2010-10-23

Wikileaks-Protokolle enthüllen Folter im Irak-Krieg

--- Nach den Afghanistan-Tagebüchern hat Wikileaks nun inmitten der Debatten über die Zukunft der Whistelblower-Plattform und ihres Mitgründers Julian Assange die Iraq War Logs veröffentlicht. Die Gerüchteküche brodelte schon die ganze Woche und das Pentagon hatte kürzlich noch Medien gewarnt, nicht wieder als Partner der Publikation und "Erstauswerter" zu fungieren. Nichtsdestoweniger sind die üblichen Verdächtigen -- Spiegel, Guardian & New York Times -- wieder an Bord, wobei vor allem Spiegel Online bei der Präsentation des Materials mit interaktiven Datenbanken, Zeittafeln, einem FAQ & diversen erläuternden Berichten aufgeholt und gepunktet hat. Dazu gekommen sind dieses Mal unter anderem der arabische TV-Sender al-Dschasira und mehrere europäische Rundfunkanstalten. Einig sind sich die Vorab-Inspekteuren der 391.832 Protokolleinträge der US-Armee, dass diese mehr oder weniger systematisch bei Folterungen der irakischen Truppen weggeschaut und sich selbst auch nach Abu Ghraib diverse Grausamkeiten im Kriegsalltag zuschulden kommen lassen hat. Es sei darum gegangen, vor allem das fragile neue System im Irak zu unterstützen, heißt es in einem Video des Guardian zu dem brisanten Material, das eine neue Herausforderung für den "Datenjournalismus" darstellt.

Spiegel Online stellt in einem Beitrag vor allem auf eine Elite- alias Foltereinheit der Iraker ab:
Gewalt, Misshandlungen, Folter - in den Irak-Protokollen findet man viele Belege dafür, dass die einheimischen Sicherheitskräfte brutal vorgehen. Nun steht die Frage im Raum, was die US-Soldaten dagegen unternahmen, unternehmen konnten und wollten. In Hunderten Fällen sind es US-Ärzte, die bei Irakern Folterverletzungen und -wunden diagnostizieren. Immer wieder beklagen Häftlinge, sie seien mit kochendem Wasser verbrüht worden; ihnen seien Fingernägel ausgerissen, die Fußsohlen mit Elektrokabeln zerschlagen, Genitalien mit Stromstößen malträtiert und Flaschen oder Holzstücke in den After eingeführt worden. Und immer wieder gibt es auch Fälle, in denen US-Soldaten die Folterpraxis ihrer irakischen Kollegen decken. Dann steht unter den Berichten die Empfehlung: "Keine Untersuchung erforderlich." ... Viele Fälle von Misshandlungen stehen in Zusammenhang mit der 2004 aufgebauten, inzwischen berüchtigten Wolf-Brigade - einer von US-Experten ausgebildeten Elitetruppe mit gut 2000 Mitgliedern. Sie soll den Anti-Terror-Kampf anführen und die mächtigste Waffe der einheimischen Sicherheitskräfte gegen al-Qaida sein. Bakir Sulagh, schiitischer Innenminister des Landes zwischen 2005 und 2006 und Dienstherr der Wolf-Brigade, rekrutierte in seiner kurzen Amtszeit Polizisten vornehmlich bei radikalen Schiiten-Milizen. Der Bruderzwist zwischen Sunniten und Schiiten strebte damals auf einen Bürgerkrieg zu; nun ging unter Bagdader Sunniten bald die Angst um, die Polizei schicke Todesschwadronen auf Andersgläubige los. Die Wolf-Brigade richtete an mehreren Orten im Land Geheimgefängnisse ein. Dort misshandelte sie Häftlinge - das ist in den Geheimprotokollen ebenfalls penibel dokumentiert.

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