2011-07-28

Wenn Politiker nicht schweigen können

--- Spargelfahrt des Seeheimer Kreises 2010
Wie zwinge ich einem Politiker eine Debatte auf, die er gar nicht führen will? Die Bild-Zeitung exerziert dies heute auf ihre eigene Art. Auf Seite 2 fragt sie in der Überschrift: "Was hat Sarrazin mit der Killer-Bestie von Oslo zu tun, Herr Gabriel?" Die Redakteure hatten ein Interview des Parteivorsitzenden der SPD mit der Nachrichtenagentur DPA gelesen. Darin hatte Gabriel gesagt:

„In einer Gesellschaft, in der der Anti-Islamismus und die Abgrenzung von anderen wieder hoffähig wird, in der das Bürgertum Herrn Sarrazin applaudiert, da gibt es natürlich auch an den Rändern der Gesellschaft Verrückte, die sich letztlich legitimiert fühlen, härtere Maßnahmen anzuwenden.“

Die Bild folgerte daraus, Gabriel mache Sarrazin mit dessen Thesen ("Deutschland schafft sich ab") für den Massenmord in Norwegen verantwortlich. Auf Nachfrage hatte Gabriel am Mittwoch der Bild keine Auskunft gegeben, da er sich im Ausland aufgehalten hatte. Stattdessen ließ Bild Sarrazin zu Wort kommen. Den hatte Gabriel vergeblich versucht, aus der Partei auszuschließen. O-Ton Sarrazin in Bild: „Sigmar Gabriel kann seine peinliche Niederlage vor dem Parteigericht offenbar nicht verwinden."

Heute dann reagierte Gabriel, wie DPA gerade verbreitet: "Diesen Zusammenhang gebe es „natürlich nicht“, sagte Gabriel der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag. „Keine der zuletzt bei uns oder anderswo geführten Debatten kann ein Vorwand sein für Gewalttaten, wie wir sie in Norwegen erleben mussten.“ Allerdings seien Politiker auch für das politische Klima in ihrem Land verantwortlich."

Wir sind gespannt, was Bild morgen berichten wird.

2011-07-20

Verschwörung: Rupert Murdoch & die 4. Macht im Staat

--- Über das teils antagonistische, teils symbiotische Verhältnis zwischen Medien und Politik bzw. Staatsmacht ist schon viel geschrieben worden. Rupert Murdoch musste dafür schon häufiger als Paradebeispiel herhalten. Mit dem aufgedeckten Abhörskandal bei "News of the World" werden neue Facetten des Zusammenspiels der beiden "Gewalten" in Großbritannien deutlich, die ein Kommentar der Süddeutschen Zeitung überspitzt beleuchtet:
Zum allgemeinen Erschrecken wird jetzt deutlich, dass sich über den drei Staatsgewalten der britischen Demokratie eine vierte Macht etabliert hat, die offensichtlich unangreifbar war und das klassische System von checks and balances, von wechselseitiger Kontrolle und Ausgleich, außer Kraft gesetzt hat. Unter dem Schirm von Murdochs Blättern und Fernsehsendern verschmolz die britische politische Elite zu einer Ansammlung willfähriger Höflinge, die um die Gunst des Medienfürsten buhlte; das Establishment war vereint in dem Ziel, das Spiel um die Macht mit Hilfe des Medienhauses zu gewinnen. Natürlich sind die Sun oder die News of the World nicht allein ausschlaggebend für die politische Willensbildung der Briten. Aber Murdoch entwickelte seine Medien zu politischen Kampfinstrumenten und maßte sich damit eine Rolle an, die einem Verleger, aber auch einem Journalisten nicht zusteht. Mit seinem Einfluss machte er die politische Klasse abhängig vom eigenen Konzern - und erwarb damit auch eine Art Versicherungspolice etwa für den Fall, dass die korrupten Beziehungen zur Polizei auffliegen sollten. Ein in sich geschlossenes System in einem Staat aber, das die Macht an sich zu reißen sucht, nennt man Verschwörung. Die Briten sind gerade erst dabei, das Ausmaß des Verrats an ihrem Staat zu erfassen.

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2011-07-18

Fortbildung sponsored by Bundeswehr

--- Info Operations der Bundeswehr auf der Spur: Die Berliner Zeitung wirft einen kritischen Blick auf Weiterbildungsseminare, die das Bundesverteidigungsministerium finanzieren soll :
Laura Witzenhausen ist begeistert. Drei Tage lang hat die 17-jährige Schülerzeitungsredakteurin im Herbst in Berlin ein Seminar für Jugendliche besucht, die an den Themen „Wirtschaft, Ethik und Medien“ interessiert sind. ... Ein Sprecher der Bundeswehr aus Mecklenburg-Vorpommern stand als Gesprächspartner zur Verfügung. ... Den Abschluss des Seminars bildete am letzten Tag ein Vortrag über die „Relativität von Wahrheit“. Wie relativ die Wahrheit sein kann, erfuhr Laura Witzenhausen nicht: Ihr Seminar ist zwar von der Organisation „Young Leaders“ veranstaltet worden, die „Meinungsmachern von morgen“ ein Forum bieten möchte. Geldgeber für dieses und elf weitere Wochenendseminare sowie für vier große Jugendpressekongresse pro Jahr ist aber ein ganz anderer: die Bundeswehr. Oder genauer, der Presse- und Informationsstab von Verteidigungsminister Thomas de Maizière. ... Die Grünen sprechen von „schmutziger PR“, mit der junge Leute bewusst getäuscht werden sollen.

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