2012-01-12

Medien und Politik im Fall Wulff

--- Jakob Augstein kommentiert in einem Beitrag für Spiegel Online die Verstrickungen zwischen Politik und Medien im Fall des Bundespräsidenten Christian Wulff und greift dabei auf vielsagende "Leserkommentare" zurück:
Aus der Affäre Wulff ist unversehens eine Affäre der Medien geworden. Immer mehr Leser glauben den Journalisten ebenso wenig wie der Politik. ... Es sollte uns Journalisten nicht gleichgültig sein, wenn in den Foren des Internets und in den Anrufen bei den Radiosendern die "Jagd auf Wulff" als Kampagne der Medien gegeißelt wird: "Pressefreiheit verkommt zum Spektakel", sagen die Leute dann. Oder: "Die Kampagne gegen Wulff ist keine Kampagne von unten. Es handelt sich um eine Kampagne von oben, um einen Hickhack zwischen "denen da oben". ... Einem solchen Leser dämmert das Gefühl, dass Medien und Politik in Wahrheit eine Einheit bilden, dass Journalisten alles andere als "Fremde" sind, wie der amerikanische Reporter Gay Talese sein Ideal beschrieben hat. Mit ihrer Glaubwürdigkeit verlieren die Medien aber die Möglichkeit, ihre Funktion als Kontrolleure der Macht wahrzunehmen. Der lachende Dritte ist dann einer wie Christian Wulff. Der bleibt einfach im Amt.
Eine ausführlichere Auseinandersetzung mit dem komplexen Verhältnis zwischen den beiden Blöcken findet sich im "Phänomen Berlusconi" (PDF-Datei): "Zwischen den Massenmedien und der Politik herrscht ein komplexes Verhältnis der Systemverschränkung bzw. der gegenseitigen Beeinflussung. Es geht dabei um die Darstellung von Wirklichkeit, um die Macht zweier Systeme, die sich mal verbünden, mal bekämpfen. Wer dabei wen im Sinne der demokratischen Gewaltenteilung kontrolliert, ist oft nicht zweifelsfrei auszumachen, so dicht ist das Netz der Beziehungen zwischen den beiden großen Machtzentren der Informationsgesellschaft: Politiker vertreten die Interessen eines Teiles der Medienkonzerne, um sich selbst bessere Darstellungsmöglichkeiten zu sichern und sprechen sich gleichzeitig gegen andere Mediengesellschaften aus, die ihnen weniger wohlgesonnen sind. Dahinter stehen die Interessen der großen Medienkonzerne, die dann allerdings wieder von anderen, ihnen feindlich gegenüberstehenden Politikern angegriffen werden, die gleichzeitig einen totalen Zugriff der anderen Politiker auf die Medienimperien verhindern wollen ... Ein Kreislauf, der kaum zu durchblicken ist."

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