2007-12-01

Die Intimität der Videoblogs

--- Die Süddeutsche Zeitung widmet sich der neuen Form der Medienöffentlichkeit in journalistischen Vlogs:
Das Ganze steckt noch in den Kinderschuhen. Man merkt, wie jeder, der sich auf das neue Medium einlässt, seinen eigenen Weg sucht - wobei der Eindruck des Selbstgebastelten gar nicht verwischt werden soll. Trotzdem kann man bereits in diesem Anfangsstadium beobachten, wie das neue Medium, mit einem Titel von Jürgen Habermas zu sprechen, einen "Strukturwandel der Öffentlichkeit" bewirkt. Und zwar durchaus mit einer klaren Tendenz. ...

Im Videoblog verbinden sich Eigenschaften des Print-Journalismus, der Internet-Kommunikation und des Fernsehens. Alle drei verwandeln sich dabei und bringen ein neues Format mit eigener Funktionslogik hervor. Das Hauptmerkmal dabei ist, dass es sich in einer kleinen, einer fragmentierten Öffentlichkeit abspielt - und das hat Konsequenzen auf die dort favorisierte Kommunikationskultur. ... [Dort] tritt an die Stelle dieser Allgemeinheit das Besondere, Individuelle, ja das radikal Subjektive: Hier darf jeder so richtig "Ich" sagen - schließlich ist man in der kleinen Öffentlichkeit quasi unter sich. Man könnte auch sagen: Noch nie ist der Sender dem Empfänger so vertraulich nahe gerückt. ...

Das Vloggen lebt von jenen Befindlichkeitswallungen, die noch nicht die Verallgemeinerungsfähigkeit des Logos erreicht haben, die man deshalb in einem Text nur schlecht auf den Begriff ("aaarrhh") bringen kann, die aber in der kleinen, der intimen Öffentlichkeit des Videoblogs sich mitteilen wie im Familienkreis. Der diskursiv-öffentliche Raum als eine Distanzsphäre wird verzwischenmenschlicht. Es ist kein Zufall, dass man bei Harald Martensteins Videoblog tatsächlich im Zuhause des Tagesspiegel-Redakteurs angekommen ist. Man sieht ihn vor der Kulisse seiner Wohnküche samt Kaffeetasse, blauem Toaster und Schürze am hölzernen Geschirrschrank. ... Hier muss sich der laut geäußerte Bewusstseinsstrom nicht vor den Kosten der wertvollen Sendezeit rechtfertigen - nur vor der Langmut des Zuschauers. ...

Das Medium, eben weil es nie der Ernstfall, sondern immer nur die Spielwiese ist, neigt dazu, in einem Morast aus Ironie zu versinken, in dem es unmöglich ist, überhaupt noch feste Fußabdrücke zu hinterlassen. ... Andererseits werden sich die Leute bald danach sehnen, dass niemand mehr "Ich" sagt. Es werden dann vermutlich auch im Netz Ich-hemmende Regularien zum Aufbau institutioneller Autorität eingeführt. Denn die Möglichkeiten, die das Bloggen bietet, sind zu groß, um sie nicht zu nutzen.
Und sonst: Bin Laden gibts jetzt auch auf deutsch -- zumindest mit deutschen Untertiteln. Und die Taliban sind unschuldig, sagt der Alte in der Höhle.

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1 Comments:

At 1:56 PM, Anonymous Anonym said...

Ein reflektierender Artikel über das spannende Thema.

 

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