangen, den Freiheitszirkel zu gründen. Nebenbei führt die 39-Jährige weiter die Betriebe ihrer Familie, darunter ein Gefrierkost- und ein Tierfutterunternehmen sowie ein Stahlwerk, was ihr den Beinamen "eiserne Lady" eintrug. Die langen roten Haare, der taillierte Blazer und die tief ausgeschnittene Bluse, die Zwölf-Zentimeter-Absätze, die sie am Samstag in Rom trägt, haben dazu beigetragen, dass sie Berlusconis Liebling wurde, aber auch ihre Tatkraft, die der Meister lobt: "Sie ist eine wunderbare Person. Sie entscheidet eine Sache und setzt sie sofort um", schwärmt Berlusconi. "Sie ist eine echte Kriegsmaschine, ein Bulldozer." Hand in Hand steigen die beiden am Samstag aufs Podium, sie strahlt ihn an und küsst ihm die Hand: Wer hier der Chef ist, muss allen klar sein.
Wie es weitergehen könnte, lässt sich im "Phänomen Berlusconi" nachlesen.

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2007-10-03

Burma: "Atombomben-Ansatz" zur Internetzensur

--- Von den "Cyber-Dissidenten" alias Burma- bzw. Birma-Bloggern war ja schon einiges zu lesen. Technology Review hat nun ein Interview mit John Palfrey, dem geschäftsführenden Direktor des Berkman Center for Internet and Society an der Harvard Law School, zu dem inzwischen erfolgten "Internet Crackdown" der Junta in "Myanmar" gemacht:
The Burmese citizens have access to a sharply limited version of the Internet, which they call the Myanmar Internet. The military junta seems to have been thinking of the Internet as more like a local area network [LAN] than like the World Wide Web. They see the Internet as an internal network with as few links to the outside world as they can manage, particularly when it comes to political information. Burma is alongside places like North Korea in terms of offering one of the most limited, crudely blocked versions of the Internet in the world. On the best days. ... the people of Burma who wish to access the broader Internet have been able to use proxy services to get around the filtering traditionally. ... I've never seen anything like this cutoff to the Internet at such a broad scale so crudely and completely. They've taken the nuclear-bomb approach. We've witnessed what appear to be denial-of-service-type attacks during elections, for instance, but nothing so large-scale like this shutdown. Still, information has leaked out. So the military junta has found that given the many roots to the global telecommunications infrastructure, it's very hard to cut off a place entirely. ... The hope, I suppose, is that the military junta restores at least some form of Internet and cell access. The most clever people in Burma will find a way to use it to get information through the blockages. But the future of access to information about Burma, and by people within Burma, looks bleak.
Das sieht ja schlecht aus für die alte Weisheit, dass das Internet Zensur als Schaden behandle und einfach darum herum leite, zumindest für die Betroffenen vor Ort.

Update: Telepolis schreibt über die"dunklen Seiten" des Bürger-Journalismus aus Burma, da dieser anscheinend auch vom MIlitärregime für seine Zwecke missbraucht wird. Die Junta kann sich nun vielleicht auch der Fotos und Filme bedienen, die Reporter und Burmesen gemacht haben, die also zunächst auch dazu dienten, die Weltöffentlichkeit über Blogs und Medien zunächst auf die Proteste und dann auf deren brutale Niederschlagung aufmerksam zu machen. Sollte dies der Fall sein und sollte das Militärregime tatsächlich aufgrund von Fotos und Filmen nach den Menschen suchen, die sich an den Protesten beteiligt haben, dann erhält die vielerorts gepriesene Öffentlichkeit, die durch die über Blogs und Medien verbreiteten Bilder hergestellt wurde, zumindest eine dunkle Seite. Man könnte auch sagen, dass die Verbreitung von Bildern, die in einem Gewaltregime kenntlich Protestierende zeigen und deren Gesichter nicht unkenntlich machen, bestenfalls naiv ist, aber womöglich auch den Sicherheitskräften die Arbeit abnimmt, um Oppositionelle zu identifizieren und zu jagen. Was möglicherweise zu einem Umbruch – einer "gelben Revolution" – beitragen könnte, wird fatal und zum unfreiwilligen Akt der Überwachung, wenn die Protestbewegung wie jetzt in Burma erbarmungslos zerschlagen werden kann, ohne dass es tatsächlich eine Hilfe von außen für die Betroffenen gibt. ... Wie Democratic Voice of Burma berichtet, hat das Militärregime eine Medienkampagne gestartet, um auch die "Bürgerjournalisten" zu identifizieren, die Bilder vom brutalen Vorgehen der Sicherheitskräfte gemacht und sie an ausländische Medien weiter gegeben haben. Staatliche Medien, Ministerien, Behörden und staatstreue Bürger werden aufgefordert, Fotos, die von diesen gemacht wurden, zur Verfolgung an die Geheimdienste weiter zu geben.

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