2010-02-16

Lehrstuhl für Spinning ausgeschrieben

--- Spinning lässt sich jetzt auf deutsch mit "Reformkommunikation" übersetzen, wenn es nach einer aktuellen Stellenausschreibung geht der privaten Zeppelin University geht. Mehr bei Telepolis. Anregungen für den Vorstoß finden sich demnach mal wieder bei der Bertelsmann-Stiftung und der an sich schon recht spinnigen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft:
Wird es am Bodensee bald die erste Professur für Propaganda nach 1945 in der Bundesrepublik geben? ... Reformkommunikation, das ist, was das wissenschaftliche Ordnungsgefüge anbelangt, ungefähr so, als wenn man innerhalb der Veterinärmedizin noch eine Professur für das Schweineschlachten ansiedelt. Und das, was bei der "Reformkommunikation" geschlachtet werden soll, ist der mündige Bürger. Denn wie man ihm das Fell über die Ohren zieht und er dabei noch immer meint, das sei zu seinem Besten, das ist der Gegenstand der "Reformkommunikation". Wer genauer wissen will, was es mit diesem Begriff auf sich hat, der kann sich zum Beispiel in einem "Diskussionspapier" der als äußerst reformfreudig bekannten Bertelsmannstiftung mit dem Titel: Politische Reformkommunikation. Veränderungsprozesse überzeugend vermitteln, informieren (PDF-Datei). ... Gerade bei Reformen, die "schmerzliche Eingriffe in die Besitzstände relevanter Wählergruppen bringen", so das Bertelsmann-Papier, müssten die "vorhandenen gesellschaftlichen Werte- und Einstellungsmuster" durch "gezielte Kommunikationsstrategien" verändert werden. ... So entblödet sich das Bertelsmann-Papier auch nicht festzustellen, die von der "Agenda2010 eingeleitete Reformpolitik" sei nicht an den Inhalten, sondern an dem "Mangel an problemadäquatem, konsistentem kommunikativen Verhalten der politischen Akteure" gescheitert.

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2 Comments:

At 10:38 PM, Blogger renovatio said...

Meine Fresse... wenn's nicht so bitter wäre, würde ich das als schlechten Scherz abgetan haben. Aber - und hier ist m.E. der Knackpunkt: Welche Zielgruppe gibt es denn für die "spin-bewußte" Kommunikation? Hä? Das RTL2-/Vox/"Raus aus Deutschland"-Publikum mit Arschgeweih und Altmetall-Fresse wird's ja wohl nicht sein. Aber wer dann? Die heute im Ruhestand oder vegetativem Stadium befindliche 68-er Generation? Westerwelles Möchtegern-Lover? Angies Jugendfreunde, die sie gern zum Zug kommen lassen hätte? Wer? Echt! Ich möchte es gern wissen!

 
At 6:44 PM, Blogger Prof. Dr. Marco Althaus said...

Ist die Häme nicht ein bißchen überzogen? INSM und Bertelsmann haben die Reform ja nicht erfunden, und die Kommunikation darüber auch nicht. Seit es politische Reformen gibt, sind sie schwierig, und sie sind schwierig, weil sie (a) Interessenkonflikte verschärfen und (b) Reformer meist wenige lauwarme Unterstützer, aber dafür viele laute Kritiker vorfinden. Reformen (und Regierungen) scheitern oft, weil Ziele und Mittel nicht überzeugend kommuniziert werden. Die Zustimmung der Regierten gibts eben nicht zum Nulltarif.

Damit beschäftigen sich Politik- und Kommunikationswissenschaften seit langem. Dass eine junge private Hochschule eine Juniorprofessur spezifisch für das Thema finanziert, ist keine völlig beklapste Idee und ist auch kein Spinning. Erstmal sehen, was der oder die junge Forscherin dann produziert! Die Ergebnisse in der Luft zerfetzen kann man dann immer noch.

 

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